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Schmerzpatienten kämpfen für Cannabis-Anbau

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Schmerzpatienten kämpfen für legalen Cannabis-Anbau - als Heilmittel. © picture alliance / dpa

Der Wirkstoff THC hilft gegen starke Schmerzen. Cannabisprodukte aus der Apotheke sind jedoch für viele Patienten unbezahlbar. Der Eigen-Anbau könnte eine Lösung sein.

Ein bisschen Tabak, ein bisschen Gras, eine Hängematte und aus dem Radio ein Reggae-Song von Bob Marley: So stellen sich viele den typischen Genusskiffer vor. Es gibt allerdings auch Menschen, die einen Joint nicht zum Vergnügen rauchen. „Ich habe chronische Schmerzen“, sagt der Würzburger Günter Weiglein. Seit seinem Motorradunfall hat der 48-Jährige starke Beschwerden im Rücken, in den Knien und in der linken Schulter. „Es dauert eine halbe Minute, dann tritt eine Lockerung, eine Entkrampfung der Muskulatur ein“, so Weiglein, „dann ist der Schmerz größtenteils verschwunden.“ Er selbst hat bereits zahlreiche andere Mittel ausprobiert, doch stets traten heftige Nebenwirkungen auf.

Weiglein ist einer von bundesweit 100 Menschen, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel in Bonn die Erlaubnis haben, legal im Rahmen einer medizinisch betreuten Selbsttherapie Gras zu konsumieren. Sie leiden meist unter chronischen Schmerzen und Multipler Sklerose. Cannabis und das daraus gewonnene Dronabinol können bei Schmerzen, Depressionen oder Autoimmunerkrankungen Linderung schaffen. „Es gibt eine Vielzahl von Hinweisen und Indikationen, dass die Stoffe im Cannabis wirksam sind“, sagt die Professorin Kirsten Müller-Vahl, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie ist zudem Mitglied der Arbeitsgemeinschaft „Cannabis als Medizin“.

Aber wie kommt es, dass einige Patienten nur beim Rauchen der Pflanze Linderung verspüren und nicht bei der Einnahme von Dronabinol, also dem reinen Wirkstoff? „Das ist nicht ganz geklärt“, sagt Müller-Vahl. „Bei den meisten Patienten wirkt beides. Das eine mehr, das andere weniger. Es gibt aber Hinweise, dass die zusätzlichen Cannaboide im Rauch-Cannabis die Wirkung verstärken.“ Es müsse jedoch generell beachtet werden, dass je nach Aufnahme - Inhalieren, Rauchen oder Schlucken - verschiedene Wirkungen erzielt werden.

Die 100 Patienten erhalten ihre Drogen auf Rezept in der Apotheke. Doch auch beim Apothekencannabis gibt es Schwierigkeiten. Zum einen ist das Marihuana mit etwa 15 Euro pro Gramm nicht gerade billig, zum anderen lässt die Wirkung - zumindest bei Weiglein - mittlerweile nach. Bislang müssen die Patienten das Marihuana aus eigener Tasche zahlen. Weiglein braucht etwa 30 Gramm im Monat. Das kostet ihn mehr als 400 Euro im Monat. Zudem gibt es hin und wieder Lieferengpässe.

Diese Probleme könnten sich in Luft oder besser in Rauch auflösen, wenn die Betroffenen das Marihuana selbst anbauen dürften. Seit langem kämpfen Weiglein und andere Schmerzpatienten deshalb dafür, das für ihn wichtige Medikament daheim züchten zu dürfen. „Beim Hersteller wächst es auch nicht anders. Das bekommt man selber hin. Ich habe andere Sorten probiert. Ich weiß, was mir hilft.“

Gemeinsam mit seinem Anwalt Matthias Schillo zieht er dafür nun erneut vor Gericht, auf den genauen Termin warten sie noch. Heimlich anbauen will er das Gras nicht. „Das traue ich mich nicht und sehe es aber auch nicht ein“, sagt Weiglein. Sein Anwalt pflichtet ihm bei: „Es gehört zur Menschenwürde, einem Kranken ein notwendiges Medikament zugänglich zu machen.“

Was in anderen Ländern längst praktiziert wird, ist in Deutschland noch ein Tabu. Doch ein Gerichtsurteil vom Dezember 2012 gibt Anlass zur Hoffnung. Schwerkranke dürfen unter bestimmten Bedingungen Cannabis selbst anbauen, wenn es keine Behandlungsalternative gibt. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Urteil festgestellt (Az.: 13A 414/11). Diese Betroffenen dürfen einen entsprechenden Antrag auf Eigenanbau beim Bundesinstitut für Arzneimittel stellen. Ob die Behörde dann jedoch positive Bescheide verschickt, bleibt fraglich.

Die Drogenbeauftragte des Bundesministeriums, Mechthild Dyckmans, bleibt bei ihrem Nein: „Einen medizinisch begründeten Eigenanbau von Cannabis lehnt die Bundesregierung ab. Das gewonnene Pflanzenmaterial ist für eine hinreichend gesicherte therapeutische Anwendung ungeeignet und mit einem zugelassenen Arzneimittel bezüglich Qualität und Sicherheit nicht vergleichbar“, sagt Dyckmans der Nachrichtenagentur dpa. Aber sie will die Patienten finanziell entlasten: „Ich setze mich weiterhin dafür ein, dass für mehr Patienten eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen erfolgt.“

Die Chancen auf die Erlaubnis zum Eigenanbau bleiben jedoch gering. „Ich würde es mir natürlich wünschen“, so Weiglein, „ich rechne aber eher damit, dass demnächst ein Angebot der Krankenkasse kommt, die Kosten zu übernehmen.“ Das allein wäre ihm nicht genug: „Es wäre gut, wenn neue Sorten angeboten würden. Ich vertrage nur eine der vier angebotenen Sorten, und bei der lässt die Wirkung bereits nach.“

dpa

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