Viele Menschen mit Corona infiziert - allerdings sind wenige krank

Die Zahl der Covid-19-Patienten im Klinikum Dachau ist relativ niedrig. Gefährlich hoch ist dagegen die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis. Wie passt das zusammen?
Dachau – In den Helios Amper-Kliniken Dachau und Indersdorf steigt die Zahl der Fälle auf 20 pro Woche. Man habe wieder sehr schwere Verläufe „mit schwersten beatmungspflichtigen Lungenentzündungen und Herzmuskelentzündungen“, so Alexander von Freyburg, Leitender Oberarzt der Notaufnahme. Diese beiden Sätze stammen aus einem Bericht der Dachauer Nachrichten vom Februar 2019. Mit den „Fällen“ sind nicht etwa Covid-19-Patienten gemeint – sondern Personen mit Grippe. Zum Vergleich: Stand gestern Vormittag werden im Dachauer Krankenhaus 15 Menschen wegen Covid-19 auf der Normalstation versorgt, ein weiterer wird auf der Intensivstation beatmet. Wenn man sich die Grippe-Lage von 2019 vor Augen führt und bedenkt, dass es im Amper-Klinikum derzeit zwölf Intensiv-Betten gibt und alles im Normalbetrieb läuft, ist die Corona-Situation alles andere als dramatisch. Doch wie passt das mit der hohen Sieben-Tages-Inzidenz im Kreis zusammen, die gestern 213,69 betrug?
Landrat Stefan Löwl zieht zur Beantwortung dieser Frage zwei Faktoren heran: den Zeitfaktor und das Geschehen. Bezüglich des Zeitfaktors gibt der Landrat nämlich zu bedenken, dass es „zwischen zehn und 14 Tagen dauert, bis eine Infektion festgestellt wird“. Die Zahlen in der Amper-Klinik könnten also in den kommenden Tagen durchaus steigen.
Was das Geschehen angeht, meint Löwl, dass es – Stand Mittwoch – im Kreis wenige Fälle gebe, bei denen Menschen im Hochrisikobereich betroffen seien. Der Landrat spricht von ein „paar wenigen Einzelfällen“ beispielsweise im Franziskuswerk Schönbrunn. Dort wiederum seien bislang nur bestimmte Teile der Einrichtung unmittelbar betroffen, die man aber Griff habe. „Die Präventionsmaßnahmen greifen“, so Löwl dazu.
Die überwiegende Anzahl der positiven Tests seien „im jüngeren Bereich“ zu finden, was auf die vielen privaten Kontakte jüngerer Menschen zurückzuführen sei. Dazu komme, dass sich mittlerweile „gerade die Älteren selber viel besser schützen“.
Trotz der geringen Zahl aktueller Fälle im Krankenhaus betont Löwl aber: Wenn das Virus etwa einmal in Pflegeheimen ankomme, „wird es sehr schnell gefährlich“. Der Landrat weist in diesem Zusammenhang auf den Ausbruch im Pflegeheim Haus Anna-Elisabeth in der Rothschwaige Ende August hin, als es über 30 Coronafälle gab und mehrere der hoch betagten Bewohner starben.
Im Dachauer Krankenhaus mussten seit März bis gestern 143 Covid-19-Patienten behandelt werden, 39 davon wurden beatmet. Zur derzeitigen Situation sagt Oberarzt von Freyburg, der auch Pandemiebeauftragter der Klinik ist, folgendes: „Die steigende Inzidenz und einzelne Ausbruchsereignisse in Pflegeeinrichtungen schlagen sich seit dem Wochenende in den stationären Behandlungsfällen nieder.“ Daher habe das Amper-Klinikum Dachau am vergangenen Wochenende die Isolierstation C1-00 vorsorglich von 14 auf 38 Betten erweitert. „Eine weitere Aufstockung auf 52 Betten ist innerhalb von 24 Stunden möglich und bereits vorgeplant“, so von Freyburg. Bei der Isolierstation C1-00 handelt es sich um den sogenannten roten Corona-Bereich.
Die Personalsituation in der Pflege ist in Dachau nach Angaben von Amper-Klinikum-Sprecherin Pia Ott stabil. Ott: „Bereits in der ersten Corona-Welle wurden Pflegekräfte aus anderen Fachbereichen für mögliche kommende Aufgaben vorbereitet. So wurden beispielsweise Pflegekräfte aus der Anästhesie für einen Einsatz in der Notaufnahme oder auf der Intensivstation geschult. Auf diese Personalressourcen könnten wir bei Bedarf zurückgreifen. Aktuell besteht aber noch kein Bedarf. Unsere Ärzte und Pflegekräfte sind im Umgang mit besonderen gesundheitlichen Gefahren geschult, dies ist die Basis ihrer beruflichen Ausbildung und – unabhängig von Corona – Alltag in den Kliniken.“
Schließlich würden die Mitarbeiter intensiv auf die zu erwartende Situation vorbereitet und auf vielfältige Art und Weise unterstützt, so Ott, die beispielsweise das Vorhandensein von ausreichend Schutzmaterialien und psychologische Unterstützungsangebote anführt.
Kommentar: Das Schweigen der Politik
Die von Bund und Ländern willkürlich festgelegte 7-Tages-Inzidenz darf auf keinen Fall als alleiniger Gradmesser für Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie herangezogen werden. Entscheidend ist, wie viele Menschen krank sind, sprich, wie gefährlich das Virus ist. Noch einmal für alle: Nur wer Symptome hat, ist krank! Doch genau diese Information verschweigt die Politik auf allen Ebenen gerne. Selbst das sonst so wohltuend kommunikative Landratsamt Dachau veröffentlicht ausschließlich Zahlen über Infizierte. Nähere Angaben über Symptome gibt es nur auf Nachfrage. Das scheint politisch so gewollt zu sein. Gibt es im Freistaat einen Hotspot, wird so gut wie nie publiziert, ob oder wie viele Menschen tatsächlich erkrankt sind. Stattdessen lassen sich die zuständigen Behörden und Politiker ausführlich über Inzidenzien und Risikogebiete ein. Mit Verlaub: Risikogebiete sind die Region Berg Karabach, Syrien oder der Jemen, aber keineswegs Bad Reichenhall und schon gar nicht der Landkreis Dachau. Und damit die Bevölkerung ja schön im Panik-Modus bleibt, hat sich der auf einem Ego-Trip befindliche Ministerpräsident Markus Söder auch noch eine dunkelrote Warnstufe (Inzidenz über 100) einrichten lassen. Wer zeigt endlich Söder die dunkelrote Karte?
Thomas Zimmerly