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Immer mehr Bürgermeister in Oberbayern fordern klares Ausflugsverbot in Corona-Pandemie

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Von: Silke Scheder

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Beliebt ist der Jochberg bei Wanderern – und entsprechend belagert. Das Bild entstand am vorvergangenen Wochenende.
Beliebt ist der Jochberg bei Wanderern – und entsprechend belagert. Das Bild entstand am vorvergangenen Wochenende. ©  Foto: Oliver Bodmer

Das Voralpenland ächzt unter den Massen an Tagesausflüglern und den Folgen daraus. Für einen Bürgermeister ist eine Grenze überschritten. „Es darf keine Denkverbote mehr geben“, fordert er.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Bitter beschwert hat sich vergangene Woche ein Landwirt im Jachenauer Rathaus: Als er am Buß- und Bettag nach Holzarbeiten am Berg nach Hause fuhr, zeigte ihm ein Wanderer den Vogel. „Er dachte wohl, es handle sich um einen Wanderweg, auf dem Traktoren nicht fahren dürfen“, sagt Felix Kellner. Laut dem Geschäftsleitenden Beamten wurde einem anderen Landwirt am Buß- und Bettag der gesamte Rückeplatz zugeparkt. „Der Unmut in der Bevölkerung ist groß“, sagt Kellner mit Blick auf den Besucheransturm an schönen Tagen. Von einem Ausflugsverbot hält Kellner trotzdem nicht viel – anders, als andere.

Ausflugsverbot: Ins Spiel gebracht hat es die Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen

Die Idee ins Spiel gebracht hat die CSU-Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen, Elisabeth Koch. Den Vorschlag aus dem Kanzleramt, auf „touristische Tagestouren“ zu verzichten, findet sie richtig – aber nicht nur als Empfehlung, sondern gleich als Verbot. Ein Ausflugsverbot sei das einzige, was Sinn mache, sagte Koch gegenüber dem Münchner Merkur. „Lieber jetzt und g’scheid. Wir brauchen klare Regeln mit klaren Perspektiven – und kein Rumgeeiere mehr.“

Rückendeckung erhält Koch von Thomas Holz (CSU). „Es darf keine Denkverbote mehr geben“, sagt der Bürgermeister von Kochel am See. „Vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens ist es ein lobenswerter Ansatz, dass man über ein Verbot nachdenkt.“ Keiner wisse, wie lange Corona Reisen ins Ausland noch unmöglich mache – und deshalb umso mehr Erholungssuchende in die heimischen Berge fahren. Das Maß ist aus Sicht von Thomas Holz ohnehin schon jetzt voll. Viele Tagestouristen hielten sich weder an die Straßenverkehrsordnung noch an ganz normale Verhaltensregeln. Die vergangenen Monate hätten es gezeigt: „Es funktioniert nicht.“ Die Bevölkerung aber müsse mal wieder durchschnaufen können.

Wer soll das Ausflugsverbot kontrollieren?

Das sieht auch Felix Kellner aus der Jachenau so. „Die Mitarbeiter aus dem Dorfladen sind inzwischen froh, wenn die Wettervorhersage schlecht ausfällt“, sagt der Geschäftsleitende Beamte im Rathaus. Es sei sehr anstrengend, immer wieder an die Maskenpflicht und die Abstandsregeln erinnern zu müssen – und im schlimmsten Fall dafür noch blöd angeredet zu werden. Der Großteil verhalte sich zwar vernünftig. „Zirka zehn Prozent sind aber sehr egoistisch“, sagt Kellner. Er meint auch das Parkverhalten der Ausflügler. Und den vielen Müll und andere menschliche Hinterlassenschaften am Wegesrand. Ein Ausflugsverbot aber sieht er kritisch. „Wie soll das kontrolliert werden?“

Dieses Problem sieht auch Stefan Fadinger. „Ich kann auch jeden verstehen, der am Mittleren Ring in München in einer Zwei-Zimmer-Wohnung lebt und raus will“, sagt der Bürgermeister von Gaißach (FWG). Vielleicht täte es in Zeiten der Pandemie aber auch ein Spaziergang an der Isar oder ein Ausflug in den Norden Münchens.

Video: Zahlreiche Ausflügler im Oberland trotz Lockdown

Wenn es so weitergeht in der Corona-Pandemie muss ein Verbot von Ausflügen her

Auch in Gaißach mit seinen zahlreichen Ausflugsmöglichkeiten ist an schönen Tagen sehr viel los. Statt auf dem Wanderparkplatz am Bahnhof zu parken, nehmen die Autofahrer Fadinger zufolge aber lieber ein Bußgeld in Kauf. „50 bis 80 pro Tag werden immer aufgeschrieben.“ Wenn es so weitergehe, komme irgendwann ein Ticketsystem, das bestimme, wer von der Autobahn noch in Richtung Oberland fahren darf und wer nicht. „Vor einem Jahr noch hätte jeder gelacht, wenn ich so etwas gesagt hätte.“ Inzwischen aber lacht niemand mehr, vor allem die Einheimischen nicht. „Ich tendiere auch zu einem Ausflugsverbot, wenn die bestehenden Regeln weiterhin missachtet werden.“

Der Lenggrieser Bürgermeister Stefan Klaffenbacher (FWG) hält ein Ausflugsverbot für „wünschenswert – aber nicht umsetzbar“. Er sieht Grund- und Menschenrechte in Gefahr. Klaffenbacher appelliert an die Erholungssuchenden, in Zeiten der Pandemie zu Hause zu bleiben. „Man muss nicht jedes Wochenende raus.“

Solche Appelle bringen nichts, glaubt Thomas Holz nach der Erfahrungen der vergangenen Monate. Bewährt hätten sich dagegen die Ranger. Wie berichtet, sollen sie zum Beispiel am Walchensee Natur und Tiere vor den Besuchermassen schützen. „Aber das kostet halt alles Geld.“ Dem Kochler Bürgermeister zufolge gibt es dennoch Überlegungen, die Ranger auch im Winter und Frühjahr einzusetzen. „Das ist ein Gedanke, der gerade mit den Staatsforsten und der Unteren Naturschutzbehörde diskutiert wird.“

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