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Zwei Münchner in Hollywood

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Von: Katrin Basaran

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Lieferten großes Kino ab: Welf Reinhart (l., mit seinem Silber-Oscar) und Nils Keller.
Lieferten großes Kino ab: Welf Reinhart (l., mit seinem Silber-Oscar) und Nils Keller. © M. Schlaf

Die Nachwuchsregisseure Nils Keller (31) und Welf Reinhart (27) von der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) haben 2022 den Studenten-Oscar gewonnen. Hier erzählen sie, wie es dazu kam:

Ein grandioses Jahr haben die Nachwuchsregisseure Nils Keller (31) und Welf Reinhart (27) da hingelegt! Ersterer ist Absolvent der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film (HFF), Reinhart befindet sich noch mitten im Studium. Beide sind derart talentiert, dass sie am 20. Oktober 2022 in Los Angeles den Student Academy Award, kurz Studenten-Oscar, für ihre jeweiligen Kurzfilme gewannen – Keller für „Almost home“ in Gold, Reinhart für „Eigenheim“ in Silber (zu sehen sind sie öffentlich leider nicht). Der Weg geht für Keller noch weiter: Sein Film steht auf der Shortlist für den Oscar, der am 12. März 2023 in Hollywood verliehen wird. Hier blicken beide auf ihr besonderes Jahr zurück:

Wie hat denn dieser Oscar-Trip für Sie begonnen?

Nils Keller: Bei mir stand der Abschlussfilm an – und dann begann Corona. Schnell war klar, dass ein Langfilm nie im Leben umsetzbar wäre. Was also tun? Ich hatte gerade einen Artikel über ein Kreuzfahrtschiff gelesen, auf dem das Virus ausgebrochen war. Die Menschen konnten nicht von Bord. Es bildete sich schnell eine Fraktion aus Leuten, die auch bei eventueller Erlaubnis nicht an Land gehen wollte, weil die Lage draußen zu eskalieren schien. In dieser Situation steckte so viel drin, was ich ohnehin in meinen Abschlussfilm packen wollte – eine intime Story, dramatische Entwicklungen, die mit uns allen zu tun haben, und eine gewisse Visualität.

Welf Reinhart: Bei mir ging es um einen Übungsfilm. Die Idee dazu kam mir nach der Lektüre von „Früchte des Zorns“. In einer Szene werden Farmer von ihrem Land vertrieben. Und dann hatte ich von einer Zwangsräumung im Münchner Norden gelesen. Ich habe dann beim Amtsgericht angefragt, ob ich eine Gerichtsvollzieherin begleiten dürfte, weil ich reale Eindrücke sammeln wollte. Ich war bei drei Räumungen dabei – zwei davon bei älteren Frauen. Das Schicksal einer der beiden ist nah an meiner Geschichte.

Gab es einen Schlüsselmoment, in dem Sie dachten: Das ist ein großer Wurf?

Welf Reinhart: Der Film lief im Ausland anfangs besser als in Deutschland. Durch drei große internationale Festivals hatte er sich dann für die Einreichung zu den Studenten-Oscars qualifiziert. Ich weiß noch, wie ich im Frühjahr im Norwegen-Urlaub nachts einen Anruf bekam: Ich hätte beim Brüssler Short Filmfest einen Preis gewonnen! Da flog ich dann hin. Und auf der Bühne in so einem Saal vor Publikum zu stehen, das war groß und bei mir wohl so etwas wie der Startschuss.
Nils Keller: Es war irgendwie klar, dass „Almost home“ ein Film sein könnte, über den man spricht. Das lag nicht nur an der Geschichte, sondern auch am Cast, an den Unterstützern. Aber davor war es eher wie Steineklopfen, einfach harte Arbeit, Zittern, ob das Konzept funktioniert und ob wir das Projekt bis zum Schluss durchziehen können. Auch wegen der anhaltenden Covid-Lage. Das erste Mal, dass ich merkte, dass der Film in seinem Gesamtkonzept gut ankommt, war im März bei der Filmabnahme durch die HFF-Professorin und Regisseurin Julia von Heinz („Und morgen die ganze Welt“). Sie sprach von einem erstaunlichen Film, mit Aspekten, die man so noch nicht gesehen hat. Mit jeder weiteren Stufe hin zu den Studenten-Oscars wuchs das Vertrauen: Ich merkte, der Film läuft international gut, die Leute mögen ihn.

Und dann kommt jemand und nominiert den Film? Oder wie muss man sich das Prozedere vorstellen?

Welf Reinhart: Es gibt verschiedene Wege. Ich kam über qualifizierende Festivals in die Auswahl. Um das Einreichen muss man sich selbst kümmern – das ist viel Arbeit und kostet auch.

Nils Keller: Ja, man muss da proaktiv rangehen. Ich konnte meinen Beitrag zwar als Abschlussfilm direkt einreichen. Aber Festivalarbeit habe ich auch gemacht.

Dann kam der Sommer. Wie ging es weiter?

Welf Reinhart: Das war irre. Schon ins Halbfinale zu kommen, war grandios. Ich hatte ja gedacht, ich habe eh keine Chance. Und dann kam die Nominierung zum Finale ...

Wie wird man benachrichtigt – per Mail, per Anruf?

Welf Reinhart: Ich war gerade mitten im Nirgendwo Norwegens ohne Internet, als die Nominierung kam – relativ unspektakulär als Bekanntgabe, über die Webseite. Witzigerweise hat mir Nils’ Produzent gratuliert, sonst hätte ich erst gar nichts gecheckt... Vor dem Finale wurden wir Nominierten dann unter einem Vorwand zu Zoom-Interviews eingeladen. Ich habe gedacht: Das war’s jetzt. Die Nacht davor konnte ich vor Aufregung kaum geschlafen. Dann haben sie 20 Minuten mit jedem ein Interview geführt. Und am Schluss kam die Regisseurin Gina Prince-Bythewood („The Woman King“) und hat uns gratuliert.

Jetzt wussten Sie also, dass Sie einen Studenten-Oscar in der Tasche haben – aber noch nicht ob Gold, Silber oder Bronze?

Nils Keller: Genau, das erfuhren wir erst bei der Zeremonie in Los Angeles.

Aber davor haben Sie schon mal den Gewinn gefeiert …

Welf Reinhart: Ja, ich habe an dem Abend mit meiner Frau, dem Produzenten und dessen Frau angestoßen.

Nils Keller: Bei mir war’s etwas gurkig – keiner hatte an dem Abend so spontan Zeit. Die Bekanntgabe kam ja mit Zeitverschiebung aus Amerika. Aber dann habe ich es doch noch geschafft, mit meiner Verlobten und einem Freund in kleiner Runde anzustoßen. Und am nächsten Tag gab es eine große Feier. Ich wollte vorab niemandem etwas sagen. Denn auch wenn vieles darauf hindeutete, dass es unser Film ins Finale schafft, blieben ja doch Restzweifel.

Wie groß ist das Renommee der Studenten-Oscars?

Nils Keller: Natürlich ist es eine große Anerkennung. Bei den Studenten-Oscars haben ja rund 600 Fachleute abgestimmt.

Welf Reinhart: Man kann insofern fast von einem Publikumspreis sprechen.

Nils Keller: Der Preis hat eine hohe Relevanz, insbesondere in Deutschland, und hilft, beruflich voranzukommen.

Wie sind Sie in Los Angeles empfangen worden?

Nils Keller: Anfangs war es studentisch, hatte etwas von Exkursion. Kein roter Teppich, keine Limousine oder so.

Welf Reinhart: Die kochen auch nur mit Wasser, haben wir anfangs gedacht. (Lacht.)

Nils Keller: Stimmt. Die Verleihung war dann aber schon Oscar light. Mit Publikum, dem Produzenten und Schauspieler Terrence Jenkins als Gastgeber, gutem Essen, Shootings, Interviews.

Schüchtert das auch ein?

Welf Reinhart: Ach, das nötige Selbstbewusstsein baut sich durch die einzelnen Wettbewerbsschritte auf.

Nils Keller: Man sollte schon hingehen und sagen: Hier bin ich! Die Leute sind neugierig – sich dann schüchtern wegzuducken, ist kontraproduktiv.

Welf Reinhart: Es ist eine Plattform, die Aufmerksamkeit generiert. Und es wäre schade, wenn man sich diese Chance entgehen lässt.

Haben Sie denn Persönlichkeiten wie Scorsese oder Spielberg getroffen?

Nils Keller: Knapp. (Lacht.) Man traf Leute, die mit diesen Größen gearbeitet haben. Also mehr den kreativen Dunstkreis, was aber fast interessanter ist, weil man sich konkret austauschen konnte. Aber hey, so nah waren wir noch nie an den Meistern dran.

Der große Moment, die Kategorie wird aufgerufen, Bronze vergeben – es bleiben Silber und Gold. Was ging da in Ihnen vor?

Nils Keller: Ich war erstaunlich ruhig. Das hat mich überrascht, weil ich sonst eher nervös auf der Bühne bin.

Welf Reinhart: Vielleicht lag es bei dir daran, dass wir vorher den Wein von Francis Ford Coppola getrunken haben. (Lacht.) Bei mir ist die Aufregung der Wochen zuvor kulminiert. Wir haben unsere Teams auf die Bühne geholt – weil wir ohne sie nie so weit gekommen wären. Und wir mussten Dankesreden halten.

Nils Keller: … nie dabei die Academy vergessen! (Lacht.)

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Welf Reinhart: Neben einigen Projekten freue ich mich schon auf die Entwicklung meines Abschlussfilms, die Idee dafür habe ich bereits.

Nils Keller: Bei mir geht es jetzt darum, die Schwelle zum Langfilm zu überspringen. Ich habe einige Projekte in Aussicht, für die ab Januar die Gespräche beginnen. Bevor das alles klappt, müssen wir aber sicher erst mal viele Hände schütteln. (Lacht.)

Das Gespräch führte Katrin Basaran.

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