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Mariette Navarro „Über die See“: eine nahezu philosophische Annäherung

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Von: Sven Trautwein

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Eine Kapitänin eines Containerschiffes erlaubt ihrer Besatzung, im offenen Meer zu schwimmen. Danach ist nichts mehr so, wie es vorher war. Buchtipp.

Ein riesiges Containerschiff bahnt sich an den Azoren vorbei seinen Weg. An Bord zwanzig namenlose Offiziere, Maschinisten, Matrosen. An ihrer Spitze eine Kapitänin, die sich in den vergangenen Jahren ihre Position in der rauen Männerwelt erkämpft und behauptet hat. Nichts rüttelt an ihrer Machtposition. Sie gibt den Takt vor, ihre Mannschaft folgt, bis der Erste Offizier nach ein paar Tagen die Frage stellt, ob sie alle einmal im offenen Meer schwimmen dürften.

Mariette Navarro „Über die See“: Über das Buch

Autorin Mariette Navarro und Cover zu ihrem Debütroman „Über die See“
Mariette Navarro „Über die See“ © Philippe Malone/Kunstmann

Auf einer Fahrt in die Tropen, kurz hinter den Azoren richtet die Besatzung eines Containerschiffs eine ungewöhnliche Bitte an die Kapitänin: Sie möchten hier, auf dem offenen Meer, schwimmen gehen. Das hat es noch nie gegeben. Zu ihrer eigenen Überraschung lässt die Kapitänin es zu. Sie bleibt allein auf dem Schiff, mit all den Zweifeln, ob sie das Richtige entschieden hat. Werden die Männer zurückkommen? Das Schiff wird immer langsamer, ein mysteriöser Nebel kommt auf. Wieso kann die Kapitänin auf einmal das Herz des Schiffes schlagen hören? Und warum drängt sich ausgerechnet jetzt ihr Vater in die Erinnerung, der einst selbst zur See fuhr und seit einer Überfahrt kein Wort mehr sprach?

Klappentext / Kunstmann

Seine Vorgesetzte stimmt zu. Motoren und Radar werden ausgeschaltet, die Rettungsboote zu Wasser gelassen. Die Mannschaft entfernt sich vom riesigen Containerschiff und gleitet in das kühle Nass. Erste zaghafte Schwimmbewegungen, die dann in allgemeine Freude umschlagen. An Bord des Schiffes bleibt allein die Kapitänin zurück, die ihre Mannschaft beim Schwimmen beobachtet.

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Die Schriftstellerin Mariette Navarro hatte sich als Dramaturgin und mit ihren Lyriktexten einen Namen gemacht. Kurz und prägnant sind die Sätze, die sie für ihre Beschreibungen des Meeres findet. Auch wenn sie und ihre Mannschaft namenlos bleiben, entsteht vor dem Leser eine innige Beziehung zu den Figuren, die man nach den ersten Seiten nicht für möglich hält. Als die Mannschaft nach dem Schwimmausflug zurückkommt und beim Durchzählen 21 statt 20 Personen gezählt werden, fühlt man sich kurzzeitig in einem See-Krimi. Alles gerät durcheinander. Die vorherige Sicherheit ist nicht mehr vorhanden.

Mariette Navarro „Über die See“: Fazit

Ein luftig leichtes Buch, sprachgewaltig, das das Bild vom ruhigen und manchmal unmenschlich tosenden Meer vor dem inneren Auge aufsteigen lässt. Spannend, tiefgründig, mit unergründlichen Figuren. Ein Lesegenuss.

Mariette Navarro „Über die See“

Aus dem Französischen von Sophie Beese

2022, Kunstmann ISBN-13 978-3-95614-524-7

Preis: Hardcover 20 €, E-Book 15,99 €

Mariette Navarro

Mariette Navarro, geb. 1980, ist Schriftstellerin und Dramaturgin. In dem kleinen französischen Verlag Cheyne gibt sie eine Reihe poetischer Prosatexte mit heraus, darunter ihre eigenen, „Alors Carcasse“ (2011, Robert Walser Preis 2012).

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