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Bewegung trotz Krebs: "Ohne Sport wäre ich schon tot!"

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Wer trotz Krebserkrankung regelmäßig Sport treibt, der unterstütz Körper und Geist.
Wer trotz Krebserkrankung regelmäßig Sport treibt, der unterstütz Körper und Geist. © pixabay

Sport während einer Krebserkrankung - ist das wirklich sinnvoll? Ja, sagen Sportmediziner und Patienten. Bewegung kann dabei helfen, wieder gesund zu werden.

Wenn Caroline Villwock (53) von einem überzeugt ist, dann davon: "Wer nur untätig auf dem Sofa sitzt und grübelt, stirbt früher." Sie selbst hat ihre Krebsdiagnose vor sechs Jahren zum Anlass genommen, über ihr Leben und einige Veränderungen nachzudenken: "Ich mache wirklich nur noch, was mir Spaß macht."

Rat an Krebspatienten: Sport trotz Chemo?

Sie wirkt mit sich selbst im Reinen, fröhlich und sympathisch, als sie im tz-Gespräch erklärt: "Ohne Sport hätte ich das alles nicht geschafft." Sie hofft, anderen Menschen mit einschneidenden Krankheitsdiagnosen Mut zu machen, sich zu bewegen: "Wenn ich ins Schwitzen komme, spüre ich, dass mein Körper funktioniert. Ich spüre, was ich leisten kann. Auch wichtig: Wenn ich tagsüber Sport treibe, bin ich abends erschöpft, kann gut schlafen und fange nicht an zu grübeln."

Caroline Villwock war immer schon sportlich, aber eher in dem Maße, dass sie schlank bleiben wollte: "Ich bin laufen oder radeln gewesen, um mir Kuchen oder ein deftiges Essen leisten zu können. Ich wollte in Form bleiben und gut aussehen." Was niemand wusste: Caroline Villwock ist Trägerin des Brustkrebsgens BRCA-1, das nicht nur Brustkrebs, sondern auch Eierstockkrebs verursachen kann.

In früheren Jahren wurden ihr bereits die Gebärmutter und ein Eierstock entfernt. Trotz regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen wurde der Tumor erst bemerkt, als er Beschwerden bereitete. Als im Herbst 2011 bei ihr ein schon weit fortgeschrittener Krebs auf ihrem verbliebenen Eierstock diagnostiziert wird, meldet sie sich noch in der gleichen Woche zu einem 55,5-Kilometer-Triathlon im darauffolgenden Jahr an.

Gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten und ihrer Tochter wird sie nach ihrer Operation und noch während der Chemotherapie Trainingspläne aufstellen: "Ich habe sehr langsam wieder angefangen zu laufen, wirklich langsam. Dennoch kamen mir die Tränen, als ich im Nymphenburger Park eine kurze Strecke geschafft hatte. Vor Freude und vor Stolz." Ihre Mutter war zwar der Meinung: "Kind, du musst dich doch schonen." Aber ihre Ärzte unterstützten sie – die Zeiten, als Tumorpatienten zur Ruhe geraten wurde, sind lange vorbei.

Laufgruppen, Sport-Reha oder Physio: Darum ist Sport bei Krebs so wichtig

Um ihre Erfahrungen weiterzugeben, gründete Caroline Villwock Laufgruppen für Krebspatienten: "Es kamen auch viele, die bisher unsportlich waren. Allen hat es gutgetan. Nicht nur die Bewegung, auch der Kontakt und der Austausch mit anderen ist wohltuend." Beim Ausdauersport wird der ganze Körper beansprucht, alle Organe, Muskeln und Gewebe werden besser durchblutet. Das hilft, die Folgen von Operationen und Chemotherapien besser zu verarbeiten. Der Mensch wird schneller wieder fit. "Ohne Sport wäre ich heute tot", davon ist Caroline Villwock überzeugt. "Denn die nächste viele Stunden dauernde Operation unter Vollnarkose hätte vielleicht gar nicht gemacht werden können."

2015 wurde ein Rezidiv entdeckt, der Tumor war zurückgekommen. Als Chefsekretärin eines Klinikarztes war Caroline Villwock davon nicht überrascht: "Bei mir waren ja Lymphknoten befallen. Da ist das Risiko für Metastasen groß." Diesmal musste eine noch größere Bauchoperation gemacht werden, der erneute Tumor wurde komplett entfernt. Anschließend jedoch kam es zu Komplikationen, ein künstlicher Darmausgang wurde gelegt.

Caroline Villwock ging es sehr schlecht in dieser Zeit, sie verlor stark an Gewicht, musste zeitweise künstlich ernährt werden, sie bewegte sich mithilfe eines Rollators fort. Aber die Gedanken daran, was sie nach der ersten Operation geschafft hatte, wie sie sportliche Herausforderungen gemeistert hatte, gaben ihr den Mut und die psychische Kraft zum Weiterleben: "Ich wusste, dass ich es wieder schaffen kann."

Dennoch: Manchmal wollte Caroline Villwock tagelang am liebsten auf der Coach versandeln, sogar das Anziehen erschien zu anstrengend. Es war ihre Tochter, die ihr sagte, sie könne zu Fuß zur Chemotherapie laufen: "Das schaffst du schon! Wenn nicht, ruf an, ich hol dich." Und die Tochter bat die Mutter um Hilfe in ihrem Geschäft. Mit jedem Schritt ging es langsam besser, sodass es im vergangenen Jahr sogar noch möglich wurde, wieder mit dem Rad das Timmelsjoch zu bezwingen, einen 2474 Meter hohen Pass zwischen Österreich und Italien.

Wenn Caroline Villwock eines hasst, dann die Frage: Wie geht es dir? "Ich sage schon, wenn es mir schlecht geht", verspricht sie. Lieber möchte sie jemanden finden, der mit ihr spontan zum Tanzen geht oder über die geplante Tour sprechen, auf der sie das neue vom Sohn geschenkte Rad austesten kann.

Training auch bei Chemo? Experte gibt Tipps

Die tz fragte Professor Dr. Martin Halle von der TU München:

Wer kommt für eine Sport-Reha infrage? 

Prof. Martin Halle: Im Prinzip jeder, das Training (Physiotherapie plus Trainingstherapie) muss nur sehr individuell auf jeden Patienten und auf seine Therapie abgestimmt werden. Natürlich besteht während der Chemotherapie und auch in der Phase nach der Operation eine schwierige Zeit, wo das Training angepasst werden muss. Ein Training ist jedoch 14 Tage nach der Operation meistens ohne Probleme möglich.

Patienten sind besonders am Tag der Chemotherapie sehr geschwächt und können sicherlich dann nicht trainieren. Meistens geht es aber bereits am Folgetag. Insgesamt ist dies aber der richtige Ansatz. Es zeigt sich an dem Beispiel von Frau Villwock, dass ein körperliches Training in allen Krankheitsstadien und auch Therapiestadien sinnvoll ist und durchgeführt werden kann.

Warum ist Sport auch bei Krankheit so wichtig? 

Halle: Unser Organismus ist nicht wirklich auf Ruhephasen eingerichtet, sondern funktioniert optimal, wenn die Muskulatur regelmäßig aktiviert wird. Das steckt in unseren Genen. Bei der Krebserkrankung führt dies dazu, dass offensichtlich auch das Immunsystem optimiert wird und auch Therapien besser greifen.

Zudem führt eine beschleunigte Genesung dazu, dass der nächste Zyklus einer Therapie zeitnäher wieder begonnen werden kann und nicht ausgesetzt werden muss. Patienten trainieren sich somit wieder in den physischen Status, den sie vor der Therapie hatten.

Wenn Krebspatienten Sport treiben möchten, an wen können sie sich wenden?

Halle: In München haben wir den großen Vorteil, dass wir eine Spezialsprechstunde für Sport und Krebs am Klinikum rechts der Isar haben und auf die Erfahrungen der letzten neun Jahre zurückgreifen können. Es ist eine der größten Ambulanzen in Deutschland. Aber auch an anderen Standorten können sich Patienten an Sportmediziner mit internistischen Hintergrund wenden, die Trainingsprogramme zusammen mit den Krebsspezialisten aufstellen können.

Glossar: Was sind die Krebsgene BRCA-1 und BRCA-2 überhaupt?

Etwa fünf Prozent aller Brusttumore sind Folge einer Mutation im BRCA-1 oder BRCA-2-Gen. Nicht jede Trägerin einer BRCA-Genveränderung erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brust- oder Eierstockkrebs. Das Erkrankungsrisiko ist im Vergleich zu Frauen ohne solch eine Mutation aber deutlich erhöht. Man schätzt, dass in Deutschland etwa 65 bis 75 Prozent der BRCA-1-Mutationsträgerinnen und 45 bis 65 Prozent der BRCA-2-Mutationsträgerinnen bis zu ihrem 70. Lebensjahr Brustkrebs bekommen. Sie erkranken häufig früher als Frauen ohne erbliche Belastung: im Durchschnitt mit etwa 40 statt 60 Jahren.

Etwa zwei % der Männer mit BRCA-1-Mutation und sieben % der Männer mit BRCA-2-Mutation erkranken an Brustkrebs. Das Risiko für Eierstockkrebs ist bei einer BRCA-Mutation ebenfalls stark erhöht. Das gilt besonders für Trägerinnen einer BRCA-1-Mutation: 40 bis 50 % erkranken bis zu ihrem 70. Lebensjahr. Auch zehn bis 20 % der BRCA-2-Mutationsträgerinnen erhalten bis zu diesem Alter die Diagnose Eierstockkrebs.

Lesen Sie auch hier, wie die Heilungschancen bei Brustkrebs momentan wirklich stehen.

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tz

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