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Schluss mit dem Kultur-Lockdown! Münchner Intendanten fordern: „Lasst uns endlich öffnen!“

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Von: Katja Kraft

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Wann dürfen Theatersäle wie der des Gärtnerplatztheaters wieder öffnen? Die Verantwortlichen der Häuser fordern: bald!
Wann dürfen Theatersäle wie der des Gärtnerplatztheaters wieder öffnen? Die Verantwortlichen der Häuser fordern: bald! © dpa

Seit Monaten dürfen in Theatern, Opern und Konzertsälen in Bayern keine Aufführungen mehr über die Bühne gehen. Den Chefs der Häuser reicht es. Sie fordern: Lasst uns endlich öffnen!

Sie haben alles getan. Haben Mindestabstände gewährleistet, haben für ordentlich belüftete Säle gesorgt, haben geringere Zuschauermengen in ihren Häusern zugelassen. Aus Verantwortungsgefühl für eine Gesellschaft, die mit einer Pandemie zu kämpfen hat. Doch irgendwann ist Schluss. Warum, das fragen die Intendanten Nikolaus Bachler (Bayerische Staatsoper), Andreas Beck (Residenztheater) und Josef E. Köpplinger (Gärtnerplatztheater) bei einer spontan einberufenen Pressekonferenz, warum in aller Welt dürfen sie nicht öffnen? „Wir haben das vergangene Jahr damit verbracht, das Problem wirklich anzugehen – und sehr fundiert an Lösungen gearbeitet. Doch das hat letztlich in der Politik kaum jemanden interessiert; man ist mit dem Rasenmäher über die Kunst- und Theaterlandschaft gegangen und hat geschlossen“, ärgert sich Nikolaus Bachler. Es sei höchste Zeit, wieder eine Verhältnismäßigkeit herzustellen und nicht mehr nur völlig planlos von Moment zu Moment zu agieren.

Gärtnerplatztheater-Intendant Josef E. Köpplinger
Gärtnerplatztheater-Intendant Josef E. Köpplinger © Sigi Jantz

Das, was die drei ausstrahlen, ist keine Wut. Es ist tiefe Enttäuschung. Denn was ist das Öffnungsverbot anderes als ein Zeichen dafür, dass die Politik der Kunst und der Kultur keine wesentliche Bedeutung für den Erhalt der Gesellschaft zuschreibt? Bachler bringt es auf den Punkt: „Wenn wir ehrlich sind, ist es doch so: Man schließt nicht die Supermärkte, nicht den privaten Bereich, man schließt das, von dem man glaubt, dass man es schließen kann. Da sind wir die Letzten in der Reihe – und das kann nicht so bleiben.“

„Es gibt nicht irgendwann einen Tag X, an dem das Virus verschwunden ist!“

Und nun? Klagen gegen den eigenen Dienstherrn, das ginge schlecht. Was dann? Zetermordio? „Davon halte ich nichts. Die, die am lautesten sind, die kriegen was? Das ist der falsche Weg. Wir müssen auf die Vernunft setzen“, findet Köpplinger. Bei aller Kindlichkeit, die sich Kulturschaffende bewahrt haben, könne man ihnen die Vernunft doch nicht absprechen. „Wir sind vernünftig, wir wollen, dass das verstanden wird.“ Unvernünftig, pflichtet ihm Andreas Beck bei, seien die, die meinten, es gebe irgendwann einen Tag X, an dem das Virus verschwunden sei. „Wir müssen miteinander Möglichkeiten finden, wie wir mit dem Virus Kunst erleben können. Und das haben wir.“ Beck verweist auf die Studien, die belegen, dass Museen, Theater- und Konzertsäle keine Ansteckungsherde seien. „Wir sind keine Hasardeure, die Gefahren ignorieren. Wir haben alle Maßnahmen aus Solidarität mitgetragen. Doch was jetzt passiert, ist eine Symbolpolitik, der wir zum Opfer fallen.“

Staatsopern-Intendant Nikolaus Bachler
Staatsopern-Intendant Nikolaus Bachler © dpa

Josef E. Köpplinger erinnert an die Menschen, die der Kultur-Lockdown am meisten trifft. „Die Tänzer, Sänger, Musiker wollen alle wieder auftreten. Die fühlen sich sicher. Wir haben ja genug Erfahrungen gesammelt und gesehen, dass ein Theaterbetrieb trotz Pandemie möglich ist.“ Gemeinsam verweisen sie auf europäische Länder, in denen die Kunst- und Kulturbetriebe wieder geöffnet hätten, die Ansteckungszahlen dadurch aber nicht in die Höhe schnellten. Und da bleibt ausgerechnet der Kulturstaat Deutschland hinten zurück? „Wir brauchen entscheidungsfreudige Politiker. Die Dinge, die funktionieren, sollten möglich gemacht werden. Alles andere ist nicht mehr verhältnismäßig“, betont Köpplinger.

Residenztheater-Intendant Andreas Beck
Residenztheater-Intendant Andreas Beck © Hunziker

Die schlimmsten Auswirkungen der dauerhaften Schließungen seien ja nicht die finanziellen. „Es sind die psychologischen“, mahnt Bachler. Hier werde zwar mit Geld versucht, gegenzusteuern, doch alles lasse sich eben nicht mit Geld lösen. „Wir schneiden den Künstlern den Lebensfaden ab. Gerade den jungen – und damit ihre Zukunft. Sie wollen nicht zu Versorgungsempfängern werden, sondern mit ihrem Beruf ihr Leben gestalten.“ Der Politik wirft der Staatsopern-Intendant vor, das Publikum mehr und mehr von Kunst und Kultur zu entwöhnen. Auch um dem entgegenzuwirken, hängen sie sich so sehr rein bei den Internet-Angeboten. Denn dass das Publikum Programm-hungrig ist, daran besteht kein Zweifel. „Bei allen Vorstellungen, die wir 2020 geben durften, waren die Tickets binnen eineinhalb Stunden ausverkauft“, erzählt Köpplinger; die anderen zwei berichten von ständigen Anfragen in den Kartenbüros, wann man wieder ordern könne.

Tja, wann. Das bleibt die große Frage. Just einige Minuten vor der Pressekonferenz erhielten die Chefs der drei Häuser die Nachricht vom Bayerischen Kunstministerium, dass der Betrieb bis einschließlich 31. März gestoppt bleiben müsse. Mindestens. Köpplinger fordert, dass dies die letzte Frist sei. „Wie wäre das: In diesem Jahr machen wir am 1. April keinen Scherz, sondern da öffnen wir. Weil es funktioniert.“

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