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Warum Vögel sprechen lernen können

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© dpa

München - Der Vogelgesang ist eines der Wunder der Natur – manche Tiere können 30 verschiedene Töne pro Sekunde erzeugen. Sie können sogar sprechen lernen.

Zugute kommt den Vögeln, dass ihr Gehör deutich besser ist als das der Menschen. Daher wundert es auch nicht, dass Papageien die Stimmen von Menschen ebenso gut nachahmen können wie das Tatütata eines Notarztwagens oder das Knarren einer Tür. Seit 60 Millionen Jahren leben Vögel auf der Erde – das Zwitschern, Trällern und Singen ist ihre Sprache, um miteinander zu kommunizieren.

Stimmwunder

Jede Vogelart hat verschiedene Melodien für Alarmrufe, Stressrufe, um das Territorium zu verteidigen, zum Fliegen aufzurufen, beim Füttern oder einfach nur um Wohlgefallen auszudrücken. Und um es noch komplizierter zu machen: Für jede Situation gibt es mehrere Gesänge oder Rufe, die eingesetzt werden können. Ornithologen können meist fünf bis 15 Gesänge pro Vogelart zuordnen, die Vogelsprache jedoch ist wesentlich vielfältiger. Erst vor wenigen Jahrzehnten haben Verhaltensbiologen entdeckt, dass Vögel auch den Gesang und die Melodien anderer Vogelarten nachpfeifen. Sie lernen sozusagen Fremdsprachen. Das alles hat in Deutschland vor über 40 Jahren der Bonner Ornithologe Johannes Kneutgen zum ersten Mal beschrieben. Er hielt in einer Voliere fünf Männchen verschiedener Arten, darunter einen Hänfling und ein Rotkehlchen. Der Hänfling war im Sommer zuvor in einer Freivoliere gesessen und hatte dort den Lockruf und Gesang eines Dompfaffs. Zufälligerweise beherrschte auch das Rotkehlchen, ein Wildvogel, der sich verletzt hatte, die Dompfafflieder und -lockrufe. Erstaunlicherweise konnten sich die beiden Vögel mit ihren Fremdsprachenkenntnissen wunderbar verständigen: Immer wenn der Hänfling den Lockruf des Dompfaffs erklingen ließ, kam das Rotkehlchen herbei und antwortete mit den gleichen Lauten. Beide Vögel freundeten sich an und schliefen häufig eng aneinandergedrückt. Die Vögel wussten also, was die Melodien, die sie gelernt hatten, bedeuteten, und konnten sich so verstehen. Zwar sind viele Vögel in der Lage, Wörter und kurze Sätze zu lernen und sie auch in Standardsituationen vorzutragen, dennoch verstehen sie nicht, was sie sagen. Papageien fällt es leichter, Menschen nachzuplappern, weil sie als einzige unter den Vögeln wie Menschen über eine Zunge verfügen, mit der sie Laute ähnlich wie wir bilden können. Wellensittiche müssen sich allein auf ihr Stimmorgan – die Syrinx (siehe unten) – verlassen.

Allein ist Tierquälerei

Mittlerweile hat es sich herumgesprochen: Die Einzelhaltung von Papageien und Wellensittichen ist Tierquälerei. Diese Vögel sind Schwarmtiere, die für eine artgerechte Tierhaltung Artgenossen brauchen. Was sich nicht herumgesprochen hat: Auch in der Gruppe lernen die Vögel sprechen. Der Mensch muss sich allerdings viel Zeit nehmen und braucht Geduld. Als besonders gelehrig gelten nach wie vor Graupapageien. Günstig ist es, am Nachmittag und am Abend dem Vogel Wörter und kurze Sätze vorzusprechen. Gut sind Worte mit vielen Vokalen. Es dauert Wochen bis Monate, bis der Vogel beginnt, die menschlichen Laute nachzuahmen. Dann kann er sie aber oft besonders pointiert ausrufen und antwortet, wenn ihm ein guter Morgen gewünscht wird oder ruft „Telefon“, wenn jemand anruft. Oft passiert es sogar, dass ein Vogel den anderen Tieren die neue Sprache beibringt. Früher dachte man, nur einzeln gehaltene Vögel lernen sprechen – aus Verzweiflung, weil sie sich nach Kommunikation sehnen. Doch stattdessen begannen viele, sich die Federn auszurupfen oder aus Einsamkeit laut zu kreischen. Manche Tiere sprechen nie mit Menschen, sie unterhalten sich lieber in ihrer Sprache mit den Artgenossen. Dann sollte man sich als Vogelhalter einfach am munteren Geplapper erfreuen und darüber, dass es den Tieren gut geht.

Wie Vögel Töne erzeugen

Vögel haben keinen Kehlkopf wie die Menschen, ihr Stimm­organ ist die sogenannte Syrinx, die sehr tief im Körper sitzt. Das Organ ist sogar so versteckt, dass Biologen lange Zeit rätselten, wie Vögel überhaupt Töne erzeugen. Die Syrinx ist dort entstanden, wo die Luftröhre sich in die beiden Bronchienäste verzweigt. Jeder dieser Äste ist in der Lage, Töne zu erzeugen, wenn dort Luft hindurchgedrückt wird. Die Vögel können die Stimmlage mithilfe von Muskeln und Membranen verändern. Manche Vögel können in beiden Syrinx-Ästen getrennt voneinander Töne hervorbringen, das heißt sie können sogar mit sich selbst Duett singen!

Frühaufsteher und Morgenmuffel – welche Vögel zuerst aufwachen

Der frühe Vogel fängt den Wurm – heißt es in der Redensart. Das stimmt aber gar nicht! Vögel wollen sich in der Früh nicht satt essen, sondern sie zwitschern, was das Zeug hält, um Artgenossen klar zu machen: „Hau ab, hier ist mein Revier.“ Außerdem wollen sie in der Balzzeit den Weibchen imponieren und die richtige Frau für ihr Nest zu finden. Der Nestbau ist dann jedoch übrigens Aufgabe des Weibchens. Als Erstes wacht übrigens der Hausrotschwanz (re.)auf. Er trällert schon 90 Minuten vor Sonnenaufgang los. Kurz darauf werden Amsel, Zaunkönig und Rotkehlchen munter. Eine Stunde vor Sonnenaufgang beginnt der Kuckuck sein Morgenkonzert, dann stimmen im Zehn-Minuten-Takt Zilpzalp, Buchfink und Spatz mit ein. Kurz vor Sonnenaufgang wachen dann auch Spechte, Grünfinke und Stare auf und machen das Vogelkonzert komplett. Die Vögel in der Stadt trällern übrigens lauter als auf dem Land, weil sie den Lärm übertönen müssen.

Michael Aufhauser: Wie Tiere mit uns sprechen

Der Blick unseres Aiderbichler Papageien-Spezialisten Michael Perkmann verfinstert sich, wenn man sich nach sprechenden Papageien erkundigt. „Ja, sie sprechen eine klare Sprache. Eben die der Papageien. Wenn wir wollen, dass sie unsere Worte nachsprechen, hat das mit ihrer Sprache nichts zu tun. Papageien, die Lora, Hallo und Ciao sagen können, waren in der Regel irgendwann mal ganz einsam.“ Unsere Papageien von Gut Aiderbichl führen Dialoge ohne Worte mit uns. Wenn Michael Perkmann mit seiner Wassersprühflasche an die Gehege tritt, spreizen manche Papageien ihre Flügel. Das heißt: „Sprüh mich ein.“ Wenn sie sitzen bleiben, ihm einen müden Blick zuwerfen und ihr Köpfchen zwischen die Flügel stecken, heißt das: „Du kannst mir mit deiner Sprühflasche gestohlen bleiben.“ Unsere geretteten Kakadus sind durch ihre australische Heimat ein Leben in Hülle und Fülle gewöhnt, wenn es sich um Wildfänge handelt. Dort muss sich ein Kakadu nicht tief bücken und hoch strecken, wenn er Nahrung sucht. Die gibt es überall. Deshalb klopfen sie bei uns gelassen mit ihren Schnäbeln auf das Futterschälchen. Das heißt: „Einfüllen und still sein.“ Auch Aras sind in freier Natur nicht den ganzen Tag über mit Futtersuche beschäftigt. Reichlich Nahrung gibt es überall, und nur einmal am Tag müssen sie sich disziplinieren. Ab und zu rutscht nämlich auch mal eine giftige Pflanze in ihren Schnabel. Zum Ausgleich fliegen sie dann dorthin, wo sie Salz oder Lehm aufnehmen können. Das entgiftet. Gesprochen wird bei den Vögeln mit dem Kopf, den Flügeln, mit dem ganzen Körper. Launisch und ungut sind sie, wenn sie das Gefühl haben, sich vermehren zu müssen. Da heißt es aufpassen für unsere Pfleger. Natürlich sagen sie dann nicht ein erlerntes „Achtung, heute bin ich aggressiv“. Ihre Einstellung ist in der Pupille zu sehen. Sie wird grell und groß, und die Schwanzfedern spreizen sich. Dann ist es am besten, man betritt die Voliere nur mit Helm. Da auf Gut Aiderbichl auch 37 Schimpansen und fünf Tieraffen leben, denken wir natürlich immer wieder darüber nach, weshalb selbst sie nicht mit uns sprechen können. Das ist aber anatomisch nahezu unmöglich. Mit größter Wahrscheinlichkeit liegt das Geheimnis der Sprache im Kehlkopf und hat mit entsprechenden Genen zu tun. In der Forschung hat man jedoch herausgefunden, dass zum Beispiel in den 90er-Jahren ein Gorilla-Weibchen in den USA 2000 Wörter verstanden hat und mehr als 1000 Begriffe in Gebärdensprache ausdrücken konnte. Sie bezeichnete beispielsweise ein Zebra als „Tiger-Pferd“. Auf alle Fälle stellen diese Erkenntnisse eines fest: Tiere sind intelligent und können vernetzt denken. So sprechen wie wir – das mussten sie bisher nicht.

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