Experten schlagen Alarm: Geschlossene Hundeschulen sorgen für tierische Probleme

Um in der Pandemie einen Begleiter zu haben, haben sich viele Menschen einen Hund – zugelegt. Was aber derzeit fehlt, ist die Möglichkeit, eine Hundeschule zu besuchen.
Bad Tölz-Wolfratshausen – „Derzeit erhalte ich fast täglich Anfragen von frisch gebackenen Hundebesitzern oder Kunden, die ihre Hunde aus dem Tierschutz bekommen haben“, sagt Marianne Völkl, Hundetrainerin aus Lenggries. Diese suchen beispielsweise verzweifelt Rat, wenn die Hunde in der Pubertät sind. Die liegt bei Hunden zwischen dem sechsten und zwölften Lebensmonat und ist eine sehr schwierige Phase, wie Völkl sagt. „Der Hund scheint in der Zeit alles vergessen zu haben, die Ohren sind auf Durchzug geschaltet.“ Ihren Kunden stehe sie telefonisch mit Rat, „aber eben nicht mit Tat“ zur Seite.
Hundetrainer „nehmen in der Gesellschaft eine wichtige Rolle ein“, sagt Hundetrainerin Diana Lischka aus Wolfratshausen. „Hunde sind sehr soziale Lebewesen und unterm Strich die Leidtragenden.“ Gerade für Erst-Hundebesitzer oder auch für Halter von Tierschutz- oder Problemhunden sei die Unterstützung enorm wichtig. „Fehlendes Training kann unter Umständen gravierende Folgen haben.“ Je weniger Erfahrung der Hundehalter mit sich bringe, desto größer seien die Risiken.
Erstes Lebensjahr ist ausschlaggebend für die weitere Entwicklung des Hundes
Normalerweise kommen Hunde zwischen der achten und zwölften Woche in die Hundeschule. Dort beginnt die Sozialisierungsphase, sagt Marianne Völkl. „Da lernen die Hunde bei uns den Kontakt zu anderen gleichaltrigen Tieren.“ Die Besitzer lernen liebevoll und konsequent Grenzen aufzuzeigen. Alle Fehler in dieser Zeit könnten ein Leben lang nachwirken.
Das sagt auch Stefanie Lang von Langen, Tierpsychologin und Verhaltenstrainerin aus Gaißach. „Das erste Lebensjahr ist ausschlaggebend für die weitere Entwicklung.“ Wenn es gut laufe mit viel Ruhe und Sozialisierung, dann habe man später einen entspannten Partner an der Seite. „Wenn das erste Jahr aber geprägt ist von Überforderung und Stress, dann kann es später zu Problemverhalten kommen.“ Laut Völkl könnten diese Probleme später Aggressionen sein in Situationen, die den Hund überfordern, sowie starke Verunsicherung und Angst vor neuen Situationen. Auch könne der Hund sich dann vielleicht schlecht mit anderen Hunden auseinandersetzen.
Hundetrainerin bietet digitale Begleitung beim Gassigehen an
Lang von Langen sieht ein weiteres Problem auf alle Hundetrainer zukommen, wenn der Lockdown vorbei ist. „Ganz viele Hunde werden Schwierigkeiten damit haben, alleine zu Hause zu bleiben.“ Durch Homeoffice, Schule zu Hause und Ausgangsbeschränkungen seien viele Menschen nun ständig zusammen mit den Tieren – das dürfte sich dann wieder ändern. „Ich rate daher allen meinen Kunden, dass sie auch jetzt das Haus mal für 15 Minuten verlassen.“
Dass viele Menschen sich in der Pandemie Hunde zugelegt haben, sei durchaus als positiv zu bewerten. „Vielen Leuten geht es dadurch besser, weil sie nicht alleine sind“, sagt Lang von Langen. „Sie kommen so besser durch die Krise.“
Neben telefonischer Hilfeleistung versucht sie auch digital Kontakt zu ihren Kunden zu halten. „Sie sind über eine Anlaufstelle sehr dankbar. Aber das ersetzt nicht den persönlichen Kontakt.“ Diana Lischka bietet Welpen- und Junghundebesitzern digitale Unterstützung an. Sie „begleitet“ ihre Kunden dabei virtuell auf Spaziergängen. „So können sie mich bei Fragen direkt kontaktieren.“
Grundsätzlich sei es für alle Betroffenen wichtig, dass sich ein Hundebesitzer Rat hole, sagt Lang von Langen: „Man sollte sich nicht scheuen, den Trainer des Vertrauens anzurufen und gemeinsam einen Fahrplan zu erstellen.“
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