"Pension Nirvana": Mit Ramadan in den Theaterhimmel

Bad Tölz - Himmlische Aussichten: Die Uraufführung von „Pension Nirvana“ begeisterte das Publikum. Denn das Stationentheater öffnete neue Welten.
Was eigentlich will Theater? Vielleicht das: Den Alltag überschwemmen, von der Bühne ins Leben stürzen, sich über alles ergießen in wunderbaren Bildern. Ein Spiel, das sich auf keine Räume mehr einschränkt. Theater also, das nichts anderes vorhat, als die Zuschauer mitzunehmen. Wenn das der ultimative Anspruch ist, dann hat Wolfgang Ramadan diesmal alles richtig gemacht: Denn bravurös meisterten die Schauspieler die „Welturaufführung“ von „Pension Nirvana“ im Rahmen der dritten Naturschauspiele am Blomberg.
Und das offenbar mit Beistand von ganz oben. Denn das Drumherum hätte kein Kulissenmaler besser hinbekommen: Ein lauer Sommerabend mit Fernsicht bis zum Starnberger See empfing das Publikum auf dem Blomberg. Da brauchte es noch nicht einmal besonders viel Fantasie, um vom boarischen Himmel überzeugt zu sein.
Doch von vorne: Das Publikum durfte auf eine Inszenierung gespannt sein, bei der nicht nur Schauspieler eine Rolle haben. Denn mit dem Blomberg bot auch die Umgebung einen ganz eigenen Charakter. In „Pension Nirvana“ wird die Geschichte von Mane (dargestellt von Mane Abholzer) erzählt. Er stirbt unvermittelt im Biergarten der Pension Nirvana. Der Boandlkramer ist nicht weit: Mit Karren und Motorscooter will er sich samt Mane schon auf den Weg machen. Doch die Rechnung hat er ohne die Globalisierung gemacht: Dem Gespann lauert eine indische Gottheit auf (Hermann Paetzmann). Statt in den boarischen Himmel soll es für Mane ins Nirvana gehen. Weil sich die beiden nicht einig werden können, darf Mane selbst wählen. Natürlich nicht, ohne sich vorher die Optionen genau anzuschauen. Und so geht es samt Publikum für die drei erst einmal in die Hölle und ins Fegefeuer, wo Kurt Cobain noch ein paar Jahre schmoren muss.
Mit dem Sessellift unternehmen die drei schließlich die Reise nach oben, genauso wie die Zuschauer. Atmosphäre, Optik und Show sind alles bei dieser Fahrt ins Ungewisse: Vorbei am Schlaraffenland (in der tatsächlich an der Mittelstation Brezn verteilt werden), entlang an Schildern mit teils grandiosen Gedankenschnörkeln, bis an die Himmelspforte. Auch das Nirvana ist hier oben nicht weit weg. Wie aber wird sich Mane entscheiden? Oder gibt es noch eine andere Lösung, zumal ja mit seinem seinem Ableben nicht alles mit rechten Dingen zuging? Das überraschende Ende darf hier natürlich nicht verraten werden.
Alles andere aber muss gesagt werden. Was für jeden anderen ein Himmelfahrtskommando hätte werden können, Wolfgang Ramadan gelingt es: In Szenen, in denen Slapstick und Suspense ebenso Platz haben wie Schrilles und subtile Andeutungen, entzündet er ein Feuerwerk mit starker Bildsprache und Texten, in denen märchenhafte Poesie, Mythen, Projektionen und Fantasien Hand in Hand gehen.
Ramadan geht der bitteren Note des Stoffes nicht aus dem Weg, sondern konfrontiert sie effektvoll mit der burlesken Komik. Kabarett, Comedia dell’Arte, schräge Leichtigkeit und heiligen Ernst verbindet das Ensemble in charmantester Unverfrorenheit zu einer höchst unterhaltsamen Mischung aus lebenskluger Mutmacherei und derbem Volkstheater. Eine abenteuerliche, immer wieder verblüffende Expedition ins Reich des „was kommt danach“, aber auch des realen Irrsinns, dargeboten von einem zu Höchstleistungen angespornten Ensemble.
Ramadan hat mit Rothenfußer, Paetzmann und Abholzer eine ideale Besetzung gefunden. Herausragend agieren die drei, die das Unerklärbare, das Labyrinthische im Stationentheater der Absurditäten prägen. Und sie agieren mit breiter Brust: Hier sitzt jede Pointe, und die Szenenwechsel greifen wunderbar ineinander. Als das Stück zu Ende war, beklatschte das Publikum die Macher stürmisch und laut. Aber den Berg verließ man mit innerer Ruhe. Ein Theatererlebnis, das diesen Namen auch zu Recht trägt.
(Claudia Koestler)