Drei Firmen, in denen Mitarbeiter regeln, was sonst der Chef macht

Sie wollen in Ihrer Firma mehr mitbestimmen? Dann sehen Sie sich einmal diese Unternehmen an. Hier haben Mitarbeiter in vielen Bereichen das Sagen.
In Zeiten des Fachkräftemangels buhlen gerade kleine Firmen mit einer modernen Firmenkultur um talentierte Mitarbeiter. Einige lassen ihre Angestellten sogar Dinge bestimmen, bei denen sonst nur der Chef das Sagen hat, etwa bei Arbeitszeiten oder Urlaub. Wiederum andere schaffen den Chef sogar ganz ab.
Das Online-Portal HuffngtonPost hat einige der innovativsten Firmen in Deutschland und in anderen Ländern gefunden, die ihre Mitarbeiter auf teils ungewöhnliche Weise in Entscheidungen einbinden. Wir haben die interessantesten für Sie herausgepickt:
Einhorn Condoms (Berlin): Produzent von Design-Kondomen - 21 Mitarbeiter
Beim Kondom-Produzenten Einhorn Condoms entscheiden die Angestellten über Gehalt und Urlaub. Jeder Mitarbeiter schreibt sein Netto-Gehalt auf und muss es auch begründen. Laut Gründer Waldemar Zeiler klappt das Ganze sehr gut - niemand hätte bisher unrealistische Forderungen aufgestellt.
Durch diese Art der Mitbestimmung wird jedes Team-Mitglied automatisch zum "Mitunternehmer". Zeiler vertraut seinen Mitarbeitern, dass sie die richtige Entscheidung treffen - und diese zahlen es ihm durch überdurchschnittliche Motivation und Einsatz zurück.
Einen Haken hat das Ganze jedoch bisher: Die Summe der selbstbestimmten Gehälter übersteigt den Jahresumsatz von rund einer Million Euro. Trotzdem bleibt Zeiler bisher bei seiner Zusage und zahlt die Gehälter. Das Gute daran: Jeder weiß, dass die Firma wachsen muss, wenn das Konzept die "Probezeit" bestehen soll. Ein Extra-Kick in Sachen Motivation!
Trumpf (Baden-Württemberg): Laser- und Maschinenbauer - 12.000 Mitarbeiter
Beim Maschinenbauer Trumpf in Baden-Württemberg schaffen die rund 12.000 Mitarbeiter mit einer Jahresarbeitszeit. Die ist zwar nicht neu, aber findet immer mehr Anhänger unter experimentierfreudigen Unternehmen.
Jahresarbeitszeit heißt, die Mitarbeiter liefern nicht eine feste Wochenarbeitszeit von 35 oder 40 Stunden ab, sondern arbeiten je nach Auftragslage: Wenn viel zu tun ist, arbeiten sie lange - und dürfen dafür früher heimgehen, wenn weniger los ist. Vollzeitangestellte kommen so auf 1.610 Stunden pro Jahr, was durchschnittlich etwa 31 bis 32 Stunden pro Woche entspricht.
Mitarbeiter und Chef entschieden gemeinsam, wie viele Stunden sie in jedem Monat arbeiten sollen. Über eine Zeitkonto wird die Arbeitszeit dann erfasst. Im Streitfall wird der Betriebsrat hinzugezogen.
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Morning Star (USA): Tomatenverarbeiter - 400 Mitarbeiter
Beim Tomatenverarbeiter Morning Star in den USA wurde der Chef gleich ganz abgeschafft - und zwar von Gründer Chris Rufer persönlich. Das ganze fand schon im Jahr 1970 statt. Seitdem organisieren die Mitarbeiter das Unternehmen selbst, treffen wichtige Entscheidungen und legen Ziele fest. Sie stellen sogar selbst neue Mitarbeiter ein, wenn es der Firma dienlich ist.
Das Ganze funktioniert, in dem jeder einen sogenannten "colleague letter of understanding", kurz CLOU, an die Firma schreibt. Darin legt jeder Mitarbeiter sein Aufgabengebiet und seine Ziele für das Unternehmen selbst fest. Viel Verantwortung also. Doch damit nicht jeder macht, was er will, spricht er sich mit 20 Kollegen ab, mit denen er am engsten zusammenarbeitet. Gemeinsam legen sie fest, wie sie ihre Arbeit am besten erledigen können. Jeder weiß so, was die Kollegen von ihm erwarten. Lässt einer seine Arbeit schleifen, leiden die anderen Teamkollegen darunter - und das will schließlich niemand riskieren.
Auch die Gehälter werden fair verteilt. Der bestbezahlte Kollege soll lediglich sechs mal mehr verdienen, als der am niedrigsten bezahlte Mitarbeiter - das ist weit besser als der Durchschnitt der Branche. Dank dieser Firmenkultur bezeichnete das renommierte Management-Magazin "Harvard Business Review" die Firma bereits als die "am kreativsten gemanagte Firma der Welt".
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Von Andrea Stettner