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Die besten Fitmacher für Ihr Gehirn

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Doping fürs Gehirn - was hilft und was nicht © dpa

Lerntropfen für schlechte Schüler, Aufmerksamkeitstabletten für müde Manager und Mütter sowie Gedächtnispillen für vergessliche Senioren – die Verheißungen des Gehirndoping sind für viele verlockend.

Neu ist die Idee daher nicht, dem Gehirn von außen einen Kick zu geben: Indios kauen seit jeher Koka-Blätter, um trotz harter Arbeit und schlechter Ernährung durchzuhalten. Der Begründer der Psychotherapie, Sigmund Freud, meinte, dass er unter Kokain-Einfluss besonders gut arbeiten könne. Soldaten im Krieg bekamen Amphetamine zum Aufputschen. Neu ist jedoch, dass sich Gesunde

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Prof. Hans Förstl - TU-Klinik für Psychiatrie

Medikamente verschreiben lassen, die eigentlich gegen Alzheimer, Depressionen, Schlaf- oder Aufmerksamkeitsstörungen helfen sollen. Besonders Studenten und Manager hoffen so, den Anforderungen besser gewachsen zu sein, wenn sie z. B. Antidepressiva schlucken, um fröhlicher und aktiver zu werden. Oder mit Beta blockern versuchen, weniger nervös zu sein. Über die Möglichkeiten und Grenzen des Gehirndopings sprach Redakteurin Susanne Stockmann mit Professor Hans Förstl von der TU-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.

„Die Risiken für Gesunde sind zu groß“

Neuro-Enhancement, also mit Medikamenten, das Hirn in Schwung zu bringen, klappt das wirklich?

Professor Hans Förstl: Das kommt darauf an, wie man es sieht. Es gibt z. B. den Wirkstoff Modafinil, einen Wachmacher, der Patienten mit der Krankheit Narkolepsie sichtlich hilft. Wenn ein gesunder Mensch dieses Medikament einnimmt, kann er sich tatsächlich 48 Stunden oder länger auf eine Aufgabe konzentrieren und optimal arbeiten. Er bemerkt aber nichts von dem, was um ihn herum passiert. Er ist völlig auf diese eine Sache fokussiert, auch emotional schaltet er ab. Anschließend ist er sehr erschöpft und erholungsbedürftig.

Es heißt oft, wenn die Wirkung nachlässt, würde das Gehirn schlechter arbeiten als vorher.

Förstl: Das ist der sogenannte Rebound-Effekt. Das Gehirn wird träge, das halte ich für ziemlich gefährlich. Der Normalzustand wird vom System als Mangel empfunden. Man tappt in die Falle, dass man immer mehr von dem Wirkstoff braucht und abhängig wird. Außerdem riskiert der Proband seine Gesundheit. Unser Gehirn befindet sich in einem Gleichgewicht. Ich kann nicht isoliert an einem Schräubchen drehen. Es werden immer sofort in komplexer Art und Weise alle möglichen anderen Regelkreise mit beeinflusst. Wenn in diesem System etwas durch eine Erkrankung nachhaltig ausgelenkt ist und durch ein Medikament wieder ausgeglichen werden kann, sind Psychopharmaka wirklich nützlich. Wenn jedoch alles im Gleichgewicht ist, dann sollte man möglichst drauf verzichten, in den Stoffwechsel des Gehirns einzugreifen. Die Risiken sind einfach zu groß.

Trotzdem sind doch manche Menschen in Versuchung, weil sie einfach die beste Leistung aus sich herauskitzeln wollen.

Förstl: Es gibt sogar Wissenschaftler, die fragen, ob es nicht legitim sei, mit Neuro-Enhancement jedem die Möglichkeit zur optimalen Leistung zu geben. Ich habe die Sorge, dass in Zukunft Arbeitnehmer gedrängt werden, Medikamente zu nehmen, weil der Arbeitgeber sich eine bessere Leistung erhofft. Ich finde diese Ideen sehr bedenklich. Wir wissen einfach viel zu wenig über die mittel- und langfristige Wirkung der Medikamente. Im Labor wird kurzfristig erforscht, ob sich die Probanden besser oder länger konzentrieren können, ob sie mehr oder weniger Vokabeln lernen. Aber keiner schaut, wie es nach dem Versuch weitergeht. Wie fühlt sich der Proband mit seiner Erschöpfung und Gereiztheit, wie handelt er? Diese Fragen sind überhaupt nicht untersucht. Der Wirkstoff Methylphenidat (Ritalin) zum Beispiel hilft bei Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Es macht die Patienten ruhiger, und sie können sich konzentrieren und arbeiten. Zu gesteigertem Wohlgefühl verhelfen sie den betroffenen Patienten nicht. Bei Gesunden schlägt sehr häufig die Stimmung in eine Gereiztheit um. Man kann sehr konzentriert arbeiten, darf aber nicht von schräg seitlich angesprochen werden.

Es gibt also viele Risiken, die noch gar nicht bekannt sind?

Förstl: Wir denken immer, es müsste eine Pille geben, ein einziges Molekül, das eine Krankheit heilt. Aber das Gehirn ist ein ziemlich empfindliches und kompliziertes System. Ich denke, dass die Natur uns enge Grenzen setzt. Auch die Medikamente für Gehirn und Seele scheinen ihren Spielraum weitgehend ausgeschöpft zu haben. Sämtliche Psychopharmaka wirken im synaptischen Spalt, über den wir noch nicht herausgekommen sind. Dort beeinflussen sie direkt oder indirekt Transmitter und Rezeptoren. In gesunden Tagen tariert das Gehirn einen kurzfristigen Vorteil schnell wieder aus. Wird die Dosis gesteigert kann das Gehirn mit unsinniger Übererregung oder Erschöpfung reagieren.

Wie kann man denn gefahrlos sein Gehirn ein bisschen ­pushen?

Förstl: Das Gehirn braucht Nahrung. Jeder weiß, dass ein Mensch, der schlapp und müde auf dem Sofa sitzt, wieder alert und fröhlich wird, wenn er Sahnetorte gegessen und Kaffee getrunken hat. Also kurz gesagt: Man kann sich erfolgreich an die kulturell bewährten Muntermacher halten und sie in Maßen einsetzen. Weil nur die Dosis das Gift macht, kommt es eben darauf an, nicht zu übertreiben. Wer Schokolade mag und nicht zuckerkrank ist, kann sich zur Steigerung von Leistung und Vergnügen schon eine Tafel leisten. Um nicht zum Diabetiker zu werden, sollte man die Einnahme allerdings nicht stündlich wiederholen. Die Diät muss insgesamt stimmen, die Bewegung und der Schlaf auch.

Professor Hans Förstl ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums rechts der Isar in München.

Ganz legale Muntermacher

Der Trend kommt aus den USA, vor vier Jahren sorgte eine Umfrage unter Lesern des Naturwissenschaftsmagazins Nature für Wirbel – 20 Prozent der Befragten erklärten, schon einmal Psycho-Medikamente genommen zu haben, obwohl sie nicht krank waren. Trotz aller Befürchtungen: In Deutschland ist dieser Trend noch nicht angekommen!

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Laut einer aktuellen Studie des Robert-Koch-Instituts schlucken hier nur 1,5 Prozent der Bevölkerung Medikamente, um Konzentration

Körper pusht

Schlaflose Nächte, ständige Sorge, alles richtig zu machen, und die Schmerzen und Unannehmlichkeiten nach einer Geburt – kaum jemand hat Doping nötiger als frischgebackene Mütter. Doch in dieser Stress-Situation hilft sich der Körper selbst: Beim Stillen werden Hormone ausgeschüttet und ins Blut geschickt: Die Mütter entspannen, ihr Blutdruck sinkt. Sie werden ruhiger und fühlen sich insgesamt ausgeglichener und glücklicher.

und Gedächtnisleistung zu steigern. Erwartungsgemäß steigt der Anteil der Hirndoper bei jüngeren Menschen und mit steigender Wochenarbeitszeit leicht an und liegt dann bei maximal drei Prozent. Vermutlich ist es durch die Rezeptpflichtigkeit bei uns schwieriger, die Gedankenbeschleuniger zu erhalten. Alle Amphetamine unterliegen in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz, ohne eine entsprechende Diagnose ist es auf legalem Weg kaum möglich, diese Mittel zu bekommen.

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Schokolade ist Doping fürs Gehirn. © dpa

Daher greifen die meisten auch aus Sorge vor Nebenwirkungen lieber zu ganz legalen Schlau- und Wachmachern: Energiedrinks, Koffein, Teein, besonders im Grünen Tee, Traubenzucker oder auch Schokolade sind die besten Muntermacher. Traubenzucker ist Gehirnnahrung pur, der Energieschub wird jedoch nach circa 20 Minuten vom Körper mit einer erhöhten Insulinausschüttung wieder abgefangen. Besser ist es z.B. vor einer Prüfung gut zu frühstücken, um Zuckerspiegel im Blut langfristig aufrecht zu halten. Koffein verbessert Reaktionszeit, Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und macht wacher. Aber nicht übertreiben: Zu viel Koffein macht nervös und schlaflos. Schokolade und Kakao enthalten mehr Flavonole als zum Beispiel Rotwein und Tee. Flavonole führen zu einer Gefäßerweiterung im Gehirn und regen so die Tätigkeit an. Dieser Effekt wirkt jedoch eher längerfristig. Energie­drinks, die Koffein und Glucose (Traubenzucker) in hoher Konzentration enthalten, führen kurzzeitig zu einer stärkeren Zunahme von Gedächtnisleistung und Geschwindigkeit als jeder einzelne Wirkstoff für sich.

Susanne Stockmann

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