Münchner Antikensammlungen zeigen „Neues Licht aus Pompeji“: Erhellend!

Die Staatlichen Antikensammlungen in München zeigen die sehenswerte Schau „Neues Licht aus Pompeji“. Die perfekte Aufwärm-Schau in kalten Wintertagen.
Von wegen, „im Dunkeln ist gut munkeln“. Ein bisserl sollten die Kandelaber-Dochte schon flackern – dann wird auch das Liebesspiel gleich feuriger. „Es stört die Lust, wenn man die Bewegungen nicht sieht. Falls du es nicht weißt: In der Liebe sind Augen die Führer“, schreibt Properz (etwa 47 v. Chr. bis etwa 2 v. Chr.). So zitiert ihn eine Schautafel in der Sonderausstellung „Neues Licht aus Pompeji“ der Staatlichen Antikensammlungen in München. Und wenn man sich die Leuchtmittel ansieht, die unter diesem Sprüchlein stehen, hat man so den Eindruck: Die Herren und Damen der Antike wussten ganz gut, wie man die Flamme am Lodern hält. Da haben die Öllampen auffallend häufig die Form von Göttern mit imposantem Phallos; das Öl füllte man über ein Loch im Nacken in die Figürchen, an der Eichel wurde es dann entzündet. Feuernde Männlichkeit, wenig subtile Aufforderung an Schutzgötter wie Priapos, einen auf allen Wegen vor Schaden zu bewahren.

Während wir heute einfach nur den Schalter der schnöden elektrischen Nachttischlampe drücken müssen, damit gleich das ganze Zimmer so grell erleuchtet ist, dass die Liebe manches Mal die Äuglein gern sofort wieder schließen würde, herrschte in der Zeit, von der diese sehenswerte Schau erzählt, ein völlig anderer Bezug zu Licht und Dunkelheit. Lassen wir uns nicht von modern ausgeleuchteten Fresken in Museen und Bildbänden täuschen: Damals – die ausgestellten Stücke stammen etwa aus der Zeit zwischen dem ersten Jahrhundert vor und dem ersten Jahrhundert nach Christus – waren die künstlichen Leuchtmittel wenig strahlungsintensiv; und weil das klassische römische Haus als schattige Oase gegen die südliche Sonne angelegt war, war von natürlichem Tageslicht darin kaum etwas zu sehen. Wollte man die fantastischen Wandmalereien im Hausinneren bewundern, musste man die Öllampe ganz nah an die jeweilige Stelle halten. Wie intensiv sich das angefühlt haben muss, allein dazustehen, die flackernden Bilder vor Augen, im Dunkel der Nacht. Und überhaupt: Was haben die Römer gesehen, wenn sie nachts feierten, arbeiteten, lebten, liebten? Sehen ist Fühlen mit den Augen. Wenn sich diese Schau nun zum ersten Mal umfassend der Technik, Ästhetik und Atmosphäre des römischen Kunstlichts widmet, ist das also auch ein sinnliches Herantasten in die Gefühlswelt der Menschen dieser Zeit.

Keine andere Stadt der Antike hat so viele Beleuchtungsgeräte hervorgebracht wie das 79 n. Chr. verschüttete Pompeji. Die Ausstellung bringt 180 Bronzeoriginale aus der Vesuvstadt nach München: Öllampen, Kandelaber, Lampenständer und figürliche Lampen- und Fackelhalter. Die stehen jetzt nicht einfach nur mit vielen spannenden Informationen versehen in den Vitrinen herum, damit wir über die unheimlich aufwendig gestalteten Formen staunen können – die Ausstellung ist Teil eines Forschungsprojekts des Instituts für Klassische Archäologie an der LMU München unter der Leitung von Ruth Bielfeldt. Sie und ihr Team haben all die wertvollen Stücke, die seit Jahrhunderten von der Wissenschaft unbeachtet in Depots des Museo Archeologico Nazionale Napoli und des Parco Archeologico di Pompei gelagert haben, erstmals systematisch erforscht – und präsentieren sie nun im rechten Licht.
Designkunst von Ingo Maurer lockert die Ausstellung auf
Geschickt fügen sie dabei immer wieder auch moderne Leuchtkunst von Ingo Maurer (1932-2019) ein und machen damit klar: der Wunsch nach wärmenden Strahlen ist so alt wie die Erfindung des Feuers. Wo Licht ist, da treffen sich die Menschen, da entsteht Kommunikation. Das Funkeln vergangener Zeiten leuchtet bis in unsere Gegenwart weiter. Wie es gewesen sein könnte, damals des Nachts in einem Haus in Pompeji, zeigt der letzte Raum der Schau. Da kann man sich dann eine 3D-Brille aufsetzen – und dank ausgefeilter Technik für ein paar Augenblicke virtuell durch die Antike schreiten. Erhellend. Bis 2. April 2023 täglich außer montags 10 bis 17 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr. Sehr informativer Katalog: „Neues Licht aus Pompeji“. Nünnerich-Asmus, Oppenheim, 512 Seiten; 35 Euro.