Bichler Fotograf Olaf Otto Becker: Fotokunst mit politischer Botschaft

Olaf Otto Becker zeigt in seinen weltweit gefragten und prämierten Fotos die Auswirkungen der menschlichen Eingriffe in die Natur. Sein Credo: Ohne Bewusstsein keine Veränderung. Ein Besuch in seinem Tölzer Atelier, das er im vergangenen Jahr bezogen hat.
Bad Tölz/Bichl – „Es ist ein Fakt, dass unser Planet überbevölkert ist. Dadurch werden immer mehr zuvor unberührte Lebensräume wie die Urwälder zerstört“, sagt Olaf Otto Becker. Der 1959 in Lübeck-Travemünde geborene Fotograf, der schon als Kleinkind aufgrund einer beruflichen Neuorientierung des Vaters nach Oberbayern kam, studierte von 1981 bis 1986 Kommunikationsdesign in Augsburg und danach Philosophie und Religionswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Eigentlich wollte ich ja Malerei studieren“, gesteht Becker. „Aber eine künstlerische Tätigkeit sollte nicht dem Broterwerb dienen müssen, denn damit verliert sie ihre Freiheit.“
Becker: „Eine künstlerische Tätigkeit sollte nicht dem Broterwerb dienen müssen.“
Dieser Überzeugung gemäß arbeitete Becker zunächst als Kommunikationsdesigner und verlegte seine künstlerische Aktivität „ins Private“. In der freien Natur zu fotografieren war ihm der notwendige Ausgleich zur Tätigkeit im Büro, wo er die interne Kommunikation großer Firmen steuerte. Über den Bildband „Norddeutsche Agrarlandschaften“ von Heinrich Riebesehl entdeckte er die Faszination einer Fotografie, die nachzeichnet, welche Auswirkungen das Handeln des Menschen auf die Landschaft hat. „Was Riebesehl da im Norden aufgezeigt hatte, wollte ich im Süden nachempfinden: die Spuren der Nutzung im Bild festhalten.“
Als Becker bald darauf nach Island reiste auf der Suche nach „Urlandschaften“, entdeckte er stattdessen gravierende Eingriffe in die Natur, etwa durch den Bau von Kraftwerken. Er beschloss, diese Veränderungen im Bild zu dokumentieren. „1999 habe ich damit begonnen und die Arbeit an dieser Serie ‚Under the Nordic Light’ bis heute kontinuierlich fortgesetzt. Damals habe ich Gletscher fotografiert, die nach wenigen Jahren schon deutlich dezimiert waren“, erzählt er. „Da habe ich auch zum ersten Mal von der Klimaerwärmung gehört.“
Auswirkungen des Klimawandels als Ansporn
Und da deren Auswirkungen an den Gletschern deutlich sichtbar wurden, reifte sein Entschluss: „Dem will ich weiter nachgehen.“ Damit hatte Becker sein Lebensthema gefunden. Mit einem Schlauchboot fuhr er in Etappen über 4000 Kilometer an der grönländischen Küste entlang. Ihren Niederschlag fand diese Recherche im Bildband „Broken Line“. Eine Galerie in New York wurde auf seine Fotos aufmerksam. Eine viel beachtete Ausstellung dort brachte seiner Arbeit die Resonanz, die es ihm ab 2005 ermöglichte, sich ganz auf das Fotografieren zu verlegen, ohne seine Ziele und Ideale verleugnen zu müssen. „Auf New York folgte eine Ausstellung in Los Angeles. Und von da an haben sich meine Bilder wie geschnitten Brot verkauft“, resümiert Becker. „Ein angesagter Fotograf kann für ein großformatiges Bild bis zu 20 000 Dollar verlangen, für kleinere 4000 bis 7000. Meine Arbeiten finden sich in Galerien in Amerika, in London, Amsterdam, Salzburg oder Istanbul.“ Daneben arbeitet Becker für renommierte Medien wie das New York Times Magazine. Auf weiteren Fotoreisen hat er sich zum Teil Forschungsexpeditionen angeschlossen, zum einen aus logistischen Gründen, zum anderen, weil er auch Gebiete bereiste, in die er als Privatperson gar nicht hätte gelangen können. Für sein Projekt „Above Zero“ wanderte Becker über das Inlandeis Grönlands und fotografierte einige der unzähligen Gletscherbäche und -flüsse, die ihren Weg durch die Eisreliefs nehmen.
„Reading the Landscape“, entstanden von 2008 bis 2014, widmet sich den tropischen Regenwäldern. Zunächst fotografierte er den erhaltenen Urwald, zum Beispiel in Malaysia oder Indonesien, darauf zeigte er die Zerstörung des Regenwaldes, Stoppel- und Palmöl-Felder gigantischen Ausmaßes, etwa auf Borneo und Sumatra. „Veränderung gehört zum Leben dazu, sie hat es immer gegeben. Aber in den letzten Jahrzehnten hat der Mensch zunehmend in diese Abläufe eingegriffen und Veränderungen in größerem Ausmaß und in kürzerer Zeit verursacht, als sie in der Natur üblich waren“, erklärt Becker. „Ich will mit meinen Bildern niemanden anklagen, sondern Denkanstöße geben. Die Menschheit ist dabei, ihre Lebensräume zu zerstören. Dieses Bewusstsein möchte ich mit meiner Arbeit befördern. Denn nur dann kann Veränderung stattfinden.“
Und dabei sei es unabdingbar, auf die Stimme der Wissenschaft zu hören. „Was uns Politiker oder Religionsführer erzählen – da ist Misstrauen schon mal angebracht. Aber warum sollten sich Forscher weltweit verbünden, um uns zu täuschen? Wir brauchen diese Experten, auf die wir uns verlassen können. Und müssen“, ist Becker überzeugt. Und jedes Mal, wenn jemand eines seiner Bilder betrachte, sei es der Besucher im Museum oder der Kunstsammler zuhause, werde dieser Mensch an die Zusammenhänge erinnert. Damit möchte er als Künstler Teil der großen Kommunikation sein, die es braucht, um Einsichten zu wecken und Veränderung zu bewirken. „In den letzten 20 Jahren ist ja schon viel passiert. Aber es sind immer noch viele, viele Anstöße nötig, um alle Menschen zu erreichen“, bekräftigt Becker.
„Will Denkanstöße mit meinen Bildern geben“
Seinen Umzug 2020 aus München nach Bad Tölz in ein wunderbares Atelier, das er sich in der Landeshauptstadt „so nie hätte leisten können“, empfindet der Fotograf, der mit seiner Frau in Bichl lebt, als Glücksfall. „Die umgebende Landschaft ist wunderschön und mir tut das Landleben einfach gut. Im Kocheler Moos sind tatsächlich noch unberührte Landschaften ganz ohne Wanderwege zu finden. Außerdem hat die Region ja immer schon viele Künstler angezogen, nicht nur Maler, sondern etwa auch Thomas Mann – der wie ich aus Lübeck stammt“, sagt Becker. „Und die Kommunikation in die Welt hinaus ist dank Internet ja von überall aus möglich. Also ich fühle mich einfach wohl hier…“ (Sabine Näher)
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