Die letzte Assoluta: Edita Gruberova feiert 70. Geburtstag

München/ Zürich - Edita Gruberova, noch immer Königin des Belcanto, feiert ihren 70. Geburtstag und steuert aufs goldene Bühnenjubiläum zu.
Dreimal wird sie bald wieder lügen. Und dies vor gut 2000 Leuten im Münchner Nationaltheater. „Non regno“ – welch Falschaussage. Denn natürlich regiert Edita Gruberova weiterhin im Belcantofach, auch wenn sie als Königin Elisabetta in Donizettis „Roberto Devereux“ regelmäßig auf dramatische Weise ihre Karriere beendet. Es ist reichlich uncharmant, dies herauszuposaunen, aber la Assoluta feiert ihren 70. Geburtstag. In einem Alter, in dem andere Rosen züchten, sich überhaupt ihrem Garten zuwenden, schultert die gebürtige Slowakin weiterhin Mega-Partien wie Norma, Lukrezia Borgia oder eben Elisabetta.
Gut, ihren Garten unweit des Zürichsees genießt Edita Gruberova schon auch. Das Umgraben, das Wühlen mit bloßen Händen entspanne sie einfach, pflegt die im Doppelsinn geerdete Diva zu sagen. Aber dann gibt es eben noch ihren Terminkalender. Der ist, weil er von einigen der treuesten Fans gepflegt wird, weitgehend öffentlich einsehbar. Bis 2018 finden sich darin Engagements. Ein magisches, ein Schlüsseljahr.
Zürich, Wien und München wollen dann Gala-Konzerte zum goldenen Bühnenjubiläum veranstalten. Der 50er ist der Gruberova besonders wichtig. Sie will einfach beweisen, dass sie noch da ist, dass sie ihr hochgradig verfeinertes Vokalhandwerk noch immer beherrscht – im Unterschied zu anderen, auch Jüngeren, denen Kraft und Puste viel früher ausgingen. Ein altes Trauma schwingt da mit. Obwohl die Zuhörer überrumpelt waren, als die junge Edita am 18. Februar 1968 in Bratislava als Rossinis Rosina ihre erste Vorstellung sang, obwohl sie schon bald danach an der Wiener Staatsoper als Königin der Nacht debütierte, gab es eine Durststrecke. Nur die ungeliebten Stichwortgeberinnen, die „Wurz’n“ ließ man sie in Wien singen, bis es 1976 zur legendären Zerbinetta unter Karl Böhm kam.
Vergleiche mit der Callas hinken
Was in den folgenden Jahrzehnten geschah, ist bekannt und singulär. Vergleiche mit Maria Callas und Joan Sutherland hinken, Stimmzuschnitte und Frauentypen sind zu verschieden. Aber wie die Kolleginnen sorgte Edita Gruberova dafür, dass der Belcanto mit seiner speziellen Vokalgrammatik ernst genommen wurde. Koloraturen, Spitzentöne, all das Stuckwerk ist eben nicht Selbstzweck, sondern dient der psychologischen Ausformung überraschend tiefenscharfer Charaktere.
Nicht immer wurde die Kunst der Gruberova adäquat beantwortet. Auf Dirigentenseite gab es eigentlich nur einen, der sich ähnlich mit Mikrokosmen und deren Verknüpfung zum Makrokosmos auseinandersetzte. Die Zusammenarbeit mit Nikolaus Harnoncourt auf dem weiten Mozart-Feld bescherte die schönsten Gruberova-Interpretationen. Als sie immer tiefer in die Welt Bellinis und Donizettis eintauchte, mochte der Maestro trotz Werbungsversuche seiner Sopranistin nicht mehr folgen. Werke wie die „Regimentstochter“ hielt er nicht einmal für aufführungswürdig.
Auch auf Regie-Seite gab es nur wenige kongeniale Partner. Jean-Pierre Ponnelle, Dieter Dorn mit seiner legendären Salzburger „Ariadne auf Naxos“ – und in ihrer späten Karrierephase Christof Loy. Ihm schenkte sie ihr Vertrauen, er führte sie im Münchner „Roberto Devereux“ (Premiere war 2004) über Grenzen und in neue Ausdrucksdimensionen. Weil die Gruberova auch das ungeschützt Dramatische für sich entdeckte. Und weil sie Dinge zuließ, die sich aus Biografischem speisen – die Produktion wurde zu einer der wichtigsten ihrer Karriere.
Der Titel Diva passt nicht ganz
Damals bewegte sich diese Ausnahmekünstlerin schon längst im Opernolymp. Diva, die Bezeichnung passt trotzdem nicht so ganz. Wenn die Gruberova Krach schlägt, dann hat das nachvollziehbare Gründe. Fast immer hat das mit ihrem Verständnis von Professionalität und Zuverlässigkeit zu tun: Wenn sie sich schon so intensiv vorbereitet, dann erwartet sie das auch von ihrem Umfeld. Es gab regiestutzige Sänger, die sich während der Proben in ihrer Garderobe wiederfanden und denen sie erklärte, wie sie im Duett gefälligst zu reagieren haben. Und als einmal bei einer Münchner Pressekonferenz Tenor- und Baritonpartner noch nicht da waren, beschied die Gruberova schnippisch: „Dann warten wir eben noch auf die Stars.“
Loys Münchner Inszenierung der „Lukrezia Borgia“ ist im Mai 2018 die letzte szenische Aufführung, die sich im Terminkalender findet. Zuvor, im Herbst 2017, soll Edita Gruberova angeblich mit dieser Produktion nach Japan reisen. In ein Land, in dem die extremsten Fans leben. Bis hinauf in allerhöchste Kreise übrigens. Ein paar Jahre ist es her, dass die Gruberova in Tokio ein Taxi kommen ließ und den ungläubigen Fahrer das Ziel wissen ließ: den Palast im Stadtteil Chiyoda. Die Frau des Tenno hatte zum Besuch gebeten und dafür am Klavier ein paar Lied-Begleitungen einstudiert. Kaiserinnen unter sich.