Der Multi-Jobber und sein Schützling

Die Integration Geflüchteter kann gelingen. So wie bei Oluwajoba Olumide Fajuke. Der Nigerianer hat in Deutschland jedoch auch schlechte Erfahrungen gemacht.
Dachau – Beichtvater, Aktenschlepper, Wegbegleiter, Kämpfer gegen die Mühlen des Gesetzes, Aufklärer, Hinterntreter, Eiskäufer – Peter Barth (74) hat viele Jobs. Seit 2009 ist der temperamentvolle Hebertshauser für geflüchtete Menschen da. Besser, er ist die Anlaufstelle im Landkreis Dachau. Dutzende Schutzsuchende hat er bereits begleitet. Dutzende Male ist er mit Mitarbeitern des Landratsamtes oder der Judikative zusammengerasselt.
Im Juli lehnte er die Landkreismedaille für sein Engagement ab (wir berichteten). Er wollte „nie wieder“ ins Landratsamt hinein, wie er meint – und hat diesen Entschluss stante pede revidiert. „Ich muss ja hin, wegen meiner Schützlinge“, so seine Erkenntnis.
Einer der Menschen, warum er hinein muss ins Amt, ist Oluwajoba Olumide Fajuke. Für Barth ist der 41-jährige Nigerianer ein ganz besonderer Mensch. Bei Fajuke musste der Multi-Jobber Barth lediglich den Anschubser machen. Dann flutschte es. Und wie.
Oluwajoba Olumide Fajuke kam 2013 nach Deutschland. Er wurde der Asylunterkunft Deutenhofen zugeteilt, wo er Barth traf. „Ich habe Peter kennengelernt und sofort zu ihm gesagt, ich will nicht einfach arbeiten, ich will eine Ausbildung machen. Das ist der einzige Weg hier – oder du gehst wieder zurück“, so Fajuke, der in seinem Heimatland einen Bachelor in Ernährungswissenschaften gemacht hatte. „Also wollte ich in Deutschland eine Ausbildung im Bereich Nahrung oder Ernährung machen. “
Er probierte es zunächst in der Metzgerei Vinzenz Murr – und wurde weggeschickt. Fajuke: „Sie haben gesagt, mein Deutsch ist nicht gut genug.“
Also büffelte Oluwajoba Olumide Fajuke weiter deutsche Vokabeln, arbeitete nebenher und machte zwischendurch katastrophale Erfahrungen.
Er heuerte als Tischabräumer im Münchner Hirschgarten an – und wurde über den Tisch gezogen. „Sie haben mich ein Blankopapier unterschreiben lassen. Und dann haben sie drüber geschrieben, dass ich 400 Euro erhalten habe“, erinnerte sich Fajuke. Als er sich beschwerte, raunzte ihn einer der Chefs dort an und „nannte mich ein Stück Scheiße“. Geld sah der Geflüchtete keines. Stattdessen bat er Barth um Hilfe, der wiederum den Aufklärer gab. Barth klopfte beim Bayerischen Fernsehen an, das den Vorfall vom Hirschgarten in einer Reportage veröffentlichte, um Geflüchtete vor unlauteren Arbeitgebern zu warnen.
Oluwajoba Olumide Fajuke verbesserte mit der Zeit sein Deutsch und verfasste mithilfe von Barth Bewerbungsschreiben. Im September 2015 war Fajuke so weit, dass er in der Filiale von Vinzenz Murr in der Dachauer Bahnhofstraße ein Praktikum machen durfte. „Der Filialleiter hat sofort gesagt: Den nehmen wir“, erinnert sich Mentor Barth. Trotz seiner damals 36 Jahre bekam Fajuke einen Ausbildungsplatz als Fleischereifachverkäufer. „Ich war so glücklich, mein Betreuer fast noch mehr.“ Die Ausbildung schaffte der Nigerianer „mit Bravour“, erklärt Barth. Fajuke wurde auch übernommen und arbeitet in der Filiale im AEZ. Nicht zuletzt, weil er sehr viel Kundenkontakt hat, ist sein Deutsch mittlerweile sehr gut.
Und noch eines: Fajuke wurde zum Erasmus-Austauschprogramm angemeldet, das den Teilnehmern ermöglicht, mehrere Monate lang an einer Universität innerhalb der EU zu studieren oder ein Praktikum zu absolvieren. In Fajukes Fall war es eine Uni in London. Sprachprobleme gab es in England keine, denn die Amtssprache in Nigeria ist Englisch. „Normalerweise dürfen Asylbewerber Deutschland nicht so einfach verlassen“, klärt Barth auf, „aber bei ihm haben sie eine Ausnahme gemacht.“
In Deutschland fiel der Werdegang Fajukes auf. Als eine Tageszeitung 2018 einen Artikel über ihn verfasste, meldete sich kurz darauf eine Frau – und bot dem Fleischereifachverkäufer eine Wohnung in ihrem Haus in der Rothschwaige an. Dort lebt Fajuke bis heute gemeinsam mit seinem kleinen Töchterlein, das aus einer Beziehung mit einer Deutschen stammt. Über sein Privatleben möchte er nichts sagen. Über seine Vermieterin hingegen schon. „Diese Frau ist top. Sie ist wie meine Mutter“, so der 41-Jährige.
Wegen seines Töchterleins besitzt Oluwajoba Olumide Fajuke mittlerweile in Deutschland eine Niederlassungserlaubnis. Eine Abschiebung ist vom Tisch. „Für eine Einbürgerung haben wir erste Anfragen gestellt“, so Helfer Barth. Was seine berufliche Zukunft angeht, ist Fajuke ehrgeizig: „Ich will ein Studium machen oder die Meisterprüfung.“ Aber er weiß auch, dass ein Studium Geld kostet und er nicht zuletzt wegen seiner kleinen Tochter ständig Geld verdienen muss.
Peter Barth wird ihn weiter unterstützen. Das tat er auch nach dem Termin mit den Dachauer Nachrichten. Der Multi-Jobber spendierte Fajuke und dessen Töchterlein ein Eis.