Die Planung und der Neubau der Steinschlagschutzzäune werden einige Zeit in Anspruch nehmen. Genaue Aussagen über eine vollständige Freigabe der Fahrbahn kann das Staatliche Bauamt noch nicht machen. (müh)
Bericht vom 11. November:
Walchensee - Weil der Kesselberg gesperrt ist, kann man Walchensee derzeit nicht von Norden erreichen. Menschen, die zur Arbeit müssen, fahren teils weite Umwege. Der Bäcker hat den Lieferservice eingestellt, und Schulkinder werden mit dem Taxi zur Realschule nach Schlehdorf gebracht – via Garmisch-Partenkirchen. Aber alle tragen es mit Fassung.
Dass bei dem großen Baum- und Geröllsturz am Samstag in den Morgenstunden am Kesselberg niemand zu Schaden gekommen ist, bezeichnet Armin Ebersberger, einer der beiden Geschäftsführer von „Dorfleben Walchensee“, als „unendliches Glück“: „Normalerweise ist an einem Samstag bei schönem Wetter in der Früh schon viel los.“
Wegen der Aufräumarbeiten bleibt die B11 zwischen Kochel und Urfeld vermutlich bis Donnerstagabend komplett gesperrt. Bis dahin sollen die schlimmsten Schäden behoben sein, sodass der Verkehr dann immerhin halbseitig, mit einer Ampelregelung, an der Gefahrenstelle vorbei fahren könnte.
Die Walchenseer Bürger und Betriebe tragen die Sperrung mit Fassung. Frank Sommerschuh, der für seinen Arbeitsplatz täglich von Walchensee nach Miesbach pendelt, fährt über die Jachenau. „Es ist schon eine Herausforderung, aber es geht halt nicht anders“, sagt der Freie-Wähler-Gemeinderat. Als vor Kurzem abends Bauausschuss-Sitzung war, fuhr er von Miesbach nach Kochel und dann über Garmisch-Partenkirchen nach Hause.
Walchenseer Kinder, die zur Realschule nach Schlehdorf müssen, werden mit dem Taxi über Garmisch dorthin gefahren. Den Service übernimmt ein Unternehmen aus Krün. Abfahrt ist morgens um 6.30 Uhr. „Das Tölzer Landratsamt war hier sehr hilfsbereit und hat das schnell organisiert“, freut sich Sommerschuh, dessen Sohn betroffen ist.
Auch im Kindergarten und in der Grundschule ist der Alltag anders als gewohnt. Sechs, sieben Mitarbeiter von „Dorfleben Walchensee“ kommen nur auf Umwegen zu ihrem Arbeitsplatz und stehen dann vor kleineren Gruppen. Rund 20 Mädchen und Buben fehlen derzeit. „Die Kindergarten-Kinder aus dem Tal bleiben zu Hause. Denn die Kleinen über Garmisch zu transportieren, wäre zu aufwändig“, sagt Armin Ebersberger.
Die Grundschüler machen Homeschooling. „Die Lehrer sind bemüht, in diesen Tagen nicht all zu viel Neues zu unterrichten. Das soll passieren, wenn alle wieder anwesend sind, damit der Lernfortschritt gleich ist“, sagt Ebersberger. In Bezug auf die Gesamtsituation am See meint er lächelnd: „Wir sind hier Improvisations-Weltmeister.“
Verzichten müssen die Walchenseer derzeit aber auf frische Brezen, Semmeln und Brot im Dorfladen. Bäckermeister Toni Lugauer aus Benediktbeuern nimmt den Umweg nicht in Kauf. „Das rentiert sich wirtschaftlich nicht“, sagt er.
„Zum Einkaufen fahren wir nach Wallgau“, berichtet Lisa Grünwald. Zusammen mit ihrem Mann Alois und weiteren Walchenseern, die hauptberuflich überwiegend im Rettungsdienst arbeiten, kümmern sie sich ehrenamtlich als „Helfer vor Ort“ um medizinische Notfälle. „In den vergangenen Tagen ist aber Gott sei Dank nichts passiert“, berichtet Alois Grünwald. Im Notfall komme der Sanka aus Mittenwald oder Garmisch oder eben ein Hubschrauber.
Alois Grünwald war als Notfallsanitäter in den vergangenen Tagen beim BRK in Lenggries stationiert und fuhr wie gewohnt über Jachenau. Härter würde es ihre Söhne treffen, berichten die Grünwalds: Die Burschen müssen via Garmisch nach Penzberg und Starnberg fahren – Letzteres dauere eine Stunde und 40 Minuten. „Alle Walchenseer, die derzeit im Homeoffice arbeiten können, sind glücklich.“
In touristischer Hinsicht ist am See natürlich deutlich weniger los als sonst. „Betroffen sind vor allem die Tagesausflügler, die von Norden kommend bei dem schönen Wetter Jochberg, Heimgarten, Herzogstand besuchen wollen“, sagt Daniel Weickel, Leiter der Abteilung Tourismus im Rathaus in Kochel.
Das spüren Hotelbetriebe und Bergbahn – aber auch sie tragen es mit Fassung. „Es ist ja nicht das erste Mal“, sagt Jörg Findeisen, Geschäftsführer der Herzogstandbahn, und erinnert sich an Lawinen-Abgänge im Winter. Trotzdem: Für die Bergbahn fällt das Geschäft ins Wasser. „Wir haben 60 bis 65 Prozent weniger Gäste.“ Gerade bei dem schönen Herbstwetter in den vergangen Tagen „hätten wir im Endspurt gerne noch Geld verdient“. Die Bahn geht heuer schon am Montag, 15. November, in Revision.
Seufzend, aber ebenfalls gefasst beurteilt Kamil Dzygalo vom Hotel Karwendelblick in Urfeld die Lage. „Bei uns herrscht tote Hose“, sagt der Geschäftsführer. Tagestouristen habe man so gut wie keine. Abgesehen von einer Stornierung seien aber wenigstens die Hotelgäste dem Walchensee treu geblieben. „Sie sind nicht begeistert, so einen Umweg fahren zu müssen, und das bei diesen Benzinpreisen.“ Trotzdem würden sie alle sagen: „Mei, es ist halt so.“
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