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Trauer um Jahrhundert-Tenor

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Von: Markus Thiel

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München - Nicolai Gedda war für Intendanten, Dirigenten und fürs Publikum ein Himmelsgeschenk. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist der Jahrhundert-Tenor bereits am 8. Januar im Alter von 91 Jahren gestorben.

Am Beginn seiner Karriere stand eine eigentlich vollkommen absurde Prüfung. Der schwedische Hofkapellmeister verlangte 1951 von dem jungen Tenor einen Ton weit jenseits des hohen C. Kein Problem für Nicolai Gedda – und schon hatte er den Vertrag für Adolphe Adams „Postillon von Lonjumeau“ in der Tasche. Das Stück ist nicht weiter erwähnenswert – wäre da nicht diese Arie, die zum Heftigsten der Opernliteratur zählt. Was folgte, ist bekannt, Legende – und wird ewig nachwirken: Am 8. Januar ist Gedda im Alter von 91 Jahren gestorben, seine Tochter hat das erst gestern bestätigt.

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Er sang mit einem Lächeln: Nicolai Gedda. © dpa

Gedda war für Intendanten, Dirigenten und fürs Publikum ein Himmelsgeschenk. Eine Stimme von edler Eleganz und kostbarer Güte, ideal geeignet für Mozart, für die leichten jugendlichen Helden des italienischen, noch mehr aber des französischen Fachs. Und das Beste: Alle diese Sprachen, insgesamt sieben, beherrschte der Schwede perfekt. In Geddas Gesang verbanden sich gestalterische Intelligenz, Klarheit der Diktion, Schönheit des Timbres und technische Vollkommenheit. Wie kaum ein Zweiter beherrschte er die „Voix mixte“. Jene Kunst also, Brust- und Kopfstimme so zu mischen, dass hohe Töne ohne Druck erzeugt werden und auch im Piano völlig barrierefrei fluten.

Geddas Tenor behielt bis in die Neunzigerjahre seinen eigenen Charme. Kein Vulkan war da zu erleben, sondern ein helles, unverkünsteltes Gestalten. Der gebürtige Stockholmer klang, als ob er mit einem Lächeln singen würde – und einer gewissen Distanz. Ein hochemotionaler Bühnenmensch war er nicht, das wusste Gedda und begann seine berufliche Karriere als Bankkaufmann. „Ich bin nicht mit der Gabe des Auftretens geboren“, schrieb er in seiner Autobiografie. „Stattdessen musste ich hart kämpfen, um trotz meiner Schüchternheit auf die Bühne hinausgehen zu können.“ Seiner Ausstrahlung tat das keinen Abbruch, gerade weil Gedda nie gockelte, dafür redlich blieb – und damit so wahrhaftig.

Rund 100 Werke umfasst sein Repertoire. Viele Operetten sind darunter. Er war sich nicht zu schade, in Fernsehshows aufzutreten, und bewies damit, wie sein Metier einem Massenpublikum nahegebracht werden kann. Geddas grundehrliche, reflektierte Kunst machte ihm zu einem der größten Sänger überhaupt. Wer die Aufnahmen von Rossinis „Wilhelm Tell“ mit Lamberto Gardelli, die Berlioz-Opern mit Colin Davis oder das Verdi-Requiem mit Carlo Maria Giulini gehört hat, ist auf ewig verdorben für andere Interpretationen. Nicolai Gedda war mehr als ein Star, er war ein Jahrhundert-Stilist.

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