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„Wo ist denn da die Gerechtigkeit?“

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Von: Stefanie Zipfer

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Der politische Volksfestdienstag gehörte in diesem Jahr der Dachauer SPD. Oberbürgermeister Florian Hartmann erwies sich dabei als kraftvoller Bierzelt-Redner. Ehrengast Karl Lauterbach schlug dagegen eher leisere Töne an – die beim Publikum aber nicht weniger Eindruck machten.

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1 / 16Eine Holz-Fliege für den Mann mit der Fliege: Er habe ja wirklich schon viele Fliegen geschenkt bekommen, gestand SPD-Ehrengast Prof. Dr. Karl Lauterbach am Dienstagabend im Dachauer Festzelt; eine hölzerne aber sei „wirklich noch nie“ dabei gewesen! OB Florian Hartmann (r.) freute sich über die gelungene Überraschung. © Foto: Habschied
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2 / 16Politischer Volksfestdienstag in Dachau. © Foto: Habschied
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3 / 16Politischer Volksfestdienstag in Dachau. © Foto: Habschied
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4 / 16Politischer Volksfestdienstag in Dachau. © Foto: Habschied
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5 / 16Politischer Volksfestdienstag in Dachau. © Foto: Habschied
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6 / 16Politischer Volksfestdienstag in Dachau. © Foto: Habschied
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7 / 16Politischer Volksfestdienstag in Dachau. © Foto: Habschied
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8 / 16Politischer Volksfestdienstag in Dachau. © Foto: Habschied
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9 / 16Politischer Volksfestdienstag in Dachau. © Foto: Habschied
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15 / 16Politischer Volksfestdienstag in Dachau. © Foto: Habschied
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16 / 16Politischer Volksfestdienstag in Dachau. © Foto: Habschied

Dachau – Was in diesem Land gerade falsch läuft, zeigte Karl Lauterbach an seiner eigenen Biografie auf. Als Sohn eines Vorarbeiters und einer Hausfrau schaffte es der begabte Junge aus Düren erst aufs Gymnasium, dann – dank BaFög – an die Uni; sein Medizinstudium absolvierte er in Aachen und – mithilfe eines Stipendiums – an der berühmten Harvard Medical School in den USA. „Es war die Willy-Brandt-Zeit, mir stand alles offen“, so Lauterbach. Heute allerdings, darüber müsse man sich auch im Klaren sein, „wäre ein Kind aus vergleichbaren Verhältnissen nicht mehr in der Lage, einen solchen Aufstieg zu schaffen“.

Die Frage, die sich aus Karl Lauterbachs Geschichte ergab, wurde gleichzeitig zum Motto seiner gut einstündigen Rede im Dachauer Festzelt: Wie gerecht ist eine Gesellschaft, in der Leistung mittlerweile weniger zählt als die Herkunft? Wie kann es sein, dass Beamte, die laut Lauterbach die „sichersten Arbeitsplätze“ in diesem Land haben, sich nicht an der Sicherung der Sozialsysteme beteiligen müssen? Ist es noch nachzuvollziehen, dass Steuerzahler die private Krankenversicherung von Beamten zahlen, ihre eigene Behandlung als Kassenpatienten aber schlechter ist?

Lauterbach gehört in seiner Partei, für die er seit 2005 im Bundestag sitzt, dem linken Flügel an. Gemeinsam mit seiner Bundestagskollegin Nina Scheer will der 56-Jährige derzeit den SPD-Bundesvorsitz übernehmen. Sein Auftritt am Dienstagabend in Dachau gehörte daher zur parteiinternen Werbetour des Politikers. Doch auch allen Nicht-SPD-Mitgliedern im mit rund 1300 Menschen gut gefüllten Festzelt wollte der Sozialdemokrat seine Botschaft vermitteln: „Wir brauchen eine faire Gesellschaft!“ Wer nicht leisten könne, müsse dennoch in Würde und ohne Bittstellerei leben dürfen. Und umzusetzen sei dies, klar, „nur mit der SPD“!

Dass aber gerade seine SPD in den vergangenen Jahrzehnten an vielen Entscheidungen maßgeblich beteiligt war, die zum aktuellen Ungleichgewicht in unserer Gesellschaft geführt haben, erwähnte Lauterbach wohlweislich nicht. Dennoch bemühte er sich um Antworten, warb um Vertrauen und – vor allem – eine rot-grüne Mehrheit im Bund. Denn: „Sozial gerechtes Wirtschaften“ und „nachhaltige gezielte Investitionen“ gingen eben nur, wenn man sich von der von der CDU so geliebten „schwarzen Null“ sowie der Schuldenbremse verabschiede. Die große Koalition als „Langzeitzustand“ höhle außerdem die Demokratie aus und führe zu Politikverdrossenheit. Die Frage, ob die SPD also noch einmal in eine Groko gehen solle, beantwortete Lauterbach mit Albert Einstein: Ein Idiot ist laut dessen Definition nämlich derjenige, „der sich darüber ärgert, dass immer wieder das Gleiche passiert, wenn er das Gleiche macht“.

Mit wem die SPD im Bund künftig regieren möge oder unter wessen Führung, war dagegen nicht Thema von Oberbürgermeister Florian Hartmanns Rede. Hartmann sprach vor Lauterbach – und überraschte dabei mit einem feurigen Bierzeltauftritt, der nicht nur den einzigen CSU-Politiker im Zelt, Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath, beeindruckt haben dürfte. Der OB warb um seine Wiederwahl und teilte dabei auch kräftig in Richtung seiner Mitbewerber aus. Wenn es etwa um die zähen Verhandlungen mit der Bahn um den Ausbau des Busbahnhofs gehe, sollte da „an der Spitze unserer Stadt wirklich jemand stehen, der behauptet, er müsse nur mal kurz nach Berlin fahren“, um dort mit den Bahn-Verantwortlichen zu reden? Wer glaube, dass dies funktionieren könne, sei entweder „ein Träumer oder ein Prahlhans“! Dass Busse künftig im Zehn-Minuten-Takt durch Dachau führen, sei bis vor ein paar Jahren „völlig illusorisch“ gewesen. Und, ach ja, wolle man die Entwicklung der Stadt wirklich „denjenigen überlassen, die in den vergangenen Jahrzehnten ganze Wohngebiete ohne eine einzige Sozialwohnung gebaut haben“?

Die Antwort gaben die Besucher mit „Bravo“-Rufen und langem Applaus. SPD-Ortsvorsitzender Sören Schneider fasste die Stimmung in Worte: Hartmann sei schlicht „unser bester Mann in Dachau“!

Nachgefragt bei ... Karl Lauterbach

Herr Dr. Lauterbach, sind Sie zufríeden mit Ihrem Auftritt in Dachau? 

Ja! Ich habe zwar schon mal in Bierzelten gesprochen, die gibt’s bei uns oben ja auch. Aber in einem bayerischen Bierzelt habe ich noch nie eine Rede gehalten. 

Wie fanden Sie die Stimmung? 

Ich gebe zu, ich hatte mir das anders vorgestellt. Ich dachte, das ist viel mehr Gaudi und dass ich gegen eine Geräuschkulisse anreden müsste. Tatsächlich aber war es sehr konzentriert, sehr angenehm. Die Leute haben sehr gut zugehört! 

Hat es Sie überrascht, dass Sie im oberbayerischen Dachau auf einen roten Oberbürgermeister treffen?

Ich habe das in der Vorbereitung auf diesen Termin natürlich gelesen und war tatsächlich überrascht. Aber Florian Hartmann ist ein beeindruckender junger Bursche, er ist ein großes politisches Talent! Wenn ich Dachauer wäre, würde ich ihn wählen. Sie sind ja Mediziner. 

Welche Krankheit würden Sie Ihrer SPD derzeit diagnostizieren?

Eine reaktive Depression. Aber die lässt sich heilen. Mit Bewegung, Aktivität und der richtigen Gesellschaft. Vermeiden sollte man nur selbstzerfleischende Kämpfe. 

Interview: Stefanie Zipfer

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