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So kämpfen Neurochirurgen gegen Hirn-Tumore

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OP-Vorbereitung mit moderner Technik: Prof. Bernhard Meyer. © Klaus Haag

München - Albtraum Gehirntumor – der Feind im eigenen Kopf: Es gibt kaum eine Diagnose, vor der wir Menschen uns so sehr fürchten. Leider lässt sich die Erkrankung auch nicht verharmlosen.

Gliome, wie Mediziner diese bösartigen Zellwucherungen nennen, sind sehr gefährlich. „Selbst wenn man sie operativ entfernt, neigen hirneigene Tumore dazu, sich neu zu bilden. Wir sprechen dann von einem Rezidiv“, weiß Professor Bernhard Meyer. Aber der Neurochi­rurg hat auch allen Grund, den Betroffenen Mut zu machen: „Viele Patienten profitieren von den beachtlichen medizinischen Fortschritten.“ Dazu gehören neue OP-Techniken. So setzen Meyer und sein Spezialistenteam im Klinikum rechts der Isar ein hochinnovatives Navigationsverfahren ein: „Damit können wir unsere Patienten noch sicherer operieren.“ Im Rahmen der tz-Serie "Spitzenmedizin in München" erklärt Meyer, wie das Hightech-System funktioniert.

Irgendwie erinnert die Statistik an ein Lotteriespiel, auf das man gut und gerne verzichten könnte: Von 100 000 Einwohnern in Deutschland erkranken pro Jahr 9,2 an einem Hirntumor. Damit liegt das persönliche Risiko bei verschwindend geringen 0,0092 Prozent. Für die allermeisten Menschen mag das beruhigend klingen, die Betroffenen dagegen lässt es mit einer simplen Frage zurück: Warum ausgerechnet ich?

Peter Huber (43; Name von der Redaktion geändert) aus einer Gemeinde östlich von München kämpft seit über drei Jahren mit der Erkrankung. Das Drama fing im Fitnesstudio an. „Plötzlich konnte ich meinen linken Arm und mein linkes Bein nicht mehr richtig bewegen. Ich bin sofort ins Krankenhaus gefahren“, erinnert sich der Personalleiter. „Nach mehreren Untersuchungen haben mir die Ärzte eröffnet, dass in meinem Kopf irgendetwas ist, was dort nicht hineingehört. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen.“

Kein Wunder, schließlich muss der Familienvater für seine Frau und fünf Kinder sorgen. Sie alle sind froh, dass es ihm heute verhältnismäßig gut geht. „Das habe ich auch Herrn Professor Meyer und seinem Team zu verdanken“, sagt Huber. „Zu ihnen habe ich von Anfang Vertrauen gefasst.“

Im Klinikum rechts der Isar diagnostizierten die Spezialisten ein diffuses Astrozytom. „So heißt das Teil in meinem Kopf“, sagt Huber.

Inzwischen ist er zweimal operiert worden. Die Spezialisten konnten das Tumorgewebe entfernen, ohne das Bewegungs- oder Sprachzentrum ihres Patienten zu beschädigen. Dabei half ihnen die sogenannte navigierte transkranielle Magnetstimulation (NTMS). „Es ist das erste Kartierungsverfahren fürs Gehirn, das wirklich genau und verlässlich ist“, erklärt Professor Meyer.

Das Prinzip dahinter: Vor der OP wird der Patient mit einem Hightech-Gerät untersucht. Mit dessen Hilfe können die Ärzte die genaue Lage des Bewegungs- und des Sprachzentrums ihres Patienten im Gehirn ermitteln. Kombiniert mit der Info, wo sich der Tumor befindet, entsteht eine Karte. Im Operationssaal orientieren sich die Neurochirurgen an dieser Karte, sie lassen sich wie von einer Art Spezial-Navi leiten. Zur Sicherheit werden die Daten während der Operation mit einem ähnlichen Verfahren immer wieder überprüft. „Wir sprechen von Mapping und Monitoring“, erklärt Professor Meyer. Kartierung und Überwachung.

Im Neuro-Kopf-Zentrum des Klinikums rechts der Isar sind inzwischen über 100 Patienten mit der NTMS-Methode operiert worden. So wie Peter Huber. Er hat sich recht gut von den Eingriffen erholt. „Natürlich bin ich nicht hundertprozentig frei im Kopf. Die Angst, dass wieder Tumorgewebe nachwächst, ist immer da. Aber ich habe gelernt, mit meiner Erkrankung zu leben.“

So verlängern Sie Ihr Leben

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Professor Meyers Gesundheitstipps

1. Hirneigene Tumore sind eine sehr seltene Erkrankung. Deshalb müssen Sie auch keine über­triebene Angst davor haben – selbst dann nicht, wenn Sie ab und zu unter Kopfschmerzen leiden. Dahinter steckt so gut wie nie ein Hirn­tumor.

2. Lassen Sie sich nicht von der Panikmache gegen Mobiltelefone anstecken. Es gibt nämlich nach wie vor keinerlei wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Handystrahlung einen Gehirntumor verursachen kann.

3. Neurologische Ausfälle sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wenn Sie beispielsweise kurzfristig Ihren Arm nicht mehr richtig bewegen können oder Sprachstörungen haben, dann sollten Sie unbedingt einen Facharzt aufsuchen. Ein weiteres Warnsignal, dass in Ihrem Gehirn ein Problem entstanden sein könnte, ist ein krampfartiger epileptischer Anfall.

4. Wenn in Ihrem Gehirn ein Tumor entdeckt worden ist, sollten Sie ein interdiszi­plinäres Behandlungszentrum aufsuchen. Das sind Krankenhäuser, in denen Spezialisten aus verschiedenen medizinischen Fachrichtungen zusammenarbeiten. Die Ärzte erstellen in einer Tumorkonferenz individuelle Behandlungspläne für jeden einzelnen Patienten.

5. Lassen Sie sich nicht entmutigen! Bei der Behandlung von Hirntumoren hat die Medizin große Fortschritte gemacht. Wir können den Patienten mit neuen OP-Techniken, Chemotherapien und Bestrahlungsverfahren besser helfen als noch vor einigen Jahren.

Die Kartierung im Kernspin

Das Kernspin-Gehirnmodell dient als Basis für die Kartierung. Der Arzt setzt dicht nebeneinander 100 bis 200 Stimulationspunkte. Bei jedem einzelnen Punkt wird gemessen, ob die Gehirnzellen im stimulierten Areal „geanwortet“ haben – sprich: ob sie einen Befehl an die Muskeln im Arm abgegeben haben oder nicht. Zellen mit sogenannten „positiven Antworten“ sind wichtig fürs Bewegungszentrum. Sie werden mit einem hellen Punkt in der Karte markiert; Zellen, die nicht reagieren, mit einem grauen Punkt. Die einzelnen hellen Punkte werden dann miteinander verbunden und ergeben eine Karte. Daraus lässt sich ablesen, wie nah der Tumor am Bewegungszentrum des Patienten sitzt und ob man ihn noch gefahrlos entfernen kann.

Das Gehirn-Modell

Bereits vor der NTMS-Untersuchung kommt der Patient in die MRT-Röhre – die Abkürzung steht für Magnetresonanztomografie. Aus den MRT-Bildern errechnet ein Computer ein dreidimensionales Modell des Gehirns mitsamt des vorhandenen Tumors 

Die NTMS-Technik

Die Methode heißt „navigierte transkranielle Magnetstimulation“ (NTMS). Sie ermöglicht eine genaue Kartierung des Gehirns. Transkraniell bedeutet „durch den Schädel hindurch“.

Der Muskel-Monitor

Anhand der EMG-Messkurve kann der Arzt erkennen, ob die stimulierten Zellen elektrische Befehle an die Muskeln weitergeleitet haben oder nicht. Falls ja, sind diese Zell-Areale wichtig fürs Bewegungszentrum und dürfen bei einer Operation nicht beschädigt werden.

Der Stimulator

Das Gerät gibt einen elek­tromagnetischen Impuls ab, der durch den Schädelknochen bis ins Gehirn eindringt. Damit lassen sich die Nervenzellen stimulieren – man reizt sie praktisch zu einer Reaktion. Wenn die stimulierten Zellen im Bewegungszentrum des Gehirns liegen, dann leiten sie den Impuls an die Muskeln im Arm weiter – praktisch eine Art körpereigene Befehlskette. Dieser Stromfluss vom Gehirn zu den Muskeln lässt sich mit Hilfe von Kabeln am Arm messen (siehe EMG-Elektroden). So kann der Arzt erkennen, ob die stimulierten Zell­en für die Bewegungsfähigkeit des Patienten wichtig sind oder nicht.

Die EMG-Elektroden

Mithilfe von mehreren Elektroden misst das Gerät, wie groß die Muskelaktivität am Arm ist. Die genaue Stärke wird in Form einer Kurve dargestellt, die der Arzt auf einem Monitor beoachten kann. Dieses Messverfahren heißt Elek­tromyographie (EMG).

Andreas Beez

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