Coronaviren können Herpes aktivieren und so für chronische Erschöpfung sorgen: Forscher mit neuer These

Long-Covid-Patienten klagen noch Monate nach der Corona-Infektion über Beschwerden. Welche Rolle Herpesviren spielen könnten, wird aktuell erforscht.
Chronische Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Konzentrationsschwierigkeiten zählen zu den Long-Covid-Symptomen. Dieses Phänomen ist nicht selten: 80 Prozent der Patienten mit Covid-19 leiden unter Langzeitsymptomen, so das Fazit eines internationalen Forscherteams. Warum Menschen nach überstandener Corona-Infektion Long-Covid entwickeln, ist noch nicht abschließend geklärt. Am Schweregrad der Erkrankung liegt es nicht: Bisher gesammelte Daten zeigen, dass auch Menschen mit mildem Krankheitsverlauf Long-Covid entwickeln können.
Vielmehr sind es die körperlichen Reaktionen auf eine Infektion mit Coronaviren, die Long-Covid begünstigen. So informiert die Pharmazeutische Zeitung (PZ) über die Erkenntnis Erlanger Forscher, dass Covid-19 die Verformbarkeit der Blutzellen verändert: rote Blutkörperchen würden steifer, weiße weicher. Dies könnte den Wissenschaftlern zufolge eine mögliche Ursache für Long-Covid sein, informiert die PZ weiter. Auch andere mögliche Ursachen werden diskutiert, wie etwa die Aktivierung von Herpesviren durch eine Corona-Infektion.
Herpesviren können durch eine Corona-Infektion aktiviert werden
Virologe Bhupesh Prusty und sein Team von der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg vermuten, dass es einen Zusammenhang zwischen Long-Covid und dem chronischen Erschöpfungssyndrom, auch Myalgische Enzephalomyelitis (ME) genannt, gibt. Wie der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) die Forscher zitiert, würden auch ME-Betroffene unter chronischer Müdigkeit, grippeähnlichen Symptomen, Muskelschmerzen bis hin zu Nervenstörungen leiden – wie Long-Covid-Patienten auch. Prusty und seine Kollegen vermuten, dass das Humane Herpes Virus-6 (HHV-6) für beide Erkrankungen verantwortlich sein könnte, heißt es weiter.
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HHV-6 könne sich im Erbgut infizierter Menschen einnisten und dort lange unentdeckt vom Immunsystem verharren, so Virologe Prusty. Bestimmte Bedingungen können das Virus allerdings aktivieren, etwa eine Infektion mit Chlamydien oder auch eine Infektion mit Coronaviren. Werden HHV-6 „aufgeweckt“, hat das zur Folge, dass sie die Zellen angreifen und dort die Produktion von Adenosintriphosphat (ATP) negativ beeinflussen. ATP ist eine essentielle Substanz für den Energiehaushalt des Körpers und unter anderem für die Bewegung von Muskeln nötig.
Infektionen mit Herpesviren sind sehr häufig, über 90 Prozent aller Menschen sind mit den Viren infiziert, wie der MDR Thomas Stamminger von der Universität Ulm zitiert. „Wenn man jetzt diese Viren bei Menschen nachweist, die sich über längere Zeit besonders müde fühlen, dann muss das nicht unbedingt eine ursächliche Bedeutung haben“, so Stamminger dem MDR zufolge. Weitere Studien müssen nun zeigen, inwiefern Herpesviren Long-Covid oder die Myalgische Enzephalomyelitis triggern können. (jg)
Mehr Quellen: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.01.27.21250617v2.full
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