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Headhunterin zum Mangel an Fachkräften: „Auf dem Arbeitsmarkt gilt ein Wünsch-dir-was“

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Von: Wolfgang Hauskrecht

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Carin Pawlak ist Headhunterin.

Carin Pawlak (53) gehört selbst zur Baby-Boomer-Generation. Heute ist sie Headhunterin beim Hanseatischen Personalkontor (Hapeko) und sucht Fach- und Führungskräfte für Unternehmen. Ein Gespräch über den Wandel zum Arbeitnehmermarkt.

Frau Pawlak, wir leben in Zeiten von Work-Life-Balance und knappem Nachwuchs für Firmen.

Ja, aber das ist nur der Anfang. Die Zahl der Arbeitskräfte wird sich laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bis 2025 um fast sieben Millionen verringern. Der Mangel wird sich also bald extrem verstärken.

Die Folgen?

Liegen auf der Hand. Der Arbeitsmarkt hat sich komplett gedreht. Die Baby-Boomer gehen langsam in Rente und die Unternehmen müssen immer mehr werben, um Mitarbeiter zu gewinnen.

Worauf kommt es jungen Fachkräften denn an?

Geld allein genügt nicht. 63 Prozent halten das Salär laut Umfragen zwar für wichtig. Aber eine fast genauso wichtige Rolle spielt die Work-Life-Balance bei der sogenannten Generation Y, also den heute bis 35-Jährigen. Für 60 Prozent ist das entscheidend. Besonders flexible Arbeitszeiten stehen hoch im Kurs – den klassischen Nine-to-five-Job will diese Generation überhaupt nicht. Nach Home Office fragen immer mehr. Die Leute wollen arbeiten, wenn sie gerade kreativ sind, und nicht, wenn die Stechuhr es befiehlt.

Audi hat sogar 200 Arbeitszeitmodelle

Haben das die Unternehmen schon verstanden?

Gerade familiengeführte Mittelständler tun sich noch sehr schwer. Große Unternehmen sind vielfach weiter. Bosch war ein Vorreiter, hat über 100 verschiedene Arbeitszeitmodelle. Audi hat nachgezogen, hat sogar 200 Arbeitszeitmodelle – maßgeschneidert für die Mitarbeiter.

Unternehmenskulturen müssen sich also ändern?

Ja. Wer die Besten will, muss das beste Paket bieten. Also flexible Arbeitszeiten, unbefristete Verträge und flache Hierarchien: Wenn Arbeitgeber keine Lösungen entwickeln, haben sie die Zeichen der Zeit nicht verstanden.

Liegt der Wandel allein am Mangel an Arbeitskräften? Oder sind junge Menschen grundsätzlich anders?

Die junge Generation ab 20, besonders die Generation Z, die nun auf den Arbeitsmarkt kommt, ist in einer anderen Gesellschaft aufgewachsen. Das sind Menschen, die man bei so ziemlich allem um ihre Meinung gefragt hat. Sie haben früh gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen – und diese Eigenschaft werden sie sicher nicht an der Pforte zur Arbeitswelt abgeben. Wenn denen ein Job nicht gefällt, suchen sie sich was anderes. Da spielen heute neue Fragen eine Rolle: Was passt zu mir? Wie kann ich mich am besten verwirklichen?

Spielt die Digitalisierung der Welt eine Rolle?

Bei der Generation Y noch etwas weniger, aber sicher stärker bei der Generation Z – den Digital Natives. Wer online einkauft, seinen Partner im Netz sucht, sich seine Serien streamt, der will keinen Arbeitsplatz mit starren Strukturen haben. Diese Devise: Alles geht, immer und überall – die hat sich auch in die Arbeitswelt übertragen.

Es geht nicht nur um Home Office

Die Arbeitswelt verlagert sich also nach Hause?

Auch. Und es geht nicht nur um Home Office. Schauen Sie mal zehn Jahre zurück. Wenn ein Mann da Elternzeit beantragt hat, kamen die Chefs aus dem Kopfschütteln nicht raus. Solche Männer galten als Weicheier. Heute ist es nicht mehr denkbar, dass man einem Mann diese Möglichkeit nicht anbietet.

Karriere ist nicht mehr das Maß aller Dinge ...

Machtstrukturen und vorgezeichnete Karriereschritte – das interessiert die meisten jungen Leute nicht mehr.

Warum?

Die sehen ihre Eltern, die Baby-Boomer, die jetzt so um die 50 sind. Die sind oftmals ausgebrannt, hecheln auf die Rente zu. Das ist für die junge Generation kein erstrebenswertes Modell.

Leistungsorientierung schreckt also eher ab?

Nicht unbedingt. Die Jungen wollen nicht nur chillen, die wollen auch Leistung bringen – aber zu ihren Bedingungen. Sie rechnen in einer emotionalen Währung. Je mehr Anreize es neben dem Gehalt gibt, umso besser. Einer unserer Kunden bietet mit Erfolg E-Bikes statt Firmenwagen an.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit?

Ökologische Nachhaltigkeit vielleicht noch nicht so, aber Nachhaltigkeit in der Firmenkultur. Unternehmen, die ohne Fremdkapital arbeiten oder inhabergeführt sind – das ist total gefragt.

Arbeitsplatzsicherheit?

Die Jungen sind nicht mit dieser Art von Sicherheitsstreben aufgewachsen. Die sagen: Das wird schon irgendwie funktionieren. Und sie wollen selbst bestimmen. Chef-Gängelband und Gutsherren-Art gehen gar nicht. Das richtige Führen ist heute, nicht zu führen, sondern die Fäden geschickt zusammenzuhalten. Mit bloßem Befehlen funktioniert es nicht mehr. Solche Chefs werden von der jungen Generation nicht anerkannt.

Man könnte nun sagen: Der Jugend geht es zu gut.

Diesen Satz können Unternehmen gleich mal streichen. Die Arbeitgeber müssen suchen, nicht die Arbeitnehmer. Für die gilt ein Wünsch-dir-was auf dem Arbeitsmarkt.

Was kommt mit der Generation Z?

Diese Generation ist komplett digitalisiert. Die haben das mit der Muttermilch aufgesogen und werden deshalb noch mal begehrter sein auf dem Arbeitsmarkt. Gerade in der IT-Branche suchen wir ja Arbeitskräfte mit der Lupe.

Interview: Wolfgang Hauskrecht

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