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Zum Tod von Tina Turner: Nach Schicksalsschlägen und Krankheiten – Trauer um eine Naturgewalt

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Von: Zoran Gojic

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Minirock, Löwenmähne und unbändige Energie: So rockte sich Tina Turner in die Herzen ihres Publikums. Jetzt ist die Rocklegende im Alter von 83 Jahren gestorben. Unser Nachruf.

Das Lied, das sie zurückgebracht hat, ihr eine zweite Chance bescherte und einen goldenen Lebensabend sichert – das Lied hat Tina Turner nie leiden können. „What’s Love got to do with it“ beschert 1984 der Mittvierzigerin einen weltweiten Nummer-1-Hit und legt den Grundstein für eine Jahrzehnte währende Karriere als gefeierter Star. Turner mag den Sound nicht und auch nicht, dass sie sich „sexy“ geben muss. Aber als zweifache alleinerziehende Mutter, die auf Sozialhilfe angewiesen ist, weiß sie, dass das ein Luxusproblem ist.

Tina Turner bringt 1984 das Album „Private Dancer“ heraus

Mit unzähligen Club-Auftritten hat sie sich in Großbritannien über Wasser gehalten und das Album „Private Dancer“ 1984 aufgenommen, weil sie dringend Geld braucht. Sie macht das Beste daraus und wird in der Folge die „Elder Stateslady“ des Soul-Pop, wohl wissend, dass sie stimmlich unter ihren Fähigkeiten bleibt.

Tina Turner wurde als Anna Mae Bullock geboren

1939 im Süden der USA als Anna Mae Bullock geboren beweist sie schon früh Steherqualitäten. Aus einer schwierigen Familie flüchtet Turner 1960 in die Arme des Rockpioniers Ike Turner, der sofort ihr Talent erkennt und einen Star aus ihr macht. Turner ist ein begnadeter Musiker, ein Wegbereiter des Rock and Roll, aber auch ein gewalttätiger Macho und Egoman. Mit der mitreißenden Bearbeitung von Rock-Hits werden Ike und Tina Turner berühmt, aber Ike hat große Probleme damit, dass die charismatische Tina die eigentliche Attraktion des Duos ist. Als Produzentenlegende Phil Spector 1968 sein episches „River Deep, Mountain High“ explizit Tina auf den Leib schreibt, ist Ike außer sich, und nachdem Tina für die grandiose Eigenkomposition „Nutbush City Limits“ gefeiert wird, eskaliert der Konflikt des Paars endgültig.

1976 flieht Tina vor ihrem gewalttätigen Mann Ike Turner

1976 flieht Tina vor den Schlägen, Demütigungen, Entmündigungen, und das ist im Grunde ihr größter Triumph. Sie zeigt ihrem Mann und dem Rest der Welt, dass sie alleine bestehen kann. Um ihren etablierten Bühnennamen Turner behalten zu können, tritt sie alle Rechte am Songkatalog an Ike ab und ist damit erst mal komplett pleite.

Tina Turner und Ike Turner
Erfolgreiche, aber düstere Zeiten: Tina Turner mit Ehemann Ike, der sie über Jahre misshandelte. © Bert Reisfeld/dpa

Tina Turner gibt nicht auf, wird nicht bitter oder zynisch. Es dauert fast ein Jahrzehnt bis zum Comeback, aber es kommt und als es soweit ist, kann sich kaum noch jemand an Ike Turner erinnern. Mit eingängigen Hits, sagenumwobenen Liveauftritten und cleverem Marketing wird Tina Turner eine Marke. Die gestandene Frau, die weitermacht, auch wenn andere aufgeben und alterslos Erotik verströmt. Und natürlich ist da diese gewaltige Stimme, die aus der kleinen Tina herausbricht wie eine Naturgewalt.

Tina Turners Stimme ist eine Naturgewalt

Mit den eigenwilligen Volten des Showbusiness macht sie ihren Frieden, ihre Hinwendung zum Buddhismus hilft ihr dabei, die Ruhe zu bewahren im Affenzirkus der Musikindustrie. Zwischendurch absolviert sie bemerkenswert souverän immer wieder Auftritte vor der Filmkamera und beeindruckt Kollegen wie Kritiker.

Im Jahr 2009 setzt Tina Turner sich zur Ruhe

2009 setzt sie sich kurz vor dem 70. Geburtstag zur Ruhe. Sie hat sich über Jahrzehnte auf der Bühne verausgabt, hat immer alles gegeben, das muss reichen. Sie will nicht als Travestie ihrer selbst über Bühnen taumeln. Mit ihrem zweiten Ehemann zieht sie sich in die Schweiz zurück und lebt fortan als Privatier. Sie nimmt sogar die Schweizer Staatsbürgerschaft an und widersteht jeder Versuchung eines Rücktritts vom Rücktritt. Gesundheitliche Probleme und persönliche Tragödien wie den Tod ihres Sohnes nimmt sie stoisch und tut das, was sie ein Leben lang getan hat: den Rücken durchdrücken, lächeln und weitermachen.

Tina Turner war das Rolemodel für selbstbewusste Frauen

Tina Turner war das Rolemodel für selbstbewusste Frauen lange vor #MeToo oder genau genommen, bevor es Twitter gab. Nun ist sie mit 83 in der Schweiz gestorben. Tina Turner stand für eine unaufgeregte Haltung, empathisches Selbstbewusstsein und das seltene Beispiel von Ausgewogenheit für kommerzielle Bedürfnisse und künstlerischen Anspruch. Eine große Künstlerin ist gegangen. So etwas wie Turner sieht man nicht alle Tage, wir werden sie vermissen.

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