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München: Kunsthalle zeigt „Stille Rebellen“ - eine narrisch gute Schau!

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Von: Katja Kraft

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Jan Matejkos Gemälde „Stanczyk“ aus dem Jahr 1862, das nun in der Kunsthalle München zu sehen ist
Die wahren Narren auf Jan Matejkos Gemälde „Stanczyk“(1862) sind die Feiernden im Nebenzimmer. Der Hofnarr weiß um die Gefahr, in der sein Heimatland ist. Mit diesem Bild startet die Ausstellung in der Kunsthalle München. © Ligier Piotr

Die Kunsthalle München feiert die Blütezeit der polnischen Malerei. Die Schau „Stille Rebellen“ zeigt, was unsere östlichen Nachbarn künstlerisch Fantastisches geschaffen haben. Sehenswert!

Dem Hofnarren ist der Spaß vergangen. Gerade hat ihn ein Brief erreicht, der den Verlust von Smolensk in der Schlacht gegen das Großherzogtum Moskau (1514) verkündet. Die polnische Heimat ist in Gefahr. Wie kann die königliche Meute im Nebenzimmer da noch feiern? Sie sind die eigentlichen Narren auf dem Gemälde von Jan Matejko (1838-1893), das die Besucher im ersten Raum der neuen Ausstellung in der Kunsthalle München empfängt.

„Stille Rebellen“ zeigt die Blütezeit der polnischen Malerei

Gleich ist man mittendrin im Thema, das nicht aktueller sein könnte. Um Patriotismus, Tradition, Kämpfen um die eigene Heimat, aber auch um das Erkunden von neuen Wegen geht es in den Werken, die in der Schau „Stille Rebellen“ von heute an zu sehen sind. Allesamt entstanden sind sie rund um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Es war eine Blütezeit der polnischen Malerei, die als „Polnischer Symbolismus“ in die Kunstgeschichte einging. Doch in Deutschland zeigte man bisher wenig bis gar kein Interesse an dieser Schaffensphase unseres großen Nachbarn im Osten. Keine bedeutenden Werke dieser Zeit sind in deutschen Museen ausgestellt. Eine Schande, findet Kunsthallen-Direktor Roger Diederen. Seit 2013 spielten er und Kuratorin Nerina Santorius mit dem Gedanken, das zu ändern. Nun ist sie da, die erste umfassende Schau zum Thema –und der Augenblick könnte nicht passender sein.

Faszinierende Landschaftsmalerei: Ferdynand Ruszczycs „Die Wolke“, das 1902 entstand.
Faszinierende Landschaftsmalerei: Ferdynand Ruszczycs „Die Wolke“ (1902). © Kunsthalle München

Nicht nur bei der Frage der Finanzierung wird ja gern darüber diskutiert, was Kunst überhaupt bewirken kann. Ob sich Kulturschaffende nicht etwas zu wichtig nähmen mit ihrem ständigen Pochen darauf, wie essenziell Musik, Theater, Museen für die Gesellschaft seien. Das Beispiel Polen bietet eine überzeugende und dazu noch höchst ansehnliche Argumentationshilfe für diejenigen, die Kunst für unverzichtbar halten. Denn just in der Zeit, in der das Land Polen als solches nicht mehr auf der Landkarte existierte, begann das goldene Zeitalter der polnischen Malerei. In den Jahren von 1795 bis 1918, in denen sie aufgeteilt, zerrissen war zwischen Russland, Preußen und Österreich-Ungarn, hielten die Künstler die Nation in ihren Werken zusammen. Bewahrten die gemeinsame Identität, die ihnen politisch genommen worden war. Besonders stark in den Gemälden um 1900 herum wird das Verlorensein in der Staatenlosigkeit und das Hoffen auf ein Wiedererstarken der Nation spürbar.

Olga Boznanskas „Mädchen mit Chrysanthemen“, das 1894 entstand.
Porträt: Olga Boznanskas „Mädchen mit Chrysanthemen“ (1894). © Karol Kowalik

In zehn Kapitel haben Santorius, Diederen und ihre polnischen Gastkuratoren Albert Godetzky, Agnieszka Baginska, Urszula Kozakowska sowie Agnieszka Skalska die Schau aufgeteilt. Mit jedem Raum erwandert man sich etwas mehr Verständnis für die polnische Seele. Besonders beeindruckend Kapitel drei, das sich der Landschaftsmalerei widmet. Wer die Geschichte des geteilten Landes kennt, der ahnt, dass hinter den herbstlichen und winterlichen Szenen mehr steckt als zauberhafte Naturdarstellungen. Ob Stanislaw Witkiewiczs „Winterlandschaft in der Tatra“ (nach 1890), wo das Eis langsam zu schmelzen beginnt, oder Józef Chelmonskis „Eichelhäher“ (1892), der zwar auf einem schneebedeckten, aber von Sonne beschienenen Ast sitzt; immer schwingt da die leise Hoffnung auf den Frühling mit. Auf einen Neubeginn. Und die Wiederauferstehung der Nation.

Jacek Malczewskis „Derwid“ entstand 1902.
Mythen: Jacek Malczewskis „Derwid“ (1902). © Paweł Czernicki

Doch der Titel „Stille Rebellen“ bezieht sich nicht nur auf die Künstler, die mit ihren Arbeiten gegen die Fremdherrschaft aufbegehrten. Sondern auch auf die sich um 1890 formierende Gruppe des „Jungen Polen“. Die wollte sich lösen von der Tradition und pochte auf ihre künstlerische Freiheit. Weg von patriotisch geleiteter Kunst hin zum individuellen Ausdruck. Die ganze Vielfalt, die so über die Jahrzehnte entstand (von religiösen Darstellungen über bäuerliche Szenen bis hin zu eindringlichen Porträts), ist nun endlich in München zu sehen. Eine Stadt, in der viele polnische Künstler zu jener Zeit gewirkt haben. Wer genau hinschaut, der findet Bezüge, zu Franz von Lenbach etwa. Und genau hinschauen – das lohnt sich.

Bis 7. August in der Kunsthalle München, Theatinerstraße 8, täglich 10 bis 20 Uhr, weitere Infos gibt es hier

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