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Premiere im Residenztheater: Shakespeares "Viel Lärm um Nichts"

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Verleumdet und gedemütigt: Don Pedro (Stefan Wilkening, Mitte) beschuldigt nach einer List seines Halbbruders (Frank Siebenschuh) Hero (Lucy Wirth) der Untreue. © Rabanus

München - Regisseur Jan Philipp Gloger inszeniert Shakespeares "Viel Lärm um Nichts" als Mafia-Stück. Interessante Charaktere, Komik und Sprachwitz begeistern das Publikum. Die Kritik der Premiere lesen Sie hier.

In Messina spielt das alles, teilt uns William Shakespeare in seiner Komödie „Viel Lärm um nichts“ mit (wohl um 1598 entstanden). Messina liegt auf Sizilien, dachte sich Regisseur Jan Philipp Gloger und baute seine Inszenierung auf die Mafia-Klischees (inklusive melancholisches Lied) auf, die wir aus Film und Fernsehen ach so gut kennen.

Man mag daher anfangs einen Gähnkrampf für die folgenden zwei Stunden fürchten, sie sind aber dennoch kurzweilig; es gibt viel zu lachen – und die Einlagerung des Dramas ins italienische Milieu des organisierten Verbrechens funktioniert erstaunlich gut.

Denn wo gibt es heute im Westen noch diese Mischung aus Macho-Wahn, Brutalität und Geschäft, und zwar ganz offen ausgestellt?

Irrwitzige Komik als Kontrast

„Viel Lärm um nichts“ hatte am Donnerstagabend im Residenztheater des Bayerischen Staatsschauspiels Premiere. Gloger war dabei so klug, seine Mafiosi ironisch als Kettchen-Haargel-Pistolenfuchtel-Typen auszustellen (Kostüme: Karin Jud).

Deswegen ist es durchaus logisch, dass er die Tölpel-Figuren, denen Shakespeare eine bisweilen absurde Irrwitz-Komik im Kontrast zu den Adeligen ins Maul geschrieben hat, komplett strich. In dieser Inszenierung gibt es keine feinen Leute – und dass sie die eigentlichen Tölpel sind, obwohl sie sich so überlegen vorkommen, macht schon der alte Elisabethaner klar.

Hyper-Jungesellen und Ideal-Ladies

Franziska Bornkamm setzt auf ihrer Bühne den Gangster-Reigen in ein schwarzes Raum-Nichts, in dem nur eine hellgraue Betonwand ein Spiel-Fixpunkt ist. Auf der Drehbühne verbindet, trennt, versteckt und enttarnt sie, immer wieder anders beleuchtet, die Charaktere genauso wie den Komödienmechanismus.

Ihm zuliebe wird auch fleißig ins Publikum parliert, geflirtet (herrlich: Wilkening), und eine Zuschauerin muss/darf kurz mitspielen. Bei einer in der Tat allerliebst verschmitzten Szene: wenn Hyper-Junggeselle Benedict mal ausprobiert, wie es sein könnte mit einer Frau im Arm, dabei fast schon schwach wird und dann zu seinem abartigen Anforderungskatalog an die Ideal-Lady ansetzt.

Brillantfeuerwerk an Sprachwitz

Ein wunderbares Solo für Shenja Lacher. Er teilt sich mit Stephanie Leue die beiden Glanzrollen der Wort-Florettfechter, denen ja wie so oft Shakespeares innige Zuneigung gilt, kann er doch durch sie ein Brillantfeuerwerk an Sprachwitz abbrennen.

Beatrice und Benedict sind die intellektuellen Skeptiker, die auf die Ehe schimpfen, natürlich der Liebe erliegen – was der Dichter gleich zu Beginn andeutet –, aber durch sie nicht blind, sondern sehend werden. Die beiden Schauspieler nutzten ihre Chance, ohne dem Affen zu viel Zucker zu geben.

Leue gibt eine schlaksige, gescheite Emanze, mit einer scharfen Goschen, aber herzensgut. Lacher drängt Benedicts Klugheit zurück, zeigt eher den Klassenclown der Macho-Clique, umso schöner und ernster kommt später seine Liebe und Verehrung den Frauen gegenüber heraus.

Kreuzung aus Rauschgoldengel und Sexbombe

Die haben’s eh nicht leicht, besonders nicht Hero, Leonatos Tochter. Lucy Wirth und Regisseur Gloger charakterisieren sie als fleischgewordenen Macho-Traum: Kreuzung aus Rauschgoldengel und Sexbombe – und obendrein reich.

Wirth macht das Spiel goldig mit, lässt aber ab und an spüren, dass Hero durchaus Stacheln hat, die sie aufstellen kann. Nur die schwere Herzenstiefe – wenn sie vor dem Traualtar von Claudio als Schlampe verleumdet wird – konnten Gloger und sie nicht ausloten.

Ihr Claudio ist bei Andreas Christ – mit hübscher Komik – ein schmieriger Bubi, der nur oberflächlich am Leben kratzt. Papa Leonato wird durch den versierten Ulrich Beseler ein strategisch denkender Alt-Mafioso/Politiker, unterstützt vom braven Bruder Antonio (Alfred Kleinheinz).

Boss der Bosse mit Charme und Charisma

An den wilden Vatergefühlen hätten er und der Regisseur mehr arbeiten müssen. Letzterem ist noch viel weniger, nämlich fast gar nichts zu den beiden Intriganten John und Borachio (Frank Siebenschuh, Thomas Gräßle) eingefallen. Nur dass dieser am Schluss eine attraktive Vendetta-Leiche abgibt.

Dafür zeigt Stefan Wilkening als Pedro von Aragon eine fein schattierte Studie: der joviale Boss der Bosse, dem man die Hand küsst, der lauert und belauert wird. Der Schauspieler gibt ihm Charme und Charisma, aber auch den notwendigen Schuss Lächerlichkeit.

Schließlich sind all diese Marionettenspieler unglaublich leicht zu manipulieren – sind doch nur Tölpel, aber gefährliche. – Herzlicher Applaus.

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