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Oscars 2022: Will Smith, der Botschafter der Hiebe

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Von: Katja Kraft

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Oscars - 94. Verleihung der Academy Awards
Oscars 2022: Will Smith watscht Chris Rock, nachdem dieser einen Witz auf Kosten von Smiths Frau gemacht hat. © Chris Pizzello/dpa

Will Smith watscht bei den Oscars seinen Kollegen Chris Rock auf offener Bühne, nachdem dieser einen Witz auf Kosten von Will Smiths Frau Jada Pinkett Smith gemacht hat. Damit hatte die 94. Oscar-Verleihung in Los Angeles ihren Skandal.

Eigentlich müsste gleich die Musik einsetzen. Als Zeichen an Will Smith, nun langsam zum Ende seiner Dankesrede für den Oscar in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ zu kommen. Aber wer würde sich trauen, ihn zum Schweigen zu bringen? Chris Rock bestimmt nicht. Dem tut vermutlich immer noch die Wange weh. Nach diesem skurrilen Moment, der in die Filmgeschichte eingeht.

Oscars 2022: Chris Rock witzelt über Smiths kahlen Schädel

Es fühlt sich tatsächlich an wie ein inszeniertes Drama, was in der Nacht von Sonntag auf Montag während der 94. Oscar-Verleihung in Los Angeles geschieht. Rock, politisch nicht immer ganz korrekter Komiker, soll die Namen der Nominierten für den besten Dokumentarfilm ansagen. Klar, dass er vorab ein paar Sprüche reißt. Unter anderem nimmt er Will Smith’ Ehefrau, Jada Pinkett Smith, aufs Korn. Sie leidet unter Haarausfall und hat sich deshalb den Kopf kahl geschoren. Rock witzelt: „Ich freue mich schon auf ,GI Jane 2‘“ – Teil zwei von „Die Akte Jane“ (1998) also. Eine Anspielung auf Jada Pinkett Smith’ Frisur, die an Demi Moores raspelkurze Haare als GI Jane erinnert. Auftritt Will Smith: Geradewegs marschiert er auf Rock zu – und knallt ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Ein Spaß, denkt man zunächst. Teil der Show. Doch zurück auf seinem Platz, legt Smith nach, brüllt zwei Mal aus vollem Halse: „Keep my Wife’s Name out of your fucking Mouth!” – zu Deutsch sinngemäß: „Wage es nicht, den Namen meiner Frau in deinen verdammten Mund zu nehmen!“

Will Smith: „Keep my Wife’s Name out of your fucking Mouth!”

Ungläubiger Blick auf den Wecker: 3.29 Uhr deutscher Zeit. Ist man kurz eingenickt und träumt – oder passiert das da gerade wirklich in Hollywood? Das scheinen sich auch die Gäste im dortigen Dolby Theatre zu fragen. Allen voran Chris Rock, der sichtlich überrumpelt irgendwie die nächste Kategorie ankündigt – und dann schnurstracks die Bühne verlässt. Alles, was nach diesem Vorfall passiert, geht zwangsläufig unter. Weil ziemlich sicher ziemlich jeder nur noch über eine Frage nachdenkt: Wie wird Will Smith, der als der Favorit für den Oscar als bester Hauptdarsteller gilt, sich äußern, sollte er gewinnen? Wird er sich entschuldigen? Weiter brüllen? Und wie wird das Publikum reagieren? Buhen? Applaudieren? Entgeistert schweigen?

Will Smith gewinnt den Oscar für „King Richard“

Wir sind in Hollywood. Und es passiert, was in jedem klassischen Hollywood-Film passieren würde. Der gefallene Held, der einen Fehler begangen hat, verkündet sein edles Motiv hinter der Tat – und wird dafür umso heftiger gefeiert. Smith hätte den Oscar nicht nur für seine unbestritten grandiose Leistung in „King Richard“ verdient, sondern auch für das, was nun folgt. Mit Tränen in den Augen ringt der 53-Jährige um Worte – um sich dann sehr geschickt mit dem von ihm gespielten Richard Williams, Vater der Tennis-Stars Serena und Venus Williams, zu vergleichen. „Er war ein scharfer Verteidiger seiner Familie.“ Genau wie er, Smith. In der so fröhlichen Entertainment-Welt sei man es gewohnt, dass andere sich lustig über einen machten, einem nicht den nötigen Respekt zollten. Es werde erwartet, dass man darüber lache und so tue, als sei das okay. Subtext: Aber es ist eben nicht okay. Sub-Subtext: Verstanden, Chris Rock?

94th Annual Academy Awards - Arrivals
Oscars 2022: Will Smith und Jada Pinkett Smith auf dem roten Teppich. © AngelaWeiss/afp

„Ich möchte ein Botschafter der Liebe und der Fürsorge und der Anteilnahme sein“, presst Smith heraus. Nun würde man als moralinsaurer Europäer bei so viel Pathos gern einwenden: Ist ja schön, Bursche, aber wie verlogen sind all die hübschen Worte über Liebe und Familiensinn, wenn man dann mit Gewalt zuschlägt? In dem Moment kriegt Smith die Kurve und beweist, dass er es draufhat, das ganz große Kino. Er zitiert seinen Freund Denzel Washington, der ihm unmittelbar nach dem Schlag gegen Chris Rock gesagt habe: „Wenn du ganz oben bist, holt dich der Teufel.“ Und so zeigt er Reue. „Ich möchte mich entschuldigen. Bei der Akademie und bei allen Nominierten.“ Dann sendet er „Licht“ über sie alle. Denn dieser Oscar-Gewinn bedeute ihm ja nur deshalb so viel, weil er auf das gesamte Filmteam und die Williams-Familie positiv ausstrahle.

Richard Williams wurde oft für verrückt erklärt. „Jetzt sehe ich selbst aus wie ein verrückter Vater“, meint Smith schmunzelnd. „Aber: Liebe lässt dich verrückte Sachen machen.“ Im Saal nicken sie wissend. Und klatschen. Und jubeln. King Will(iams) – preisverdächtig. Abspann bitte.

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