Stadtpfarrer von Bad Tölz im Gespräch mit Opfern: „Kinderseelen sind das Kostbarste“

In der Geschichte des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche spielt auch Bad Tölz eine Rolle. Daran wurde erinnert, als Betroffene hier auf einer Pilger-Radtour Station machten.
Bad Tölz – Die Tölzer Kirchenglocken, die noch vor dem Kommuniongottesdienst am Sonntag läuteten, sollen bis in Rom gehört werden. Vor der Stadtpfarrkirche segnete Pfarrer Peter Demmelmair um halb neun morgens die Teilnehmer der Pilgerradtour von Opfern sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche. Bad Tölz war eine Station auf der Tour nach Rom, die die 15 Betroffenen gemeinsam mit Familie und Freunden unternehmen.
Wegen Missbrauchs vorbestrafter Pfarrer wirkte zwei Jahre in Bad Tölz
Organisator Richard Kick, Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum München und Freising, wollte von Demmelmair eine ganz persönliche Stellungnahme hören über den kirchlichen Umgang mit Missbrauchsopfern. Der Tölzer Geistliche berichtete von den Nachforschungen vor Ort zusammen mit dem Pfarrgemeinderat über die zweijährige Anwesenheit von Pfarrer Peter H. Der wegen sexuellen Missbrauchs vorbestrafte Geistliche war von 2008 bis 2010 in Bad Tölz tätig. „Missbrauch hat es hier nicht gegeben“, berichtete Demmelmair. Allerdings sei ihm erzählt worden, dass der ehemalige Kleriker durchaus wieder Gottesdienste mit Kindern besucht habe, obwohl es ihm untersagt worden war. Demmelmair erklärte: „Ich will, dass Missbrauch aufhört, überall, aber ganz besonders in der Kirche. Wir, unsere gesamte Kirchengemeinde, leiden mit Euch. Kinderseelen sind das Kostbarste in unserer Gesellschaft. Eure Fahrt ist nicht nur für die Kirche, sondern Ihr macht dieses Thema überall bekannt.“
Kick dankte dem Geistlichen für diese Worte. Gespräche wie diese würden ihnen Rückenwind für die Pilgerreise geben. Kardinäle und Bischöfe seien dazu nicht fähig. „Durch unsere Fahrt wollen wir aufrütteln und Opfer ermutigen.“
Pilgertour: Segen für Missbrauchs-Opfer in Bad Tölz
Seinen Schritt in die Öffentlichkeit hatte Kick zuerst mit seiner Frau und seinem Sohn besprochen, die ihn immer unterstützten. Während er am Sonntag sprach oder betete, weinte Kick manchmal. „Ich schäme mich nicht mehr deswegen“, sagte er gefasst. Sein Engagement gebe ihm Kraft. In Italien, sagt Kick, sei die Scham, Täter zu benennen, noch sehr groß. „In Bozen werden wir wahrscheinlich nur zwei Betroffenen begegnen“, meinte er. Dort trifft die Pilgergruppe auf den Münchner Kardinal Reinhard Marx. BR und ZDF, die die Reise medial begleiten, werden die Begegnung im Bild festhalten.
Ein Begleiter der Pilgerradtour ist Dekan Kilian Semel. Er wurde, wie er berichtet, im Alter von 9 bis 13 Jahren von seinem Heimatpfarrer im Saarland missbraucht. Nun leitet er die Stabsstelle für Seelsorge für Missbrauchsbetroffene im Erzbistum München und Freising. „Auf der Etappe München-Schäftlarn waren wir 60 Radler“, berichtete er. Stadtpfarrer Demmelmair gab den Pilgern seinen Segen und schenkte ihnen Franziskus-Kreuze. Mit dem erwähnten Kirchengeläut verabschiedete er sie in Richtung Vatikan.
Sendetermin: Der BR sendet seinen Beitrag am Mittwoch, 24. Mai, um 19 Uhr in der Reihe „Stationen“.
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Von Birgit Botzenhart