Tölzer Standesbeamter über Eheschließungen im Wandel der Zeit

Der Tölzer Standesbeamte Wolfgang Steger erklärt im Kurier-Interview, was sich bei Hochzeiten alles verändert hat und spricht auch über Schnapszahl-Trauungsdaten, wie beispielsweise den 22.2.2022.
Bad Tölz – Der schönste Tag im Leben soll die Hochzeit sein. Und damit diesen auch keiner vergisst – im Zweifel wird das ja den Männern unterstellt – suchen sich heiratswillige Paare gern ein besonderes Datum aus. So wie den jetzt anstehenden 22.2.22. Aber ist das auch eine gute Idee? Wissenschaftler der Universität Melbourne haben nach Angaben der Deutschen Presseagentur nämlich im Jahr 2016 die Ehe- und Scheidungsregister in den Niederlanden über einen Zeitraum von 14 Jahren vergleichen. Das Ergebnis: Ehen, die an einem speziellen Tag geschlossen wurden, hatten ein deutlich höheres Scheidungsrisiko. Die Gefahr, dass die Ehe in die Brüche geht, war elf Prozent höher, wenn die Hochzeit am Valentinstag stattgefunden hatte. Und ein Scheitern war sogar um 18 Prozent wahrscheinlicher, wenn der vermeintliche Bund fürs Leben an einem Tag mit einer Schnapszahl, wie der 9.9.1999 geschlossen wurde. Ob das auch in Bad Tölz so ist, warum das Heiraten in der Kurstadt so beliebt ist und was sich in den vergangenen Jahren bei Eheschließungen geändert hat, wollte der Tölzer Kurier vom Leiter des Tölzer Standesamtes, Wolfgang Steger, wissen. Er ist selbst seit 22 Jahren verheiratet.
Herr Steger. Wie viele Paare haben Sie denn mittlerweile schon verheiratet?
Bis 12. Februar waren es 1659 Eheschließungen. Standesbeamter in Bad Tölz bin ich jetzt seit 2002.
Und können Sie die Statistiken bestätigen: Werden Paare, die an Schnapszahl-Daten heiratet, öfter geschieden?
Nein, für Bad Tölz kann ich das gar nicht bestätigen und ich bekomme auch jede Scheidung mit. Am 12.12.12 heirateten beispielsweise sechs Paare, zwei davon sind mittlerweile geschieden. Am 10.10.10 hatten wir gar keine Eheschließung und am 9.9.2009 war es eine.
Wie viele Paare geben sich hier am 22.2.22 das Ja-Wort?
Da sind es drei in Bad Tölz und eins in Bad Heilbrunn.
Kam es schon vor, dass es sich Paare kurz vorher noch mal anders überlegt haben? Also wurden Sie schon mal versetzt?
Ja, das ist mir tatsächlich mal passiert. Ich hab eine Stunde gewartet und niemand kam. Also offenbar wurden alle informiert – außer ich. Und eine Woche vorher war die Braut noch da und es schien alles in Ordnung.
Drei Hochzeiten am 22.2.2022
Aber Braut oder Bräutigam wurden noch nicht versetzt?
Nein, zum Glück nicht. Aber es ist auch schlimm, wenn der Bräutigam lange auf seine Zukünftige warten muss.
Was machen Sie dann?
Ich versuche, den Bräutigam und die ganze Gesellschaft herunterzubringen, wie ich es generell immer mache. Wichtig ist mir auch immer: Ich nehme mir sehr viel Zeit für die Paare, vorher und nachher und währenddessen. Bei mir geht bei Trauungen ein Schalter um und ich bin ganz da. Ich rede auch frei, auf die Paare abgestimmt, und lese nicht ab. Ich mache das mit Freude, nehme Anteil – und das merken die Paare. Für sie ist das einer der wichtigsten Tage im Leben, das darf man als Standesbeamter nie vergessen.
Ist das auch ein Grund, warum in Bad Tölz so gerne geheiratet wird?
Auch. Tölz ist eine Hochzeitsstadt, das zeigt die Nachfrage. Die Samstage sind zum Beispiel bis November schon ausgebucht. Bei uns gilt: Klasse statt Masse – und das spricht sich herum. Zeit ist in Bad Tölz das A und O. Es darf ja jeder in Tölz heiraten, auch viele Münchner kommen zu uns. Aber das bin natürlich nicht nur ich, wir haben ein hervorragendes Team hier und der Stadtrat unterstützt uns auch bei allen Anliegen. Die Stadt mit ihren Möglichkeiten ist ideal.
Welche sind das?
Neben dem Rathaus können sich Paare im Kurhaus, im Historischen Sitzungssaal und im Tölzer Planetarium trauen lassen, gerade, wenn die Gesellschaften größer sind.
Auf der grünen Wiese geht nicht?
Nein. Eine Eheschließung muss im ordnungsgemäßen Rahmen stattfinden und eine Wiese zählt nicht dazu.
Werden die standesamtlichen Hochzeiten denn immer größer?
Ja, das hat sich gewandelt. Früher wurde die standesamtliche Trauung nicht so hoch gestellt, es war eben der bürokratische Akt, den man vor der Kirche noch im kleinen Kreis gemacht hat.
Und jetzt?
Ersetzt das Standesamt oft die Kirche. Es sind große Gesellschaften zum Beispiel im Kurhaus, der Vater führt die Braut zum Bräutigam und es wird auch ganz oft Musik gespielt. Die Klassiker sind „Bergwerk“ von Rainhard Fendrich und das „Halleluja“ von Leonard Cohen.
Welche Musik empfehlen Sie?
Am Schönsten ist es natürlich, wenn aus der Familie jemand selbst musizieren kann. Einer meiner emotionalsten Momente war, als die Tochter des Bräutigams das „Halleluja“ gesungen hat. Da waren alle geflasht (Anm. d. Red. auf deutsch in etwa: begeistert), wie man heute so schön sagt. Wenn man niemanden in der Familie hat, erzeugt auch Live-Musik viele Emotionen. Und das ist ja das Wichtigste bei einer Hochzeit: Die Stimmung. Wir müssen die richtige Stimmung erzeugen.
Man braucht keine Trauzeugen mehr
Der Trend geht ja auch zum eher später heiraten, oder?
Ja, absolut. Mittlerweile sind die meisten Paare zwischen 30 und 40, früher war es eher Mitte 20. Manche geben sich auch im Alter noch das Ja-Wort, einige um abgesichert zu sein. Und natürlich verheiraten wir alle Paare, die die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen.
Was hat sich noch geändert?
Heutzutage braucht man zum Beispiel auch keine Trauzeugen mehr, manche Paare kommen nur zu zweit. Früher musste man dann noch irgendjemand aus dem Rathaus suchen als Trauzeuge, das gibt es jetzt nicht mehr. Und heute haben auch manche keine Ringe mehr, sondern gar nichts oder Fußkettchen oder so etwas. Und natürlich ist auch das Namensrecht im Wandel. Zwar nimmt immer noch der Großteil den Namen des Mannes an, aber auch das Selbstverständnis vieler Männer hat sich gewandelt. Heute sind Doppelnamen möglich und Männer, die keinen Bezug zu ihrem Geburtsnamen haben, nehmen auch den der Frau an. Dabei gilt: Nur der Ehegatte, dessen Name nicht Ehename wird, kann nach deutschem Recht einen Doppelnamen bilden. Er kann seinen Namen, den er zum Zeitpunkt der Erklärung führt, oder seinen Geburtsnamen dem gemeinsamen Ehenamen voranstellen oder anfügen.
Haben Sie denn auch schon Menschen zwei Mal verheiratet?
Ja, das war ganz lustig. Ich hatte ein Jahr, in dem habe ich gleich drei Frauen etwa sechs, sieben Jahre nach der ersten Hochzeit mit jeweils anderen Männern zum zweiten Mal getraut.
Haben durch Corona manche die Lust aufs Heiraten verloren?
Nein, hier nicht. Klar, es wurden Hochzeiten verschoben, aber es waren nicht weniger. So gaben sich im Jahr 2019 in Tölz 218 Paare das Ja-Wort – davon 119 auswärtige Paare, 2020 waren es 208 – davon 112 Auswärtige – und 2021 wurden 209 Ehen (105 Auswärtige) geschlossen.
Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade Paare verheiraten?
Hochzeiten sind ja das Schöne an dem Beruf. Ich habe zum Beispiel auch viel mit internationalem Privatrecht und ausländischen Familienrechten zu tun. Ich muss etwa beurteilen, ob die Ehe von Paaren, die in Las Vegas oder in der Karibik geheiratet haben, auch hier Gültigkeit hat.
„Stellt die Beziehung auf eine andere Ebene“
Und zum Schluss: Warum sollten Menschen auch heute noch heiraten?
Grundsätzlich gilt: Heiraten wirklich nur, wenn beide das wollen. Natürlich gibt es die unromantische Seite, dass man einfach rechtlich abgesichert ist und es erleichtert vieles, etwa beim Hauskauf oder im Krankheitsfall. Aber es ist auch einfach etwas Besonderes. Es stellt die Beziehung auf eine andere Ebene. Es ist ein Geschenk, das man sich gegenseitig gibt. Man merkt einfach, dass man richtig zusammengehört.
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