Kabarettist Helmut Schleich: „Manchmal wird man unflätig beschimpft“

Seit 2011 präsentiert Helmut Schleich „Schleichfernsehen“ im BR. Nicht weniger als 75 Folgen sind bereits gelaufen. Ein Gespräch über „Blackfacing“, die Freiheit der Satire, böse Briefe und die Zukunft des politischen Kabaretts.
Die Liste liest sich wie ein „Who is Who“ der nationalen und internationalen (politischen) Prominenz – Papst Benedikt, Wladimir Putin und Donald Trump, Angela Merkel und die Queen, daneben historische Figuren wie Galileo Galilei und der „Kini“, sie alle kamen schon vor in Helmut Schleichs „Schleichfernsehen“ im BR. Nun feiert das Format Jubiläum. Gelegenheit für einen Blick zurück und in die Zukunft.
Wie werden Sie feiern?
Helmut Schleich: Dem Anlass angemessen mit einem Geburtstagsbuffet in einem Abbruchhaus. Ich freue mich, dass mein wunderbarer Kollege Mathias Tretter unter den Gästen sein wird, außerdem unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, unser Bundesgesundheitsminister und Seuchenheiliger Karl Lauterbach – und natürlich Franz Josef Strauß.
Wenn Sie zurückblicken auf 75 Sendungen – was hat sich im Lauf der Zeit inhaltlich verändert?
Schleich: Der Schwerpunkt hat sich immer mehr zum Protagonisten, sprich zu mir selbst hin verlagert. Es hieß ja immer „Schleichfernsehen“, aber am Anfang war das im Wesentlichen ein Parodieformat, das davon gelebt hat, dass möglichst viele Figuren vorkommen. Mittlerweile ist das Ganze näher an mich herangerückt und damit auch sehr viel politischer geworden. Und die Parodien haben mit dem aktuellen Geschehen viel mehr zu tun als am Anfang.
Wir müssen über Maxwell Strauß reden...
Schleich: Unbedingt!
...Strauß’ von Ihnen erfundener unehelicher Sohn mit einer Afrikanerin, der dort unten als Diktator ein Fantasieland regiert. Diese Figur war ja der größte Aufreger in all den Jahren...
Schleich: Bislang! (Lacht.)
Wie denken Sie heute darüber?
Schleich: Meine Position hat sich nicht verändert. Ich habe immer gesagt, dass die Nummer bewusst aus ihrem Kontext gerissen wurde, um mir diesen Blackfacing-Vorwurf machen zu können. Die Figur Maxwell Strauß soll den Neokolonialismus spiegeln, der in vielen Teilen Afrikas nach wie vor besteht. Sie war nie dazu gedacht, dunkelhäutige Menschen verächtlich oder lächerlich zu machen. Ich bleibe dabei, dass die Freiheit der Satire höher zu bewerten ist als ein Blackfacing-Vorwurf, der nicht zutrifft.
Aber es bleibt auch dabei, dass Maxwell Strauß nicht mehr in der Sendung auftaucht?

Schleich: Schau’n mer mal. Ich finde das nach wie vor wunderbar, einen Sohn von FJS auf die Bühne zu bringen, der ein fiktives afrikanisches Land regiert und damit das Straußsche Bayern in die Gegenwart hinübergerettet hat. Vielleicht kommt er ja mit etwas weniger Farbe im Gesicht wieder.
Würden Sie auch sagen, dass die „Empörungsbereitschaft“ der Gesellschaft, wie Ihr Kollege Bruno Jonas neulich formuliert hat, gewachsen ist? Bekommen Sie mehr böse Briefe als früher? Wird der BR öfter als früher aufgefordert, „Schleichfernsehen“ sofort einzustellen?
Schleich: Die Bereitschaft, aus allem einen Riesenskandal zu machen, ist auf jeden Fall gestiegen. Man wird ja manchmal unflätig beschimpft, nur weil der Schreiber feststellt, dass die Meinung dessen, der da im Fernsehen zu sehen ist, von der eigenen abweicht. Aber dieses Schicksal teilen ja alle, die sich in irgendeiner Weise in die Öffentlichkeit begeben, und sei es eine virtuelle.
Empfinden Sie Druck vom Sender?
Schleich: Nicht direkt Druck. Ich habe viele Möglichkeiten, meine Sendung so zu machen, wie ich es für richtig halte. Aber es gibt sehr viel Bedarf an Belegen, an Begründungen für den Standpunkt, den man jeweils vertritt. Das hat mit der Fake-News-Debatte zu tun. Früher war es viel leichter, ganz verschiedene Dinge in einen Topf zu werfen, sie zu verquirlen und dann ironisch, polemisch, anarchisch, wie auch immer, ganz neue Zusammenhänge herzustellen. Das ist unser Handwerk, wir machen ja Kabarett, keinen Journalismus.
Haben Sie manchmal die Schere im Kopf? Sind Sie ganz frei von dem Gedanken, diese oder jene Nummer doch besser nicht zu machen, weil es Ärger geben könnte?
Schleich: Nein, ich habe keine Schere im Kopf. Natürlich ahnt man vorher, dass es über diese oder jene Nummer Diskussionen geben wird, aber dann gibt es sie eben.

Was wünschen Sie sich für die nächsten 75 Sendungen?
Schleich: Jetzt bringen wir erst einmal die aktuelle Staffel zu Ende. Aber für die Zukunft wünsche ich mir, dass das das politische Kabarett – „Querdenken“ darf man ja in diesem Zusammenhang nicht mehr sagen – wieder kontroverser wird, ohne dass von der anderen Seite jedes Mal der Untergang des Abendlandes prophezeit wird.
Die Sendung ist auch in der BR-Mediathek zu sehen.