Ein Besuch auf der B472-Baustelle: „Keine einfache Geschichte“

Es ist ein riesiges Straßenbauprojekt - mit erheblichen Auswirkungen auf den Verkehr. Der Tölzer Kurier machte sich vor Ort ein Bild, was bei der laufenden Sanierung der Bundesstraße 472 zwischen Sindelsdorf und Bichl vor sich geht.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Etwas argwöhnisch beäugen viele die Absperrungen auf der B 472. Weder von der Sindelsdorfer noch von der Untersteinbacher Seite aus ist irgendwas von einer Großbaustelle zu sehen. Nötig sind die Absperrungen der Bundesstraße an diesen Stellen trotzdem. Nur so sei eine sinnvolle Umleitung der Verkehrsströme möglich, sagt Martin Herda, zuständiger Abteilungsleiter am Staatlichen Bauamt Weilheim. Und nur so gibt es ausreichend Raum, um Material zu lagern und um den großen Baumaschinen und zahlreichen Lastwagen Platz zum Manövrieren zu bieten. Denn etwas entfernt von den Absperrungen herrscht reger Baubetrieb.
Die größte Baustelle befindet sich an der Abzweigung der B 11 von der B 472 westlich von Bichl. Dort entstehen unter anderem Aus- und Einfädelspuren für die jeweiligen Rechtsabbieger. Das soll dafür sorgen, dass der Verkehr gleichmäßiger fließt und nicht ins Stocken kommt, wenn jemand abbiegen will. Fast ein kompletter Fahrstreifen der B 472 ist bereits abgetragen. Gut sind die verschiedenen Schichten im Untergrund zu erkennen. Torf ist das beherrschende Material. Und genau der ist auch dafür verantwortlich, dass sich die Straße in den vergangenen zwei Jahrzehnten an vielen Stellen gesenkt hat. Bis zu 80 Zentimeter betrage der Höhenunterschied an manchen Stellen, erklärt Herda. Das kann man auch an der Überführung über die B 472 an dieser Stelle sehen. „Die Brücke selbst ist tiefgegründet. Die senkt sich nicht. Aber der Damm.“ Und damit auch der Weg, der auf diesem Damm entlangführt.

Direkt vor der Brücke ist eine deutliche Mulde zu erkennen. Genau diese Mulden kennen auch Autofahrer, die auf der B 472 unterwegs waren. Tempo 70 galt zuletzt in allen Bereichen mit extremem „Wellenprofil“. Nach der Komplettsanierung des etwa neun Kilometer langen Teilstücks dürften diese Geschwindigkeitsbegrenzungen der Vergangenheit angehören. Allerdings könne man auch für die Zukunft Senkungen nicht ausschließen, betont Martin Glück vom Staatlichen Bauamt. „Das hier ist keine einfache Geschichte. Wir reden hier von einer 30 bis 40 Meter dicken Torfschicht.“ Das sind 30 bis 40 Meter, die sich bewegen und niemals komplett stabilisiert werden können. Es werde „wirtschaftlich sinnvoll saniert“, betont Glück. Dazu wurden im Vorfeld Gutachten angefertigt, die genau benennen, was notwendig ist – und am Ende auch noch bezahlbar: Rund 4,2 Millionen Euro kostet die Sanierung. „Es kann aber sein, dass wir in 10, 15 Jahren nachbessern müssen“, sagt Glück.
Tempo 70 fällt nach der Sanierung weg
Stabilisiert wird der Untergrund natürlich trotzdem. Gerade hier im Einmündungsbereich westlich von Bichl gibt es einen komplett neuen Unterbau. Schroppen – also grobe Steine – werden eingebracht und „darüber Boden mit Bewehrungsmaterial aus Geokunststoff eingeschlagen“, so Glück. Das Material könne man sich „wie eine Matratze vorstellen“, um die obere Schicht schwimmend zu verlegen. Ein dreischichtiges Asphaltpaket darüber sorgt für zusätzliche Stabilität.
Der Aushub soll möglichst an Ort und Stelle wieder verbaut werden. Aus Kostengründen, aber auch, weil man das Material nicht kreuz und quer durch die Republik fahren will auf der Suche nach einer Deponie. „Wir haben hier beispielsweise keine, die Torf annimmt“, sagt Herda. Ein Problem, das jüngst auch bei der Einweihung der Tölzer Berufsschule zur Sprache kam. Torfhaltiger Aushub musste von dort bis in die Niederlande gebracht werden.
Sanierung der Brücke ist aufwendig
Ist der Unterbau fertig, wird nicht direkt asphaltiert. Das Material soll Zeit haben, sich zu setzen. Zum Teil wird es sogar noch extra dafür beschwert. Das gilt besonders für die Flächen, auf denen die neuen Ein- und Ausfädelspuren entstehen. Schließlich haben im bisherigen Straßenbereich täglich rund 10 000 Fahrzeuge dafür gesorgt, dass sich der Untergrund verdichtet. Diesen „Vorsprung“ müssen die neu angelegten Spuren erst einmal aufholen.
Sobald in der kommenden Woche das meiste Material vor Ort ist, beginnen die Arbeiten an der Loisachbrücke. „Hier muss eines der Widerlager technisch aufwendig saniert werden“, sagt Glück. Um die Setzungen künftig zu vermeiden, wird der Untergrund bis zu einer Tiefe von fünf Metern entfernt. Eingebracht wird dann sogenannter Glasschaumschotter. „Der ist leichter als normaler Boden“, sagt Glück. Weniger Gewicht, weniger Setzungen. Ist das Loch ausgehoben, können auch die Baufahrzeuge nicht mehr über die B 472 rollen. „Wir müssen dann auch die Umfahrung nehmen“, sagt Glück.
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Die Umleitung – weiträumig über die Autobahn und über Penzberg – funktioniere gut, betont Herda. Natürlich komme es in den Stoßzeiten immer mal wieder zu Behinderungen. „Aber die Horrorszenarien sind ausgeblieben.“ An einigen Stellen werde man nachbessern. Beispielsweise bei der Einmündung der Töl 5 in die Staatsstraße nach Penzberg. Dort stauen sich die Linksabbieger, die Richtung Bichl wollen, zurück und blockieren die Rechtsabbieger. Eine Befestigung des Banketts soll für Letztere für freie Fahrt sorgen.
Apropos freie Fahrt: Immer wieder ignorieren Autofahrer die Absperrungen. Gerade fährt ein weißer Mercedes durch die Baustelle. Schon zum zweiten Mal. Vermutlich hat der Fahrer, der aus Richtung Sindelsdorf kam, gerade festgestellt, dass es kurz vor Bichl wirklich nicht mehr weiter geht. Also schlängelt er sich nun zwischen den Baufahrzeugen zurück Richtung Sindelsdorf. Ja, das passiere immer wieder, sagt Glück und zuckt mit den Schultern.
Sind vier Monate Bauzeit zu schaffen? Ein halbes Lächeln von Herda. „Die Bauzeit ist vertraglich so festgehalten.“ Aber wenn es über Wochen stark regne, könne das natürlich zu Verzögerungen führen. Gearbeitet wird montags bis freitags tagsüber – und manchmal samstags. Warum nicht nachts? Herda winkt ab. Es sei so schon schwierig gewesen, eine Baufirma zu finden. Nur zwei haben ein Angebot abgegeben. Mit Auflagen wie Nachtarbeit hätte man vermutlich gar niemanden gefunden. „Und außerdem“, sagt Herda, „ist das hier ja nicht die A9.“ Dort fließe täglich die 15-fache Verkehrsmenge.
Nervt es die Straßenbauer eigentlich, dass es ständig Beschwerden zu ihrer Arbeit gibt und ihnen die meisten Leute vermitteln, dass sie ihren Job sowieso viel besser machen würden? Herda lächelt nur. Am Vortag sei er gerade wieder beschimpft worden von einem Fahrer, der auf der Tölzer Flinthöhe im Stau stand, erzählt er. Daran müsse man sich als Straßenbauer leider schon fast gewöhnen. Er weiß aber auch, dass sich die Bauarbeiter vor Ort viel anhören müssen. Dabei, sagt Herda, „machen die Leute ja einfach nur ihre Arbeit und wollen den Straßenzustand für die Verkehrsteilnehmer verbessern.“