Panoptikum der Volkskunst: Museum im Tölzer „Binderbräu“ soll 2022 eröffnen werden

Heuer soll es endlich so weit sein: Im zweiten und dritten Stock des Tölzer „Binderbräu“ soll ein alpenländisches Volkskundemuseum eröffnet werden.
Bad Tölz – Eigentlich ist der „Binderbräu“ für sich schon ein Unikat. Eine Gasthausbrauerei in Familienbesitz, deren Möblierung und originale Ausstattung den Besucher fast in historische Zeiten versetzt. Noch heuer soll neben Wirtschaft und Brauerei der dritte Traum wahr werden: ein alpenländisches Volkskundemuseum. Im zweiten und dritten Stock des Gasthauses an der Ludwigstraße werden auf 650 Quadratmetern Fläche die Sammlungen der Familie Weber und Binder gezeigt. Eröffnung soll auf jeden Fall noch heuer sein.
Auch die 400 Jahre alte Tölzer Kupferschmied-Dynastie Weber soll sich wiederfinden
„Es ist einfach so viel da“, sagt der 85-jährige Hans Weber und erzählt von einem Sammlerleben, das ihn im Laufe der Jahrzehnte mit zahlreichen volkskundlichen Spezialgebieten vertraut werden ließ. Auch die 400 Jahre alte Tölzer Kupferschmied-Dynastie Weber wird sich im Museum wiederfinden.

Schwiegersohn Andreas Binder (53) nennt noch einen zweiten Grund, warum man ein eigenes Museum einrichtet. „Wenn man es einem anderen Museum abgibt, dann verschwinden die Sachen oft im Depot.“ In Tölz haben die Museumsschöpfer die Hand darauf und können nach eigenem Gutdünken die Themenschwerpunkte setzen.
Nachgebautes gelbes Kutschenmodell der Thurn-und-Taxis-Post
Dazu kommt, dass die Familie außergewöhnlich vielseitig ist und handwerkliche Fähigkeiten besitzt. Binderbräu und Museumschef Andreas Binder war acht Jahre Stadtmuseumsleiter und ist zudem gelernter Steinmetz. Sein Schwiegervater Hans Weber hat als Gemälderestaurator gearbeitet. Sein Hobby: Flugmodelle. Was er kann, ist in der Postabteilung des Museums zu bewundern. Da steht ein nachgebautes gelbes Kutschenmodell der Thurn-und-Taxis-Post, das so detailgetreu ist, dass man vom Bock aus die Bremsen der Hinterräder bedienen kann. „So was kriegen Sie nicht“, ist sich der 85-Jährige sicher.
Auf staatliche Förderung verzichten die Museums-Schaffer
Dritter im Bunde der Bastler ist der seit Kurzem ins Leitungsteam aufgerückte Geschäftsführer des „Brau- und Volkskunsthauses“, Vincent Binder. Der 23-Jährige hat beim „Käfer“ Restaurantfachmann gelernt, ist ein „Holzwurm“ und hat eine eigene Schreinerwerkstatt, wie der Großvater schwärmt. Er fertigt zum Großteil das maßgeschneiderte Mobiliar. Zum Familienteam gehört natürlich auch Monika Weber-Binder, die fürs Büro und Personal zuständig ist. Beim Besuch der Museumsräume ist auch Rudi Kornbichler beim Werkeln zu sehen, der „gerne handwerklich arbeitet“ und Andreas Binder unter die Arme greift.
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Kann man einfach ein Museum machen? Gibt’s da Zuschüsse? Auf eine staatliche Förderung verzichten die Binder-Webers, um selbstständig agieren zu können. Aber selbstredend würden die Museumsstandards eingehalten, sagt Andreas Binder und berichtet von separaten Raumlüftungen, Wandheizungen und viel Museumstechnik. Brandschutz sei ein wichtiges Thema gewesen. Eingebaut wurden F-90-Decken und -Böden, das heißt, dass sie im Brandfall 90 Minuten feuerbeständig sind.
Ein Panoptikum der Volkskunst aus Bayern, Österreich, Südtirol und der Schweiz
Und: Fühlt man sich als Konkurrenz zum bestehenden Stadtmuseum in der Marktstraße? „Nein“, antwortet Binder, „ich denke, wir ergänzen uns eher.“ Schwiegervater Hans Weber erklärt das so, dass sich das Stadtmuseum mit dem Tölzer Heimatbereich befasse. „Wir sind eher im ganzen alpenländischen Bereich unterwegs.“ Tatsächlich wird das Museum ein Panoptikum der Volkskunst aus Bayern, Österreich, Südtirol und der Schweiz vereinen. Da sind etwa Abteilungen wie Gemälde, Keramik, Krippen, Hinterglas, Kopfbedeckungen, Glas, Hornarbeiten, Postwesen, Schuster und Kupferschmied aufzuzählen.
6000 Jahre Biergeschichte im Miniaturformat
Es gibt aber auch viele unerwartete und spektakuläre Ausstellungen. Zum Beispiel die Zinnfiguren-Sammlung von Peter Bach. Der Heilbronner hatte sich vorgenommen, 6000 Jahre Biergeschichte im Miniaturformat darzustellen. Bach starb 2017 im Alter von 94 Jahren. Genug Zeit also, 160 Dioramen, also Szenen, über den edlen Gerstensaft zu fertigen. 125 werden gezeigt, darunter auch die Darstellung eines Gehenkten, dem der Daumen abgeschnitten wird, um damit das Gebräu im Sudkessel zu verfeinern. Das Mittelalter lässt grüßen.
Auch dem Tölzer Rauchclub wird ein Denkmal gesetzt
Binder will einen Tabakladen nachbauen und auch dem einst sehr rührigen Tölzer Rauchclub Gemütlichkeit ein Denkmal setzen. Bis zu 1,40 Metern Länge haben die Pfeifen der Sammlung. Und erinnert wird an so nette Bräuche wie das Wettrauchen, bei denen die Zeit gemessen wurde, wie lange die Zigarrenasche nicht abfällt. Getrickst wurde, erzählt Binder schmunzelnd, indem vorher ein Stückl Draht in die Zigarre geschoben wurde.
Auch eher ungewöhnliche Ausstellungsthemen sind die „Wirtshausspiele“ (es gibt einen alten Holz-Flipper zu sehen) oder „Tölzer Souvenirs“. Wer weiß schon, dass Tölz einst nicht nur mit vielen Postkartenmotiven (auch ein Ausstellungsthema) für sich warb, sondern auch mit einer mit Farbbild bedruckten Schallplatte?
Die Kombination von Wirtshaus, Brauerei und Museum ist außergewöhnlich
Die historischen Stücke werden im Museum gezeigt. Im Museumsladen wird man Volkskunst und solche, die es werden will, auch käuflich erwerben können.
Wird das Volkskundemuseum in Tölz funktionieren? Andreas Binder ist fest überzeugt. Die Mischung macht’s. Die Kombination von Wirtshaus, Brauerei und Museum sei außergewöhnlich. Und so hat er auch schon zahlreiche Anfragen von Busunternehmen, die das „Tölzer Brau- und Volkskunsthaus“ in ihr Reiseprogramm aufnehmen wollen. (cs)
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