Nicht jeder scheint davon überzeugt zu sein, dass Bad Tölz eine Zukunft als Tourismus-Standort hat. Wie sehen Sie das?
Andrea Tien: Ich glaube nach wie vor daran, dass Bad Tölz eine hohe Anziehungskraft hat. Die Berge hier sind nicht so hoch, die Isar ist wahnsinnig schön, die Mentalität der Menschen ist liebenswert. Die Region ist einfach beliebt. Wir haben in unserem Ferienhaus in Wackersberg an die 400 Wochen verkauft, wir wissen, was die Gäste glücklich macht und inspiriert. Wir wissen auch, dass Bad Tölz viel mehr Gäste generieren könnte. Aber das Ferienhaus können wir immer nur einmal belegen, das hat uns zu dem Hotelprojekt auch motiviert.
Johannes Tien: Unser kleiner Vorteil ist vielleicht, dass wir nicht die Einheimischenbrille auf haben, sondern selbst vor Jahren hierher gezogen sind. Daher sehen wir mit anderen Augen, wie schön es hier ist und wie gut es einem hier gehen kann. Dazu gehört auch die tolle Gastronomie, die Wirtshauskultur, die das typisch Bayerische darstellt. Wir könnten uns daher auch eine hauseigene App für die Gäste vorstellen, mit den Wochenkarten der umgebenden Wirtschaften – wenn die Gastronomen mitmachen.
Einige Wortbeiträge vermitteln das Gefühl, man akzeptiere allenfalls Hotels, die im Stil Gabriel von Seidls erbaut werden. . .
Johannes Tien: Was Gabriel von Seidl gebaut hat, war zu seiner Zeit auch eine Revolution, und es gab ebenfalls kritische Stimmen. Kritik akzeptiere ich aber nur, wenn es einen besseren Gegenvorschlag gibt. Nichts ist beständiger als der Wandel. Der Anspruch der Gäste ist, hier etwas anderes geboten zu bekommen, als sie es andernorts finden können.
Und das wäre?
Johannes Tien: Unser Slogan lautet „Komm rauf, um runterzukommen“. Wenn man so will, transportieren wir das Thema Kur in die moderne Zeit. So, wie die Menschen früher in der Kur Erholung von der körperlichen Arbeit suchten, sind sie heute auf der Suche nach Entschleunigung und geistiger Entspannung. Ihnen wollen wir einen „Energie-Booster“ für Geist, Seele und Gehirn anbieten. Die Pandemie hat zuletzt gezeigt: Viele Menschen waren getrieben. Schnell zum Kurzurlaub in Barcelona, günstig hinfliegen, Fotos in den sozialen Medien posten und zurück. Dem setzen wir ein anderes Konzept entgegen, einen Ort, an dem man ein oder zwei Wochen bleibt und Erholung findet. Wir wollen nicht nur Betten verkaufen, sondern den Menschen auch etwas davon mitgeben, was wir hier an Natur haben. Mit dem Architektenbüro von Sebastian Beham gibt es dazu ein Super-Zusammenspiel, er geht extrem gut auf diese Philosophie ein – und das auch noch kostenbewusst.
Worin findet sich dieses Konzept konkret wieder?
Johannes Tien: Wir haben auf dieser Grundlage zum Beispiel die Planungen für unsere Nebenanlagen erweitert. Zum einen wird es ein Spa-Gebäude mit traditioneller Indoor-Sauna, Infrarot, Dampfbad und dergleichen geben. Das Haus ist in die umgebende Natur eingewoben. Dort befindet sich auch ein spezielles Gym, wo man ganz entspannt trainieren kann, mit Geräten aus Holz, bei denen die Widerstände nicht durch Hanteln, sondern durch Wasser hergestellt werden. Die etwas mutigeren Gäste finden im anschließenden Outdoor-Bereich ebenfalls Sauna, Außendusche, aber auch ein „Cenote“-Becken. Der Begriff „Cenote“ kommt eigentlich aus Mexiko – ich würde es lieber „Gumpn“ nennen, denn wir wollen damit die Anmutung der Gumpn aufgreifen, wie es sie im Sylvensteingebiet und in der Jachenau gibt. Neu in der Planung ist ein Garten- oder Saunahaus daneben, eine Oase für die Sinne, mit offenem Panoramablick sowohl in den Stadtwald als auch zu Benediktenwand, Blomberg und Buchberg. Es wird auch für Yoga-Gruppen oder Meditationsübungen zur Verfügung stehen. Urlaub, wie wir ihn neu interpretieren, wird ohne solche Elemente nicht auskommen.
Welche Zielgruppe sprechen Sie damit an?
Johannes Tien: Allgemein wollen wir ein breites Spektrum an Gästen ansprechen. Wir wünschen uns als Gäste Menschen, die Lust haben, sich etwas zu bewegen, die auch mal auf den Blomberg raufgehen, etwas Sport machen wollen, aber wegen der angespannten beruflichen Lage sonst nicht dazu kommen. Für dahingehende Angebote bin ich mit Profi-Sportlern in Kontakt. Wir zielen aber auch speziell auf das „MICE“-Segment ab. (Die Abkürzung MICE steht für „Meetings, Incentive, Congress und Events“, das heißt von Firmen durchgeführte Tagungen, Schulungen, Seminare, Belohnungsreisen für Mitarbeiter, Kongresse oder Zusammenkünfte mit Erlebnisfaktor, Anm. d. Red). Wir zielen auf das mittlere Führungsmanagement ab und wollen Tagungen ermöglichen, bei denen es nicht um das Abarbeiten von Handouts geht, sondern bei denen man Radltouren und Wanderungen unternimmt und sich später in entspannter Atmosphäre über die Unternehmensphilosophie unterhält. Das kann ein Riesensegment werden. Gut für uns ist es, wenn die beteiligten Mitarbeiter dann Lust bekommen, auch mal privat einen Urlaub mit ihrer Familie hier zu verbringen – nur eine Stunde von München entfernt und damit CO2-sparender als ein Kurztrip mit dem Flugzeug.
Andrea Tien: Wir wollen auch gerne Gäste nach Bad Tölz holen, die bisher an den Tegernsee fahren. Da gibt es bestimmt viele, die bei uns genauso glücklich wären, denn hier ist es eigentlich viel ruhiger und idyllischer, und trotzdem fehlt es an nichts.
Die Stadt Bad Tölz hat Sie mit einem städtebaulichen Vertrag auf einige Eckpunkte zur Gestaltung, zur Positionierung geplanter Chalets und zu Haftungsfragen festgelegt. Wie empfinden Sie das?
Johannes Tien: Mit der Skepsis kann ich gut leben. Alles, was ich sage, muss ich auch in schriftlicher Form unterzeichnen können. Die Bedenken, ich könnte die Chalets zu Zweitwohnsitzen umfunktionieren, entspringen einer Mentalität, die erst einmal das Negative unterstellt, statt neutral Pro und Contra abzuwägen. Es ist doch kaufmännisch überhaupt nicht sinnvoll, wenn ich ein Chalet dauerhaft für 1000 Euro im Monat vermiete, wenn ich mit Tourismus dort dasselbe Geld in drei Tagen einnehmen kann. Vom Begriff Chalets bin ich daher auch abgekommen, da er vergiftet war, und spreche lieber von Lodges. Und wenn behauptet wird, dass ich das Hotel bloß weiterverkaufen will: Ich investiere nicht Jahre meines Lebens und viel Geld in ein Projekt, von dem ich mich dann wieder verabschieden will. Wir lassen uns von solchen Stimmen nicht beeinflussen, sondern arbeiten lieber konzentriert weiter.
Wie ist denn Ihr Verhältnis zu den Nachbarn, die dem Hotel bekanntlich sehr kritisch gegenüberstehen?
Johannes Tien: Wir haben versucht, mit ihnen in Kommunikation zu treten, bekamen aber die Antwort, dies sei nicht gewünscht, man wolle lieber den Rechtsweg beschreiten. Da wir uns aber genau an das halten, was der Bebauungsplan vorgibt, haben wir in dieser Hinsicht keine Sorge.
Manche Kritiker hegen insgesamt Zweifel, dass Ihr Konzept unternehmerisch aufgeht und befürchten, dass eine Bauruine übrig bleibt.
Johannes Tien: Ich habe mir zum einen die Expertise von der Unternehmensberatung Treugast eingeholt, und zum anderen auf Messen, wann immer Hotelkonzepte vorgestellt wurden, mit offenen Ohren zugehört, was Experten gesagt haben. Zudem haben wir sehr gute Berater. Wir werden Fachleute engagieren und gute Mitarbeiter rekrutieren. Ein Junior-Hotelmanager wird sich bestimmt auf eine neue Herausforderung mit uns freuen. Am Ende des Tages müssen aber wir dahinterstehen und das Hotel unternehmerisch sinnvoll betreiben. Denn, das ist Fachmeinung, wir müssen authentisch sein und bleiben. Und da gehört es dazu, dass wir unser ausgefeiltes Konzept auch umsetzen und als Betreiber leben. Auch mussten wir bei der Sparkasse einen soliden Businessplan vorlegen und wissen, welche unternehmerischen Konzepte funktionieren und wie man Mitarbeiter führt. Ich habe ein Unternehmen mit 350 Mitarbeitern geleitet, kenne die unternehmerischen Herausforderungen und weiß auch, was man falsch machen kann. Sehr wichtig sind mir die fachlichen Impulse der Mitarbeiter, das ist es, was ein Unternehmen nach vorne bringt. Die Mitarbeiter sollen deswegen auch an den Erlösen partizipieren. Sie sind die Multiplikatoren und der Schlüssel zum Erfolg.
Nun könnte man sagen: Am Strasserhof in Wackersberg haben Sie Ihr Konzept am Ende auch nicht verwirklicht.
Johannes Tien: Dem entgegne ich: Warten Sie mal ab, am Ende der Strecke wird auch dort alles gut. In Wackersberg haben ein aktiver Gemeinderat und Bürgermeister Jan Göhzold die Vision, die der Kaufinteressent vorgestellt hat, einstimmig und komplett befürwortet. Der Strasserhof wird zu einem blühenden Anwesen werden.
Wie ist der Zeitplan zur Errichtung des Hotels auf der Wackersberger Höhe?
Johannes Tien: Wir sind bei der Vergabe der Erdarbeiten. Sobald das Landratsamt die Baugenehmigung erteilt, wollen wir gewappnet sein und nach Möglichkeit heuer im vierten Quartal mit den Erdarbeiten beginnen. Über den Winter könnten dann die Betonarbeiten vonstattengehen, sodass wir im Frühling mit dem Innenausbau beginnen könnten. Am Eröffnungstermin im Frühjahr 2023 halten wir fest – aber man muss sehen, welche Unwägbarkeiten kommen.
Bad-Tölz-Newsletter: Alles aus Ihrer Region! Unser brandneuer Bad-Tölz-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus der Region Bad Tölz – inklusive aller Neuigkeiten zur Corona-Krise in Ihrer Gemeinde. Melden Sie sich hier an.