Kein „Liegetaxi mit Blaulicht“: Sanitäter spricht über Arbeit in Zeiten von Corona - und hat Kritik

Markus Bail ist Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Auch für die Sanitäter ist die Corona-Krise mit hoher Belastung verbunden - ebenso wie mit hohem Risiko.
- Markus Bail ist Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen.
- Er spricht über die Arbeit in Zeiten der Corona-Krise.
- Der Sanitäter übt auch Kritik.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Menschen im medizinischen Bereich arbeiten derzeit an und über der Belastungsgrenze. Weil sich die Diskussion meistens um Ärzte und Pfleger drehte, meldete sich das BRK zu Wort – mit Erfolg. Am Dienstag wurde bekannt, dass die Staatsregierung auch Mitarbeitern im Rettungswesen die Sonderzahlung in Höhe von 500 Euro gewährt. Für Markus Bail, Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis, ist das ein „Schritt in die richtige Richtung“: „Auch wir arbeiten gerade mit höchstem Risiko“, sagt der 32-Jährige.
Im Rettungsdienst im Landkreis arbeiten derzeit 120 Mitarbeiter. Die Notfall- und Rettungssanitäter waren 2019 im Landkreis im Durchschnitt 65 Mal am Tag im Einsatz, Krankentransporte inklusive. Auch den Rettungsdienst dürfe man in diesen Tagen „nicht als selbstverständlich ansehen“, sagt Bail. „Wir sind diejenigen, die zu einem Herzinfarkt gerufen werden, bei dem sich im Nachhinein herausstellt, dass der Patient auch noch Covid-19 hatte.“ Seine Mitarbeiter mussten in den vergangenen Tagen mehrere Corona-Patienten versorgen und transportieren. Bei einigen Fällen habe man das schon vor Eintreffen gewusst, bei anderen stellte sich das später heraus.
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Bad Tölz-Wolfratshausen: Sanitäter spricht über Arbeit in Zeiten von Corona
Die Teams - in Bad Tölz sind es zum Beispiel vier - arbeiten derzeit räumlich getrennt. Bei einem Einsatz tragen sie sogenannte FFP2-Masken, „die bis zu 92 Prozent aller herumfliegenden Stoffe auffangen“, erklärt Bail. Zudem haben sie mittlerweile Schutzbrillen und Kittel. „Aber zu Beginn der Krise waren wir noch ungeschützt unterwegs.“ Im Rettungsdienst müsse es stets schnell gehen: „Anders als in einer Klinik, können wir einen Raum mit Patienten nicht planbar betreten.“ Im Rettungswagen einen Sicherheitsabstand einzuhalten, sei sowieso nicht möglich. Bei einem bestätigten Corona-Patienten versuche man, dass so wenig Personal Kontakt habe. „Die Sorge fährt immer mit“, sagt Bail.
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BRK: Mitarbeiter im Rettungswesen seien anderen pflegenden Berufen nicht gleich gestellt
Doch die Mitarbeiter im Rettungswesen seien den anderen Arbeitnehmern in pflegenden und helfenden Berufen noch immer nicht gleichgestellt, kritisiert Bail. So gelte zum Beispiel das Verpflegungsgeld, das das Innenministerium für Pfleger und Mitarbeiter von Krankenhäusern zur Verfügung stelle, nicht für den Rettungsdienst, kritisiert Bail und meint erzürnt: „Viele halten den Rettungsdienst für ein Liegetaxi mit Blaulicht. Was ja auch darin gipfelt, dass die Politik sich strikt weigert, den Rettungsdienst als Medizingewerbe statt als Transportgewerbe anzuerkennen.“
Bail hat zudem die Sorge, dass sich nach Ende der Corona-Pandemie noch weniger Menschen für einen pflegenden oder helfenden Beruf interessieren. „Jetzt ist es an der Zeit, etwas im System zu ändern“, sagt der 32-Jährige. Mit einer Einmalzahlung sei es nämlich nicht getan. Bail schlägt vor, dass zum Beispiel die Mitarbeiter des öffentlichen Gesundheitssystems freie Fürsorge vom Staat erhalten, denn: „Das würde bedeuten, dass jeder einzelne Mitarbeiter mehr Geld am Ende des Monats in der Tasche hat, da die Krankenkassenbeiträge wegfallen und keine Mehrkosten für die Arbeitergeber beziehungsweise Kostenträger entstehen.“
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Bad Tölz-Wolfratshausen: Einmalzahlung bringt „auf Dauer nichts“
In Sachen Einmalzahlung meldete sich am Dienstag auch Almut Büttner-Warga aus Kochel zu Wort. Sie engagiert sich als Schatzmeisterin im örtlichen VdK und arbeitete beruflich als Gewerkschaftssekretärin in München. Ein Thema, das ihr auf der Seele brennt, ist die Altersarmut von Frauen, vor allem in Berufen mit geringem Einkommen. Die 500 Euro, sagt Büttner-Warga, seien zwar „gut und schön“, aber für die Rentenkasse seien sie bedeutungslos. „Dabei ist das so wichtig, um die Zahl der Rentenpunkte zu erhöhen.“ Einmalzahlungen seien die Crux bei allen Tarifverhandlungen. „Das Geld hilft zwar im Moment, bringt aber auf Dauer nichts.“
Büttner-Warga verbreitet gerade ein E-Mail, in der eine Krankenschwester über ihre Situation berichtet, die Privatisierung von Krankenhäusern kritisiert, an die Solidarität der Bevölkerung appelliert und Gedanken an einen Streik hegt: „Stellt euch an unsere Seite und lasst uns gemeinsam für ein gutes Gesundheitssystem streiken.“
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