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Geheime Einblicke in die Kloster-Apotheke

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Die historische Apotheke im Kloster Reutberg. © Arndt Pröhl

Sachsenkam – Es gibt im Landkreis einige wenige Orte, die man nicht ohne Weiteres betreten kann – das Kloster Reutberg zum Beispiel.

Die Franziskanerinnen leben dort in strenger Klausur. Im Kloster gibt es aber noch eine jahrhundertealte, tadellos erhaltene Apotheke von unschätzbarem kunsthistorischen Wert. Sie kann nur mit einer Sondergenehmigung der Erzdiözese besichtigt werden. Für das Kreisbildungswerk gab es eine – und der Tölzer Kurier durfte dabei sein.

Die Apotheke stammt aus dem Jahre 1688 und ist damit also fast so alt wie das Kloster selbst. Ab 1618 lebten dort zuerst Kapuzinerinnen, 1651 wurde es dem Franziskanerorden unterstellt. Die Apotheke wurde dem Kloster geschenkt, und zwar von dem Benefiziaten („Seelsorger“) Dietenhauser aus dem Heilig-Geist-Spital in München. Er war gebürtiger Sachsenkamer. Durch eine Zustiftung in Höhe von 1000 Gulden von Christian von Raßveldt und seiner Frau Margarethe konnte sie Mitte des 18. Jahrhunderts erweitert werden.

Geheime Einblicke in die Apotheke

Die Apotheke gilt als die besterhaltene ihrer Zeit. Das Mobiliar steht noch in den ursprünglichen Räumen und bildet deshalb ein geschlossenes Ganzes. In den vergangenen Jahrhunderten hatte die Apotheke für die ganze Region eine große Bedeutung. Bis zur Säkularisation 1802 wurden in Reutberg noch Kranke gepflegt, und manchmal wohnten die Angehörigen bei den Patienten und halfen bei der Pflege, bis diese wieder gesund waren.

Die Apotheke steht praktischerweise angrenzend an das Refektorium (Speisesaal der Schwestern). Um den Raum zu betreten, muss man zuerst durch eine historische Küche und eine Arbeitskammer. Schon das ist ein ganz besonderes Erlebnis: In der Küche stehen große Messingtöpfe auf einem Ofen, der mit Holz befeuert wurde. „Hier wurden einst die Kräuter, Blüten, Wurzeln und Samen gekocht“, erklärt die Tölzer Kulturführerin Barbara Schwarz, die die Gruppe begleitet. An den Wänden hängen Schalen und Schüsselchen, Töpfe und Pfannen aus Messing, Zink und Kupfer.

Im angrenzenden Arbeitsraum stehen dutzende Aufbewahrungsgefäße in unterschiedlichen Größen aus Glas, Steingut und Fayence (Keramik). Besonders ins Auge fallen vierkantige Flaschen aus Glas. „Diese Emaille-Technik wurde im 17. Jahrhundert nur in Glashütten in Böhmen und Sachsen beherrscht“, sagt Schwarz.

Die Apotheke war bis in die 1920er-Jahre in Gebrauch. Viele Fläschchen sind deshalb noch gut sichtbar beschriftet, ja, manchmal sieht man sogar noch Flüssigkeiten darin. Es gibt Arnika-, Rosen- und „Kirschenwasser“, Salmiak- und Melissengeist, Myrrhentinktur und Hauswurzsalbe. Einige Etiketten verwundern den heutigen Besucher aber auch: Fuchs-, Dachs- und Katzenfett steht auf kleinen weißen Döschen. „Früher gab es in Reutberg über 800 Heilmittel“, erklärt Schwarz.

Wer die beiden Räume passiert hat, betritt die eigentliche Apotheke. Die wandhohen Schränke sind aus bemaltem Holz und wirken wie aus Marmor. Unten befinden sich Schubfächer, oben offene Regale, die wiederum von Arkanthusreben umschlossen werden. In den Regalen stehen Glasflaschen und Holzdöschen, bemalt und verziert mit den unterschiedlichsten Motiven, oft sind es Blüten und Blätter. Manche haben einen vergoldeten Rand. Für die Farben wurde zum Beispiel Ochsenblut verwendet. In den Ecken stehen einige Sachen hinter Glas – das waren ganz besondere (und häufig gefährliche) Arzneien.

In der Mitte des Raums steht ein großer, ovaler Tisch mit einer riesigen Waage. An ihr hängen Messschälchen aus Messing und Horn. „Früher gab es Unze, Lot, Drachme und Skrupel als Gewichtseinheit“, erklärt Schwarz. Auf dem Tisch liegen drei teils handgeschriebene Bücher mit Rezepten und Pflanzenbeschreibungen. Sie gehen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Hier liegt das ganze Reutberger Arnzeiwissen bewahrt – Bücher, deren Wert sich kaum beziffern lässt.

„Die Schwestern wurden sehr für ihre Heilkunst geschätzt“, sagt Schwarz. Dem Kloster kam zugute, dass eine der Nonnen in München eine Ausbildung durchlaufen hatte. Später wurden junge Nonnen in Reutberg angelernt. „Hier wurde sehr viel Wissen weitergegeben.“

In den Schubladen bewahrten die Franziskanerinnen einst Kräuter, Blüten, Blätter, Samen, Schwämme und Wurzeln auf. Das sind Grundstoffe, aus denen eine Arnzei hergestellt wird – in der Pharmazie spricht man von Simplicia (lateinisch: „die Einfachen“). „Im 17. und 18. Jahrhundert wurde es Mode, diese Simplicia auch aus dem Tierreich herzustellen“, sagt Schwarz und nennt als Beispiele Läuse, Kellerasseln, Elchklauen und Seepferdchenzähne. Die Sachen wurden zermalen und beigemischt. Später verwendete man auch Simplicia aus dem Mineralreich, etwa Tonerden und Edelsteine. Auch das Beimischen von orientalischen Gewürzen war eine Methode. „Früher kamen viele Leute ins Kloster, um sich Arzneien zu holen“, berichtet Schwarz. Viele Ingredienzen fanden die Schwestern im eigenen Garten, der bis heute hinter den Klostermauern existiert.

Über dem Mobiliar thront ein besonderes Gemälde: Es zeigt Christus als Apotheker. Die rechte Hand hat er zum Segensgruß erhoben, in der linken hält er eine Waage. Das Bild versinnbildlicht die Darstellung Jesu als Seelenarzt. Auf einem Spruchband stehen die Begriffe „Vorsicht, Hoffnung, Geduld, Lieb’“.

Dass die Apotheke in Reutberg in dieser Form noch erhalten ist, grenzt an ein Wunder. Das Kloster hat bewegte Zeiten durchlebt. 1731 gab es einen Großbrand. Und als die Säkularisationswelle 1802 über Bayern hinwegrollte, schien auch Reutberg dem Untergang nahe. Doch dann durfte es weiter als sogenanntes Aussterbekloster bestehen – das heißt, es wurden Franziskanerinnen dorthin beordert, um ihren Lebensabend verbringen zu können. Die Schwestern gerieten aber derart in Finanznot, dass sie einen Brief an König Ludwig I. schrieben. Das half nur nichts. 1831 stand das Kloster sogar zum Verkauf – doch niemand wollte es haben. Das war vielleicht Reutbergs größtes Glück. 1835 kauften es die Schwestern selbst für 30 000 Gulden. „Es ist anzunehmen, dass schon damals viele Menschen in der Umgebung alles daran setzten, das Kloster zu erhalten“, sagt Schwarz.

Von 1858 bis 1958 unterhielten die Franziskanerinnen eine eigene Schule. Dem Orden sind in den vergangenen Jahrzehnten allerdings nicht mehr genügend Frauen beigetreten. Jetzt gibt es wieder einen Freundeskreis, der den noch verbliebenen fünf Schwestern helfen will. In den kommenden Jahren muss auf jeden Fall die Kirche saniert werden.

Freundeskreis

Wer sich dem Freundeskreis anschließen will oder für den Erhalt des Klosters spenden möchte, bekommt auf www.freunde-des-kloster-reutberg.de Informationen.

Christiane Mühlbauer

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