Sein Studium in Wien hängte Resetarits Ende der Sechziger rasch an den Nagel – die Musik sollte es sein: Er wurde einer der Schmetterlinge, Österreichs vogelwilde Polit-Folker: klare Kante, verschnörkelte Songs gegen die Ungerechtigkeit der Welt. Willi Resetarits sang und komponierte.
1983 traf er Günter Brödl – und die beiden sollten fortan den Austropop verändern: Denn 1979 hatte Brödl, der „Trainer“ wie Resetarits den Journalisten, Moderator und Autor (1955-2000) stets nannte, das Theaterstück „Wem gehört der Rock’n’Roll?“ veröffentlicht. Hier trat der Ostbahn-Kurti auf. Eine Nebenfigur eigentlich, aber – eh wurscht: Das Publikum fand den Kurti leiwand. Der „Trainer“ erkannte das Potenzial und schenkte ihm ein Eigenleben: Brödl erfand eine Biografie, veröffentlichte ein fiktives Interview, gab Kleinanzeigen auf („Suche LPs von Ostbahn-Kurti“), ließ Liedtexte in Literaturzeitschriften nachdrucken und besprühte Brückenpfeiler: „Kurt Ostbahn lebt!“ Eh klar. Denn Resetarits wurde zu diesem Kurt Ostbahn – und zwar so richtig. Erst 2003 sollte er ihn in Pension schicken, nachdem der „Trainer“ überraschend mit 45 gestorben war, wollte auch der Sänger nicht mehr. Vorübergehend. Zum Glück.
In den fast 20 gemeinsamen Jahren des Duos erschienen zig Platten. Das Besondere – und ein Geheimnis des Erfolgs über Österreichs Grenzen hinaus: Brödl übertrug Hits des Blues, Rock’n’Roll und der Countrymusik aus dem Englischen ins Wienerische. Aus „Sharped dressed Man“ von ZZ Top wurde „Neiche Schoin“, die Soulnummer „I heard it through the Grapevine“ machte er zu „Wo hamma denn den Foaschein“, und „The Joker“ der Steve Miller Band hieß beim Kurti „Da Joker“ mit den so schlichten wie wahrhaftigen Zeilen „I bin ka Gschwinda/ Des siacht a Blinda/ I bin im Gwinna/ Und leb vom Singan/ A Musikant wia ma so sogt“.
Im Jahr 1985 veröffentlichte Resetarits seine erste LP als Kunstfigur, „Ostbahn Kurti & die Chefpartie“. Und diese Chefpartie mit Sexualberater Karl Horak am Bass, Leopold „Prinz“ Karasek (Gitarre), Lilli „Zirkus“ Marschall (Gitarre ab 1989), Signore Mario Adretti (Keyboard, Ziehharmonika) und Herrn Diplom-Ingenieur Eduard Jedelsky am Schlagwerk war Kurtis erste Band – technisch vielleicht nicht perfekt, aber auf der Bühne mit enormer Spiellust, viel Witz und mitreißender Energie. Dass manche Musikernamen herrlichster Schmarrn waren, war Konzept – und wurde vom Doktor bei Konzerten mit großer Ernsthaftigkeit zelebriert. „G’wesen is ja so“, pflegte er gerne zu dozieren: Er habe den „Favoriten’n’Blues“ mit dem Vater vom Prinzen, also mit dem „King Karasek“, erfunden – „und die Amerikaner ham uns des Ganze 30 Johr vorher g’stohln. Ein österreichisches Schicksal.“ Mit diesem Mix aus ganz viel Schmäh, mitreißender Rockmusik und Heimatdialekt erspielte sich Ostbahn-Kurti eine große, treue Fangemeinde. „Ich wiederhole: Es ist eine Lust zu leben“, rief er beim Abschiedskonzert – angesichts der aktuellen Nachricht ein Trost zu wissen, dass er es auch so gemeint hat.
Nachdem er 2003 den Kurti in den Ruhestand verabschiedet hatte, engagierte Resetarits sich bei diversen Projekten. So war er etwa für Thomas Spitzer von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung als Sänger im Studio, um am EAV-Album „Ihr Sünderlein kommet“ mitzuarbeiten, das Ende 2021 nach 42 Jahren endlich erschienen ist. Besonders am Herzen lag ihm aber der Stubnblues: eine fein abgestimmte, zurückhaltend interpretierte Mischung aus österreichischen und kroatischen Volksliedern, Blues und vertonten Gedichten etwa von H. C. Artmann. Hier zeigte der Künstler, der es gerne krachen ließ, dass er auch die ruhigen Töne beherrschte. Der Tod im Allgemeinen sei „a grober Fehler“, diagnostizierte Dr. Kurt Ostbahn einst. Und wer würde diesem Doktor widersprechen?