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Arzneimittel bei Stiftung Warentest
Auch bei Ihnen im Schrank? Diese beliebten Medikamente schneiden im Test erschreckend schlecht ab
- vonJuliane Gutmannschließen
Stiftung Warentest geht hart ins Gericht mit frei verkäuflichen Arzneimitteln: Rund 500 von 2.000 geprüften Präparaten stufen Arzneimittelexperten als "wenig geeignet" ein.
- Den Gang zur Apotheke verbinden die meisten Menschen mit einer Besserung von Beschwerden - sei es der Kopfschmerz, die Erkältung oder Rückenbeschwerden*.
- Doch immer wieder werden Stimmen laut, die vielen rezeptfreien Mitteln keine bis wenig Wirkung nachsagen.
- Zu einem erschreckenden Ergebnis kommt auch die deutsche Verbraucherorganisation Stiftung Warentest, die in staatlichem Auftrag und gefördert mit Steuermitteln Dienstleistungen und Waren verschiedener Anbieter untersucht und vergleicht.
Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest nahmen beliebte und frei verkäufliche Medikamente unter die Lupe - mit überraschendem Ergebnis.
Ein Viertel der geprüften, rezeptfreien Medikamente bekommt die schlechteste Bewertung
Mehr als 100.000 Medikamente sind in Deutschland zugelassen, rund die Hälfte davon ist nur auf Rezept vom Arzt erhältlich. Die andere Hälfte zählt zu den OTC-Arzneimitteln, die rezeptfrei in Apotheken gekauft werden können. OTC leitet sich aus der englischen Bezeichnung "Over-the-counter drug" ab, was soviel wie "über den Ladentisch verkauftes Arzneimittel" bedeutet. "Ein Viertel der 2.000 rezeptfreien Medikamente in der Datenbank der Stiftung Warentest bekommt die schlechteste Bewertung: "wenig geeignet". Auch bekannte Namen wie Aspirin Complex, Thomapyrin oder Gaviscon Advance fallen in diese Kategorie", heißt es auf den Seiten der Stiftung Warentest. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt ein Team unabhängiger Experten unter der Leitung des Pharmazeuten Gerd Glaeske, heißt es weiter.
Ob ein Medikament in Deutschland zugelassen wird, entscheidet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Dafür müssen Pharmaunternehmen den Nutzen ihres neu entwickelten Präparats durch Studien nachweisen. Diese Wirksamkeitsstudien der Hersteller sind Stiftung Warentest zufolge allerdings nicht immer ausreichend, um den Effekt von Arzneimitteln ausreichend zu bewerten: "Die Studien laufen oft zu kurz", sagt Professor Glaeske, der an der Universität Bremen zu Arzneimittelversorgung forscht: "Nebenwirkungen*, die häufig erst nach längerer Einnahme entstehen, lassen sich so nicht erkennen". Deshalb sichten Glaeske und sein Team bei Arzneimittel-Checks der Stiftung Warentest zunächst alle veröffentlichten Untersuchungen zu einem Medikament – auch solche, die nicht der Hersteller durchgeführt hat, sondern die beispielsweise aus der üblichen Patientenversorgung stammen. Auch die Qualität der Studien fließt in die Bewertung ein.
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Mittel gegen Erkältung und Verdauungsbeschwerden: Stiftung Warentest mit ernüchterndem Ergebnis
Am schlechtesten schnitten frei verkäufliche Medikamente bei Stiftung Warentest ab, wenn die therapeutische Wirksamkeit nicht ausreichend belegt werden konnte oder diese im Vergleich zu den Nebenwirkungen gering war.
Eine Auswahl an wenig geeigneten rezeptfreien Mitteln - und geeigneten Alternativen:
Präparat | Begründung | Alternativen |
Dolo-Dobendan Lutschtabletten (bei Halsentzündung) | Nicht sinnvolle Kombination. Antiseptika wie Cetylpyridiniumchlorid sind gegen Viren nur lückenhaft oder gar nicht wirksam. Bakterien in tieferen Schleimhautschichten werden nicht erreicht. Das örtlich betäubende und daher schmerzstillende Benzocain kann leicht Allergien hervorrufen. | Lutschtabletten mit Lidocain oder Ambroxol wirken ebenfalls örtlich betäubend und daher schmerzlindernd. Noch besser bewertet Stiftung Warentest Emser Pastillen. Sie befeuchten die Schleimhäute und können Schluckbeschwerden lindern. Grundsätzlich hilft es, viel zu lutschen, am besten zuckerfreie Bonbons. |
Grippostad C Kapseln (bei Erkältung) | Nicht sinnvolle Kombination unter anderem aus einem Schmerzmittel und einem müde machenden Antihistaminikum, das über das Blut im ganzen Körper verteilt wird und dabei auch die Nasenschleimhaut abschwellen soll. | Gegen Schmerzen und Fieber reicht Paracetamol allein. Bei Schnupfen ist die kurzzeitige Anwendung von abschwellenden Nasensprays oder -tropfen verträglicher. |
Aspirin Complex Granulat (bei Erkältung) | Nicht sinnvolle Kombination aus einem Schmerzmittel und einem anregenden Mittel, das über das Blut im ganzen Körper verteilt wird und dabei auch die Nasenschleimhaut abschwellen soll. | Gegen Schmerzen und Fieber reicht Azetylsalizylsäure allein. Bei Schnupfen ist die kurzzeitige Anwendung von abschwellenden Nasensprays oder -tropfen verträglicher. |
WICK DayMed Erkältungs-Kapseln (bei Erkältung) | Nicht sinnvolle Kombination aus einem Schmerz-, einem Husten- und einem anregenden Mittel, das über das Blut im ganzen Körper verteilt wird und dabei auch die Nasenschleimhaut abschwellen soll. | Die einzelnen Erkältungssymptome wie Schmerzen, Husten*, Schnupfen sollten besser getrennt behandelt werden. |
Abtei Abführkapseln SN (bei Verstopfung) | Rizinusöl wirkt drastischer als geeignete Mittel und kann häufiger Nebenwirkungen auslösen. | Geeignete verträgliche Abführmittel enthalten beispielsweise Lactulose, Macrogol oder für den kurzfristigen Einsatz Sennes, Bisacodyl oder Natriumpicosulfat. |
Tannacomp Tabletten (bei Durchfall) | Die therapeutische Wirksamkeit ist nicht ausreichend nachgewiesen. Beide Inhaltsstoffe können leicht Allergien auslösen. | Als Basistherapie eignet sich Elektrolytlösung, um Flüssigkeit und Substanzen, die bei Durchfall verloren gehen, zu ersetzen. Bei schmerzhaften Darmkrämpfen ist unter Umständen kurzzeitig Loperamid möglich. |
Thomapyrin Classic (bei Schmerzen) | Die Kombination aus ASS und Paracetamol bietet keinen zusätzlichen therapeutischen Vorteil, birgt aber das Risiko der unterschiedlichen unerwünschten Wirkungen der beiden Schmerzwirkstoffe. Koffein kann den Missbrauch fördern. | Gegen Schmerzen reicht ein geeignetes Schmerzmittel allein, beispielsweise Acetylsalicylsäure*, Ibuprofen* oder Paracetamol. |
Quellen: www.test.de; www.g-ba.de
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jg
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