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Alle Barrieren überwunden: Linda Brummer arbeitet trotz Rollstuhls als Kinderpflegerin in Lenggries

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Von: Silke Scheder

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Linda Brummer sitzt in ihrem Rollstuhl vor dem Kindergarten St. Jakobus in Lenggries.
Kinderpflegerin trotz Rollstuhl: Linda Brummer vor dem Kindergarten St. Jakobus in Lenggries. Ihr Handicap ist hier kein Thema – weder für die Kinder und deren Eltern noch für ihre Kollegen. © Arndt Pröhl

Sie ist wahrscheinlich Bayerns einzige Kinderpflegerin im Rollstuhl: Linda Brummer. Seit Kurzem arbeitet die 19-Jährige im neuen Lenggrieser Kindergarten.

Lenggries/Habach – Ein Job im Büro wäre leichter gewesen. „Das hätte einwandfrei funktioniert“, sagt Linda Brummer. Aber die junge Frau wusste: Sie will als Kinderpflegerin arbeiten. Sie wusste auch: Auf dem Weg zu ihrem Traumberuf würde sie auf Barrieren stoßen. Denn Linda Brummer sitzt im Rollstuhl. Abgehalten hat sie dieser Umstand nicht. Seit September arbeitet die 19-Jährige im neuen Lenggrieser Kindergarten St. Jakobus.

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Für Linda Brummer ist es die erste Anstellung nach ihrer Ausbildung. Eine Sonderbehandlung will sie nicht. Wie ein „Pilotprojekt“ fühlt sie sich trotzdem. So wurde sie an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Rottenbuch genannt. Denn trotz aller Bemühungen um Inklusion: Auch im Jahr 2020 ist pädagogisches Kita-Personal im Rollstuhl die absolute Ausnahme. Dabei kann Linda Brummer die gleiche Arbeit verrichten wie ihre Kollegen, die laufen können. Basteln und singen gehören ohnehin zu den großen Hobbys der kreativen jungen Frau. Zum Spielen kann sich Linda Brummer auch zu den Buben und Mädchen auf den Boden setzen. Nur eine Sache geht nicht. „Ich kann nicht wickeln.“ Die entsprechenden Tische sind für die Rollstuhlfahrerin unerreichbar.

Immer das Positive sehen

Die Krankheit, die Linda Brummer an den Rollstuhl fesselt, heißt Spina bifida. Dabei handelt es sich laut der „Apothekenumschau“ um eine angeborene Fehlbildung der knöchernen Wirbelsäule und des Rückenmarks mit seinen Rückenmarkshäuten. „Anders als bei einer Querschnittslähmung kann ich alles spüren“, erklärt Linda Brummer. Stehen und laufen kann sie jedoch nicht. Aussicht auf Besserung besteht ebenfalls nicht. Linda Brummer hadert trotzdem nicht mit ihrem Schicksal. Sie versucht, das Positive zu sehen: Sie kenne es nicht anders, tue sich also sicher leichter als jemand, der durch einen Unfall nicht mehr laufen könne.

Manchmal nervt Linda Brummer ihr Handicap aber doch. Zum Beispiel, als sie wie vor zwei Jahren am Hauptbahnhof in Augsburg stand und feststellte, dass es keinen Aufzug gab. Den anderen zuzusehen, wie sie leichtfüßig die Treppen hochgingen, während sie auf Hilfe warten musste – das sei schon eine Herausforderung gewesen.

Der neue Kindergarten ist barrierefrei

An ihrem neuen Arbeitsplatz in Lenggries steht Linda Brummer nicht vor solchen Problemen. Der Kindergarten ist barrierefrei. Für die 19-Jährige ließ die Gemeinde sogar extra noch einen Treppenlift einbauen, damit sie die Stufen im Eingangsbereich überwinden kann. „Ich stoße hier auf keine Grenzen“, freut sich Linda Brummer. An ihre Grenzen bringt sie irgendwann möglicherweise der lange Arbeitsweg. Noch wohnt sie mit ihren Eltern und den beiden jüngeren Geschwistern in Habach (Kreis Weilheim-Schongau). Sobald sie eine passende Wohnung in Lenggries oder der näheren Umgebung gefunden hat, will sie aber umziehen. Aktuell steht Linda Brummer jeden Morgen um 5.45 Uhr auf und fährt mit dem Auto zur Arbeit. Bei dem Pkw handelt es sich um ein speziell auf ihre Bedürfnisse umgerüstetes Fahrzeug. Nach vielen Anträgen wurde ihr der teure Umbau bewilligt – auch, damit sie mobil ist und arbeiten kann.

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Der Karrierestart in Lenggries ist nun geglückt. „Ich bin sehr, sehr glücklich hier“, sagt Linda Brummer. Kindergarten-Leiterin Maren Lausberg ist ebenfalls sehr zufrieden mit der jungen Kinderpflegerin. „Sie macht ihre Arbeit hervorragend, ist umsichtig und hochaktiv“, lobt die erfahrene Fachfrau. So aktiv, dass sie ihrer Chefin schon vor dem ersten Arbeitstag eine Liste schickte, an welchen Fortbildungen sie teilnehmen will. „Ich hab’ eben Hummeln im Hintern“, sagt Linda Brummer und lächelt.

Kinder unterscheiden nicht zwischen behindert und vermeintlich normal

Überrascht hat es die 19-Jährige, dass sie bislang von kaum einem Kind auf ihr Handicap angesprochen worden ist. „Die unterscheiden eben nicht zwischen normal und behindert.“ Letztens wollte ein Kind lediglich wissen, warum sie nicht gehen könne. „Ich bin einfach ein bisschen anders zusammengebaut als andere“, lautete Linda Brummers Antwort. Damit war das Thema erledigt.

Aber was macht die Rollstuhlfahrerin, wenn ein Kind wegläuft, weil es nicht tun will, was Linda Brummer ihm sagt? Diese Frage beschäftigt sie schon seit ihrer Schulzeit. Getreu ihrem Motto „es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen“ hat Linda Brummer inzwischen aber eine Antwort für sich gefunden: „Ich kann mit meinem Rollstuhl ziemlich schnell werden – von daher sollte das kein Problem sein.“

Barrierefreie Wohnung

Linda Brummer sucht in Lenggries oder Umgebung eine Wohnung im Erdgeschoss oder in einem Mehrparteienhaus mit Aufzug. Wer einen Tipp für die 19-Jährige hat, schreibt ihr bitte an: linda.brummer@web.de

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