1. Startseite
  2. Kultur

Sophia Loren bei Netflix: Die Rückkehr der Leinwand-Göttin

Erstellt:

Von: Katja Kraft

Kommentare

Sophia Loren in einer Filmszene als Madame Rosa.
Der Glanz in ihren Augen ist strahlend wie immer: Sophia Loren in einer Filmszene als Madame Rosa. © Netflix

Vor sechs Jahren erschien ihre Autobiografie - als Leser dachte man, es sei der fulminante Abschluss von Sophia Lorens Karriere. Doch nun läuft auf Netflix die Buchverfilmung „Du hast das Leben vor dir“ mit der 86-jährigen Leinwand-Göttin in der Hauptrolle. Stark!

„Es war einmal ein bitteres und zugleich großartiges Leben, das ein Mädchen, eine Frau und eine Schauspielerin Revue passieren lässt. Für jedes Mädchen, das die Welt mit großen Augen und dieser Sehnsucht nach dem Leben betrachtet, wird es immer ein ,Einmal‘ geben.“ So endet die Autobiografie „Mein Leben“, die Sophia Loren 2014 veröffentlichte (Piper; 26,90 Euro). Die 368 Seiten lasen sich nicht nur wie eine abschließende Erinnerung an ein reiches Privatleben sondern auch wie das Ausrufezeichen hinter einer langen beruflichen Karriere. Und nun das.

Da strahlt Sophia Loren, diese Leinwand-Göttin, ausgerechnet beim Streamingdienst Netflix noch einmal mit ihren großen Augen. In der bewegenden Verfilmung von Romain Garys Roman „Du hast das Leben noch vor dir“ spielt die – man fasst es kaum! – 86-Jährige eine Holocaust-Überlebende und Ex-Prostituierte, die ihr Geld damit verdient, die Kinder ehemaliger Kolleginnen zu betreuen, während die ihren Dienst verrichten.

Madame Rosa (Sophia Loren) und ihr neuer Zögling, der senegalesische Flüchtling Momo (Ibrahima Gueye).
Madame Rosa (Sophia Loren) und ihr neuer Zögling, der senegalesische Flüchtling Momo (Ibrahima Gueye). © Netflix

Der Filmtitel ist indes um ein Wort kürzer als der der Vorlage: „Du hast das Leben vor dir“ ist ab jetzt auf Netflix zu sehen. Das fehlende „Noch“ zeigt, dass es eben nie zu spät ist für einen Neuanfang. Klingt süßlich amerikanisch, ist aber abgesehen von dem finanzstarken US-Produzenten durch und durch italienisch: Edoardo Ponti hat inszeniert und mit Ugo Chiti das Drehbuch geschrieben. Die Schauspieler kommen aus bella Italia. Wer sich eine besondere Freude machen möchte, der schaue das Drama, das uns Mitmenschlichkeit in ihrer schönsten Form vorführt, auf Italienisch an (deutsche Untertitel verfügbar). So erlebt man die Annäherung zwischen der resoluten Pflegemutter Madame Rosa (Loren) und ihrem neuen Zögling, dem senegalesischen Flüchtling Momo (Ibrahima Gueye) umso intensiver. Beide sind nach außen taff, doch innerlich voller Ängste.

Sophia Loren wird bereits als Oscar-Favoritin in der Kategorie beste Hauptdarstellerin gehandelt. Tatsächlich gelingt es ihr, Madame Rosa mit einer Mischung aus Wärme und Abgeklärtheit lebendig werden zu lassen. Rosa zieht sich Nacht für Nacht in ein Kellerversteck zurück, so wie sie es als jüdisches Kind tun musste. Die Angst vor den Verfolgern, die sie ständig einholt, wird im Alter stärker. Dann sitzt sie einfach da, im Regen, wie erstarrt. Wir sehen die Bilder, die durch ihre Erinnerung laufen nicht, doch wir spüren, was diese Frau in Auschwitz erlebt haben muss.

Viel herzerwärmende Symbolik, viel italienisches Lebensgefühl

Doch da sind noch andere Erinnerungen: an die blühenden Mimosenbäume, die ihre Familie einst besaß. Wenn Momo ihr einen Mimosenzweig schenkt, ist das hart an der Grenze zum Kitsch. Die Mimose als Symbol für die Fragilität des Glücks. Überhaupt setzt Regisseur Ponti viel auf italienisches Lebensgefühl, wo getanzt wird, wenn jedes Ruhen schmerzt. Setzt auf weise Worte des muslimischen Freunds von Madame Rosa, der Momo Respekt beibringen soll. Als Momo ihm erzählt, dass er einen anderen Buben mit einem Stift attackiert hat, sagt der ehemalige Teppichhändler so kluge Sätze wie: „Das Wort ist die beste Waffe. Man muss niemandem einen Stift reinrammen.“ Viel darf Momo grinsend durch die Straßen radeln, mit fröhlicher Musik im Ohr. Doch jedes Mal brechen die glücklichen Momente abrupt ab. Nicht umsonst hängen in seinem Zimmer Boxplakate. Momo hat gelernt, dass das Leben besonders gerne zuschlägt, wenn du gerade nicht damit rechnest. Von Rosa lernt er, dass diese Wahrheit auch umgekehrt gilt: „Wenn man die Hoffnung aufgibt, passieren gute Dinge“, sagt sie einmal zu dem Buben. Dann ergreift er zum ersten Mal ihre Hand.

Ein starkes Ensemble rund um Sophia Loren

Das ist alles sehr viel herzerwärmende Traumabewältigung und ziemlich fixe persönliche Entwicklung gerade von Momo im 94-Minuten-Durchlauf. Aber, was soll man sagen, Sophia Loren und dem rundweg starken Ensemble verzeiht man das. Wir gehen gerne mit bei diesem Märchen, das uns lehrt, dass zwar jeder Tanz im Leben einmal endet und ein Tiefschlag in die Magengrube lauert; doch dass, wer gemeinsam tanzt, gute Chancen hat, den nächsten Angriff abzuwehren.

Auch interessant

Kommentare