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Ausnahmekletterer Andreas Lindner (21): Todessturz beim Zustieg zum Traumziel - vor den Augen des Freundes

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Von: Wolfgang Stauner

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Andreas Lindner (†), Bergsteiger aus Lenggries
Andreas Lindner (†), Bergsteiger aus Lenggries © privat fkn

Der Ausnahmekletterer Andreas Lindner (21) aus Lenggries ist im Mont-Blanc-Massiv tödlich verunglückt. Der Bergsteiger stürzte auf dem Weg zu seinem Traumziel in den Tod.

Lenggries – Er war aufgeschlossen, fröhlich, hatte immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Obendrein war er stets hilfsbereit und engagierte sich als Bergretter bei der Lenggrieser Bergwacht: Familie, Freunde und Bergwachtkameraden trauern um Andreas Lindner. Der 21-jährige Extrembergsteiger stürzte am späten Montagnachmittag am Fuße der Dru-Westwand in den Tod.

Der Kletterstammtisch im „Hirschbachstüberl“ war so etwas wie die zweite Heimat vom „Anderl“, wie ihn alle Freunde und Bekannten gerufen haben. Dort wurden Touren geplant, Klettertechniken erörtert und Bergabenteuer ausgetauscht. „Anderl war sehr gerne dort“, sagt Vater Hans, „das ist eine Super-Clique, a guada Haufn.“

Bergsteiger Andreas Lindner (21): Aufnahme in den Expedkader des Alpenvereins vor einem Jahr

Schüsselkarspitze, Laliderer Wände, Marmolada, Drei Zinnen – als versierter Kletterer und Skibergsteiger konnte Andreas Lindner bei den Zusammenkünften viele Erlebnisse beisteuern, erst recht, als er vor einem guten Jahr die Aufnahme in den Expeditionskader des Deutschen Alpenvereins geschafft hatte. Zwei Wochen lang wurden in Chamonix 14 Kandidaten unter schwierigsten Bedingungen auf ihr bergsteigerisches Können, ihre Kondition und mentale Belastbarkeit getestet. Anderl war einer der sechs, die Kaderleiter Fritz Miller schließlich in der DAV-Elite begrüßte. „Schon die Einladung nach Chamonix war für mich eine große Ehre“, sagte Lindner damals, „dass ich jetzt im Exped-Kader bin, ist unglaublich cool.“

Andreas Lindner (21) fing mit zwölf Jahren mit Skibergsteigen an - Er hatte eine außergewöhnliche Begabung

Dass man am Fuße des Braunecks ein Faible für die Bergwelt entwickelt, ist nichts Außergewöhnliches. „Mit zwölf Jahren hat er mit dem Skibergsteigen angefangen“, erinnert sich Mutter Annelies. Ein Besuch in der Tölzer Kletterhalle und die anschließenden Touren mit den Klettergruppen der Sektion Lenggries zeigten schon bald Lindners Leidenschaft und außergewöhnliche Begabung für die Senkrechte. „Einen derart talentierten Bergsteiger und Kletterer wie den Anderl habe ich noch nie gesehen. Er war so schnell so gut, dass er nach drei Jahren allen unseren Gruppen technisch um Längen entwachsen war“, erinnert sich Werner Kirschenhofer, der 20 Jahre Erfahrung als Klettergruppenleiter bei der Lenggrieser Sektion mitbringt. „Alles, was im weiten Umkreis Rang und Namen hat, hat er bestiegen. Dabei ist er immer bescheiden geblieben und hat immer wieder mal Touren bei uns mitgemacht.“

Am Mont-Blanc-Massiv: Andreas Lindner beim Bergsteigen verunglückt

Am Montag war der 21-Jährige mit seinem Kletterpartner – ebenfalls Mitglied im Expeditionskader – zu einer privaten Klettertour im Mont-Blanc-Massiv aufgebrochen. Ziel war die Westwand der Petit Dru (3733 m), mit ihren 30 Seillängen und rund 900 Klettermetern eine der imposantesten Bigwalls der Alpen. Die beiden Ausnahmekletterer hatten in den Tagen zuvor bereits drei äußerst anspruchsvolle Mehrseilrouten an der Aiguille du Midi geklettert: den Frendopfeiler, den Südpfeiler des Mont Aiguille und die Nordwand der Aiguille. „Auf diesem Spitzenniveau sind das Eingehtouren“, sagt Fritz Miller, Ausbildungsleiter des DAV-Exped-Kaders. „Das Traumziel der Burschen und die Krönung der Kletterwoche sollte dann die Amerikanerroute durch die Dru-Westwand sein.“

Kurz bevor die beiden zu dieser privaten Tour aufbrachen, vergewisserte sich Miller telefonisch noch einmal vom körperlichen Zustand seiner Kadermitglieder. „Sie waren ausgeruht, gut trainiert, bester Laune und voll im Zeitplan – also alles im grünen Bereich“, berichtet Miller.

Die Tour selbst ist nicht an einem Tag zu schaffen, weswegen man am ersten Tag zum Fuße der Wand zusteigt und dort ein erstes Biwak aufschlägt. In der Nacht steigt man im Schein der Stirnlampen in die Wand ein, klettert in zwölf bis 14 Stunden durch ein kompliziertes Riss- und Verschneidungssystem zum Gipfel, und von dort seilt man sich im letzten Tageslicht bis zum nächsten Biwak ab. Erst am folgenden Tag geht es erneut in einem vielstündigen Fußmarsch zur Grands-Montets-Bergbahn und zurück ins Tal.

Dramatischer Todessturz vor Augen des Freundes: Keine Rettung mehr für Andreas Lindner

„Es ist eine sehr schwere Tour mit einer Schwierigkeit von 7+ bis 8- an der Schlüsselstelle“, sagt Miller. Doch soweit kam das Duo gar nicht. Die beiden benutzten eine in den meisten Topo-Karten noch verzeichnete Zustiegsvariante, einen Klettersteig, der vor zwei Jahren aber deinstalliert wurde und nun weder gesichert noch markiert ist. In diesem unübersichtlichen Steilgelände aus plattigen Granitfelsen und karger Vegetation rutschte Lindner aus und stürzte rund 100 Meter in die Tiefe. Sein Begleiter setzte einen Notruf ab, doch die Rettungsmannschaft konnte nur noch den Tod des Isarwinklers feststellen.

„Natürlich ist das schwieriges Terrain, aber für zwei derart gut geschulte Extrembergsteiger nichts Außergewöhnliches“, stellt Miller klar, dass die beiden keineswegs leichtsinnig oder übermotiviert unterwegs waren. „Mit Anderl verlieren wir einen außergewöhnlich begabten, aber immer bescheidenen Bergkameraden“, sagt Miller. „In unserem Kader war er wohl der beste Allrounder. Aber er war nie von ungutem Ehrgeiz getrieben. Seine Motivation war die Begeisterung für die Berge.“

Da der Leichnam von Andreas Lindner zunächst noch aus Frankreich überführt werden muss, steht ein Termin für die Beisetzung noch nicht fest.

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