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ÖPNV im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen: Wo die größten Lücken klaffen

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Von: Veronika Ahn-Tauchnitz

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Mit dem Bus zum Wandern: Das ist im Landkreis möglich, aber schwierig - hier der Bergsteigerbus in die Eng. © RVO

Ein Experte hat den Ist-Zustand in Sachen ÖPNV im Landkreis untersucht. Dabei traten auch einige unerwartete Ergebnisse zu Tage.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Der Landkreis bastelt seit geraumer Zeit an einem neuen Nahverkehrsplan (NVP). Einen ersten Zwischenbericht, wo man steht, gab es in der jüngsten Sitzung des Kreis- Infrastrukturausschusses.

Der Nahverkehrsplan legt – ganz grob gesagt – fest, welche Standards und Ziele für den Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) im Landkreis gelten und wie diese erreicht werden sollen. Der aktuelle Plan stammt aus dem Jahr 1996. Geht alles glatt, soll der neue im Herbst 2020 beschlossen werden. Erstellt wird er von der MVV Consult GmbH. Matthias Breuel erläuterte, was bislang passiert ist und wie die weiteren Schritte aussehen.

Sachsenkam hat am meisten Autos pro Einwohner

Am Anfang stand die Datenerhebung, um den Ist-Zustand zu definieren, aber auch um Schwachstellen aufzuzeigen. Breuel hatte viele interessante Zahlen mitgebracht. Der Landkreis wird bis 2028 weiter wachsen. Die höchsten Zuwachsraten werden dabei mit 13,6 Prozent für die Stadt Bad Tölz prognostiziert. Überall im Kreis ist die Motorisierungsquote hoch. Einfach ausgedrückt: Sehr viele Menschen hier haben ein Auto. „Tatsächlich liegen wir hier sehr hoch“, sagt Landrat Josef Niedermaier. Mit 640 Autos pro 1000 Einwohnern hat Sachsenkam die höchste Quote im Landkreis, gefolgt von Greiling (639) und Wackersberg (635). Am niedrigsten ist die Quote in den drei Städten und in Gemeinden mit (S-)Bahnanschluss.

Breuel zeigte die wichtigsten Pendlerstrecken innerhalb des Landkreises auf. Im Süden gibt es die stärkste Verflechtung zwischen Lenggries und Tölz, im Norden zwischen den beiden Städten. Noch stärker ist allerdings die Pendlerverflechtung mit München. 8000 Menschen pendeln aus dem Landkreis dorthin aus, immerhin 1700 von dort ein. Auch in den Nachbarlandkreisen arbeiten natürlich Menschen aus dem Tölzer Land.

Nach 19 Uhr fahren in weiten Teilen des Landkreises keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr

Die interessanteste Zahl für Breuel: 3100 Pendler aus Bad Tölz-Wolfratshausen fahren nach Weilheim-Schongau. Ziel ist dort vor allem Penzberg mit seinem großen Arbeitgeber Roche.

Rein räumlich betrachtet sei die ÖPNV-Erschließung gar nicht so schlecht. 83,5 Prozent aller Adressen liegen innerhalb der Haltestelleneinzugsbereiche von Bus oder Bahn. Das Problem: „Der Wert sagt noch nichts darüber aus, ob der Bus da einmal hält oder alle 20 Minuten“, so Breuel. Nicht innerhalb der Einzugsbereiche liegen Teile von Ambach, Ammerland, Ascholding, Benediktbeuern oder auch Kochel.

Die Erreichbarkeit der Mittelzentren – die Städte und Lenggries – sei gut, sagte Breuel. Allerdings in erster Linie an Schultagen. „In den Ferien gibt es zum Teil eine deutliche Reduzierung des Angebots.“ Das sei problematisch, weil Berufstätige eben auch in den Schulferien pendeln müssen. Größere Defizite im ÖPNV bei der Erreichbarkeit der Mittelzentren sieht der Experte in Dietramszell, Egling und Sachsenkam.

Zum Wandern, Langlaufen oder Baden kommt man per ÖPNV nur schlecht

Anders ist die Lage abends nach 19 Uhr: Außer auf der Schiene und zwischen den drei Städten gibt es in weiten Teilen des Landkreises kein ÖPNV-Angebot mehr. Für Pendler, die länger arbeiten, sei der ÖPNV daher kaum nutzbar. Aber auch, wer aus einer Umlandgemeinde nach Tölz ins Kino will, hat Pech.

Defizite erkennt Breuel zudem bei der Erreichbarkeit der wichtigsten Freizeit- und Tourismusziele mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Hier gebe es beispielsweise bei der Anbindung der Bergbahnen Takt- und Angebotslücken. Die wichtigsten Badegebiete am Walchensee und am Starnberger See seien nicht oder kaum angebunden. Auch die ÖPNV-Anbindung von Wander- oder Langlaufzielen sei wenig attraktiv. Als Beispiele nannte Breuel die Jachenau und die Eng. „Da müssen sie schon ein glühender ÖPNV-Anhänger sein, um den Pkw stehen zu lassen.“

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Auch die Kundenzufriedenheit mit dem ÖPNV wurde abgefragt. Die sei etwas niedriger als im Durchschnitt aller MVV-Landkreise, so Breuel. Unterdurchschnittlich bewertet wurden beispielsweise die Verständlichkeit des Tarifsystems, Verbindungen und Anschlüsse und das MVV-Angebot am Wohnort.

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Im Juli wurden nun noch Fragebögen an die Gemeinden und die weiterführenden Schulen versandt. Der Rücklauf sei bislang gut, sagte Breuel. Von den Schulen wird zum Teil über fehlende Rückfahrmöglichkeiten am Nachmittag geklagt, aber auch über überfüllte und verspätete Busse.

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Als nächstes ist nun Anfang Oktober ein Workshop mit allen Gemeinden, Schulen, Verkehrsunternehmen und den Nachbarlandkreisen geplant. Ein Rahmenkonzept soll dann Ende November vorgestellt und beschlossen werden. Weitere Workshops schließen sich an, dann geht der NVP-Entwurf ins Anhörungsverfahren. Der Beschluss wird für September 2020 anvisiert.

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