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Als ob die Zeit stehengeblieben ist

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Haben mit dem Ähndl ihre Traumwirtschaft gefunden: Die Wirtsleute Elisabeth und Franz Schägger. Ihre Spezialität sind Brotzeit und Tellersülze. © Bodmer

Freitags schauen wir im Wechsel Wirten und Hobbyköchen über die Schulter. Heute sind wir zu Gast beim „Ähndl“ in Murnau.

Die Aussicht ist von hier aus phänomenal. Wer unter den über 100 Jahre alten Kastanien- und Lindenbäumen im Biergarten vom „Gasthaus Ähndl“ Platz nimmt, hat die bayerische Bergwelt zum Greifen nahe. Die Benediktenwand, das Wettersteingebirge und die Ammergauer Berge. „Das ist ein Blick, an dem man sich nie sattsieht“, sagt Wirtin Elisabeth Schägger (48). Sie liebt besonders die späten Nachmittagsstunden.

Die Aussicht bleibt uns an diesem Tag verwehrt. Ausgerechnet an einem grauen Regentag sind wir ins sogenannte „Blaue Land“ gefahren, das schon Maler wie Franz Marc, Wassily Kandinsky und Gabriele Münter fasziniert hat. Die Gipfel sind verhangen, die Holztische im Garten tropfnass.

Also nichts wie rein in die Stube vom Ähndl. Hier hat der Besucher das Gefühl, die Zeit ist stehengeblieben. Die Gaststube sieht aus wie eh und je. Und das hat seinen Grund: Das Gasthaus war früher ein Mesneranwesen und gehört zum Ramsachkirchlein, das als ältestes Gotteshaus der Gegend gilt. Das Ähndl ist im Besitz der Kirche und steht unter Denkmalschutz. Nichts darf hier verändert werden.

Am Eingang zur Gaststube hängt ein alter Hinweis aus längst vergangenen Tagen, dass „das Politisieren zu unterlassen“ ist.

Gemütlich ist es hier. Die Murnauer sitzen hier bei einem Weißbier, Wanderer stärken sich. Und so soll es auch künftig bleiben. Darauf legen die Wirtsleute Wert. Seit zehn Jahren bewirtschaften die Eheleute Elisabeth und Franz Schägger (49) das Ähndl, ihre „Traumwirtschaft“, wie sie es nennen. Es ist ihr zehnter Sommer und sie sind überglücklich – trotz 15 Stunden Arbeitstag. Im Sommer fängt Franz Schägger um 6 Uhr morgens an: „Bei mir gibt’s keine Fertigprodukte, alles wird selbst gemacht.“

Donnerstags steht Franz Schägger zwar auch in aller Früh auf. Doch er geht dann nicht in die Küche, sondern in die Berge. Meist ziehen die Schäggers um 6 Uhr los, um wieder daheim zu sein, wenn in den Berghütten viel los ist. „Da suchen wir einfach die Ruhe.“

Das Ähndl, in den 70er Jahren eher ein Schickimicki-Treff, ist zurück zu seinen bodenständigen Wurzeln: Bei den Schäggers steht Hausmannskost auf der Karte. Speisen, die man sonst vergeblich sucht, findet man hier. „Unsere Kunden verlangen danach.“ So gehört das Lüngerl mit Semmelknödel genauso zum Standard wie die abgebräunte Milzwurst oder der saure Kalbskopf.

Franz Schägger weiß, was er seinen Gästen anbietet. Er ist gelernter Metzger und verarbeitet sein Fleisch und seine Wurst selbst. Für die Wanderer hat er samstags frischen Leberkäse mit hausgemachtem Kartoffelsalat. Und nicht zu vergessen die Brotzeit. Die ist im Ähndl legendär. Auf den Presssack ist der Metzgermeister besonders stolz. Vier verschiedene Sorten hängen in seinem Kühlhaus.

Der Gast soll sich im Ähndl wohlfühlen. Deshalb gibt’s draußen im Garten auch nicht mehr als 180 Sitzplätze. An Sonnentagen reichen die bei weitem nicht aus. Aber: „Zur Not muss halt einer kurz warten. Mehr Tische schaffen wir einfach nicht.“ Die Qualität muss im Ähndl auch an solchen Tagen stimmen.

Doch zum Glück regnet es heute. Es herrscht eine geruhsame Stimmung. Die Wirtsleute haben Zeit, von früher zu erzählen: In den 1960er Jahren traf sich hier die Dorfjugend zu Fischerfesten. Schon damals haben sich die beiden in das Anwesen beim Ramsachkirchlein verliebt. Man kann es ihnen nicht verdenken. Selbst an einem regenverhangenen Tag. Hier ist es einfach schön.

von Stephanie Ebner

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