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Kindergärten sollen Impfgegner beim Gesundheitsamt melden

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Von: Tobias Gmach

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Kinder-Impfungen sind bei jeder Vorsorge-Untersuchung Thema. Nun geht der Staat härter gegen Impfverweigerer vor.
Kinder-Impfungen sind bei jeder Vorsorge-Untersuchung Thema. Nun geht der Staat härter gegen Impfverweigerer vor. © dpa

Wer mit seinen Kindern nicht zur Impfberatung geht, wird beim Gesundheitsamt gemeldet – und zwar von der Leiterin des Kindergartens. Ein neues Gesetz droht mit Bußgeldern und lockert den Datenschutz. Aber führt es tatsächlich zu mehr Impfungen?

Bad Tölz-Wolfratshausen – Der Bundestag hat ein neues Gesetz beschlossen, der Bundesrat muss es noch absegnen. Im Wortlaut geht es um die „Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten“. Ein elektronisches Meldesystem soll aufgebaut werden – und unter anderem Kindergärten einbeziehen. Eltern, die sich einer Impfberatung für ihre Kinder verweigern, müssen künftig wohl mit Bußgeldern rechnen. Das Gesetz verpflichtet die Leiter von Kindertagesstätten dazu, das Gesundheitsamt einzuschalten, wenn kein Nachweis über eine Impfberatung vorliegt.

Man habe noch nie eine derartige Meldung von einem Kindergarten bekommen, heißt es im Tölzer Gesundheitsamt. Kein Wunder, denn bislang durften die Tagesstätten keine persönlichen Daten der Familien herausgeben. Das macht das neue Gesetz nun aber möglich.

„Gegen Dr. Google kommt man nicht an“

„Ich denke allerdings nicht, dass es etwas ändert“, sagt die Tölzer Kinderärztin Carolin Lang. Sie befürchtet, dass sich strikte Impfgegner nicht durch Bußgelder bekehren lassen. „Bei manchen ist das wie eine Religion. Die kannst du schwer überzeugen.“ Auch in Langs Praxis kommen hin und wieder Eltern, die der Vorsorge gegen Masern, Mumps oder Keuchhusten kritisch gegenüber stehen. Das liege oft am Internet-Halbwissen, wie es Lang nennt. „Gegen Dr. Google kommt man nicht an.“ Beim Blick in einschlägige Netzforen könne man meinen, man bekomme alle möglichen Krankheiten von einer Impfung. Die Ärztin, selbst Mutter zweier Kinder, stellt klar: „Wer nicht geimpft ist, gefährdet andere Kinder in der Tagesstätte.“

Jutta Michel leitet den Kindergarten der Diakonie Oberland in Geretsried-Stein. Sie sagt: „Ich nehme jedes Kind so, wie es ist“ – also auch, wenn gewisse Impfungen fehlen. Sie könne schließlich niemanden zwingen. Aber: „Ich möchte bei der Anmeldung Einsicht ins Impfbuch. Ich kann den Eltern nur raten, zum Arzt zu gehen und sich zu informieren.“

Eine Impfpflicht gibt es in Deutschland nicht, eine zur Impfberatung seit 2015 allerdings schon. Nach dem Infektionsschutzgesetz müssen Eltern der Kita bei der Erstaufnahme einen schriftlichen Nachweis über eine ärztliche Beratung vorlegen. Konkret geht es um einen Eintrag im „Gelben Heft“, das die Vorsorge bei Kleinkindern dokumentiert. Wer den Nachweis nicht erbringt, handelt ordnungswidrig. Das kann ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro nach sich ziehen. So steht es auch in einem Newsletter, den das bayerische Sozialministerium im Oktober 2016 an Kitas geschickt hat.

Das Gesundheitsamt kann Eltern zur Beratung laden

Die Konsequenzen blieben bislang allerdings aus. Erst mit dem neuen Gesetz soll das Gesundheitsamt die von den Kindergärten gemeldeten Impfverweigerer zur Beratung laden können. „Solche Termine gab es bisher nicht, aus Datenschutzgründen“, sagt Sabine Schmid, Sprecherin im Landratsamt. „Es hat ja niemand Namen gemeldet.“ Sie nennt die bislang geltende Regelung treffend einen „zahnlosen Tiger“.

Nun kriegt der Tiger Zähne. „Und was kommt nach dem Bußgeld? Sind die Kinder dann geimpft?“, fragt Jutta Michel provozierend. Die Kita-Leiterin bezweifelt, dass die Kontrolle zu mehr Impfungen führt. Sieglinde Bock, Leiterin der Kita in Lenggries, findet die Eltern schon jetzt „sehr pflichtbewusst“. Bei der Anmeldung bekämen sie das Infoblatt des Sozialministeriums in die Hand gedrückt. Man werde sich auf die neue Regelung einstellen müssen. Große Lust, ihre Kunden beim Gesundheitsamt zu melden, haben beide Leiterinnen nicht. „Ob Kinder geimpft werden oder nicht, ist Elternsache“, sagt Bock. Bei Masern oder anderen hochansteckenden Krankheiten müsse man aber natürlich dahinter sein. „Dann machen wir den Eltern klar, dass ihr Kind drei oder vier Wochen daheim bleiben muss.“

Ohne Impfberatungsnachweis ist die Kita-Anmeldung künftig also gleichbedeutend mit einer Info ans Gesundheitsamt. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), von dem der Gesetzesentwurf stammt, will so die hartnäckigen Verweigerer erreichen. „Eigentlich können das nur Leute sein, die überhaupt nicht zum Kinderarzt gehen“, sagt Ärztin Carolin Lang. Die Impfberatung sei Teil jeder der vielen Vorsorge-Untersuchungen im jungen Kindesalter. Alleine im ersten Lebensjahr gebe es sechs davon.

In Sachen Impfungen gibt es vor einem Flug in tropische Länder eine Menge zu beachten.

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