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Der Holzwurmflüsterer aus Benediktbeuern

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© „Man hört ihn schmatzen.“ Mit dem Lauschgerät arbeiten normalerweise Installateure. Man hört aber auch den Holzwurm bei der Arbeit, sagt Stephan Biebl.

Kammerjäger mag er nicht genannt werden, er sei Schädlingsbekämpfer. Stephan Biebl aus Benediktbeuern ist aber ohnehin seit einigen Jahren eher als Sachverständiger unterwegs und berät weltweit Museen und Schlösser bei der Schädlingsbekämpfung.

Benediktbeuern – Das sind wahre Freunde: Sie schenken einem ein sauber gearbeitetes Holzkästchen, unter dessen Glasscheibe sich drei Holzwürmer an einem Holzblock verlustieren. „Einer ist schon abgehauen“, sagt Stephan Biebl grinsend und betrachtet einen der verbliebenen Hylotrupes bajulus, den Hausbock, bei der Arbeit. Das Präsent bekam der „Holzwurmflüsterer“, wie er sich auf seiner Homepage nennt, von Kollegen aus Sachsen. Man kennt sich in der Branche. Stephan Biebl ist Schädlingsbekämpfer. Die Bezeichnung Kammerjäger sei veraltet, sagt der Benediktbeurer.

Ratten, Wanzen, Flöhe, Läuse, denkt man, wenn einst vom Schädlingsbekämpfer die Rede war. Gibt es alles noch. „Mäuse, Ratten, Schaben sind heute die Global Player“, antwortet er auf die Frage, was im Jahr 2020 vor allem zu bekämpfen ist.

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Kleines Geschenk unter Kollegen: Ein Kistchen mit Sichtscheibe, unter dem ein Holzbock sich an einer dicken Scheibe Holz gütlich tut. © cs-press

Dieser Bereich seiner Arbeit macht für den der 49-Jährigen schon seit zwölf Jahren nur mehr 10 bis 20 Prozent seiner Arbeit aus. Der eigentliche Job von Biebl ist ein anderer geworden. Der selbstständige Unternehmer ist nämlich Holzschutzsachverständiger und gehört damit einem illustren Kreis von nur rund 100 Experten in Deutschland an.

Biebl bringt beste Voraussetzungen mit. Er hat sechs Jahre in Rosenheim Holztechnik studiert und wollte eigentlich Zimmerer werden. Nun, die Liebe zum Material kann er auch als Experte für Holzbefall durch Schädlinge ausleben. Große Museen und Schlösser rufen ihn zu Hilfe, wenn sich Holzwürmer, Motten, Käfer und Papierfischchen über historische und kostbare Ausstellungsstücke hermachen. „Da gehöre ich inzwischen fast zur Familie“, berichtet Biebl über die vertraute Beziehung zu seinen Kunden. Die sitzen in den Ludwig-Schlössern, in Kirchen oder in den größten Museen Deutschlands. Jüngst wurde er zum Beispiel ins Germanische Nationalmuseum in Nürnberg gerufen. Der Loisachtaler schätzt, dass im Nachhinein 30 Zeitungen, Radio- und Fernsehsender über diesen Einsatz gegen Schädlingsbefall berichteten. Werbung für seine Firma brauche er gar nicht mehr zu machen. „Das geht alles über Mundpropaganda.“

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Was ist so besonders an seinem Wissen? Biebl ist studierter Holztechniker und hat die Ausbildung zum Schädlingsbekämpfer. Er selbst sagt aber, dass „viel interdisziplinäre Erfahrung“ bei der Arbeit mitspielt. Ein bisschen sei er auch Restaurator, Statiker, Schreiner, Architekt und Bauphysiker, wenn er seinen Kunden Sanierungsvorschläge unterbreite. 

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Der gefürchtete Hausschwamm: „Da kann man schon was machen“, sagt der Holzsachverständige entgegen der landläufigen Meinung. © Biebl

Biebl nennt das Beispiel Hausschwamm, das Besitzern einer Immobilie schlaflose Nächte bescheren kann. Kein Wunder, meint Biebl. „Da musst gleich abreißen“, sei immer noch ein gängiger Rat von Zimmerern oder von Internet-Ratgebern. Der Experte sieht es anders: „Nicht einfach, aber man kann was machen. Trockenlegen zum Beispiel.“ Immerhin staunt er auch noch über einen Fall, den er erlebte, wo sich der Pilz sogar durch eine Betonmauer hindurchfraß.

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Gibt es denn etwas, was wirklich schwer zu bekämpfen ist? Biebl nickt. „Die Kleidermotte.“ Die lege extrem viele Eier. Einen im Wortsinn schweren Einsatz hatte er vor einigen Jahren in Wien, als er einen von einem Schädling befallenen Zugwaggon in 400 Quadratmeter Silberfolie einpackte und dann den Sauerstoff entzog. Fürs Einpacken musste der tonnenschwere Waggon mit Wagenhebern ein paar Millimeter angehoben werden.

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Sein Einsatzgebiet ist inzwischen in vielen Ländern Europas. Sogar ins ferne Brasilien wurde Biebl schon gerufen, um in Sao Paulo 220 000 Bücher einer Bibliothek mit Stickstoff zu behandeln und damit zu retten. In Stockholm hat er 2019 einen Vortrag vor Experten über Schädlinge gehalten. Die Fachleute sind weltweit gut vernetzt. Gibt es einen Problemfall, wird ein Foto in die Internet-Community gestellt. „Irgendeinem fällt dann schon was ein dazu.“ Per Videokonferenz hat der Benediktbeurer auch schon dem Schweizer Alpenclub versucht zu helfen, als der mit dem Bettwanzenproblem auf seinen Hütten kämpfte. „Bettwanzen sind ein Riesenthema“, sagt Biebl und hat einen guten Ratschlag für alle Globetrotter und Vielreisenden parat: „In jedem Hotel erstmals im Kopfbereich unter die Matratze schauen. Da sind sie gerne.“

Nicht alles sind Spezialeinsätze, erzählt er. Manchmal ruft ihn seine Frau zu Hilfe, um im alten Hof der Familie eine gar zu vorwitzige Ameisenkolonie zu verjagen. „Dann muss natürlich ich ran“, sagt Stephan Biebl und grinst.

Von Christoph Schnitzer

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