Kunstwerke mit großer Gewalt zerstört

Die 33 Künstler, die an der Ausstellung „Raus“ der KVD Dachau teilnehmen, hatten ihre Werke für die Menschen „sichtbar und erlebbar“ machen wollen und sie im öffentlichen Raum installiert. Leider wurde die Kunst dadurch auch zerstörbar. Die Kunstschaffenden sind empört und frustriert zugleich.
VON STEFANIE ZIPFER UND THOMAS ZIMMERLY
Dachau – Oberbürgermeister Florian Hartmann hatte am Sonntag bei der Vernissage zur Ausstellung „Raus“ anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Künstlervereinigung Dachau (KVD) noch gesagt, die 18 KVD- sowie 15 Gastkünstler würden ein Wagnis eingehen, wenn sie ihre Werke im öffentlichen Raum zeigen würden. Dieses Wagnis bereuen einige der Aussteller bereits jetzt bitterlich. Unbekannte haben zwei Werke zerstört bzw. schwer beschädigt.
So die 300 Kilogramm schwere Keramikskulptur aus der Werkgruppe „Falten“ der Gastkünstlerin Luisa Koch, die am Moorbadpark aufgebaut war. Ein oder mehrere Täter haben in der Nacht zum Donnerstag mit enormer Gewalt zugeschlagen und die Wiese um den Sockel in ein Trümmerfeld verwandelt. „Es war ein richtiger Schock, nachdem die Eröffnung noch so schön gewesen und ich so euphorisch war“, klagt Koch, die ihr Atelier am Staffelsee hat. „Es scheint aber einfach nicht möglich zu sein, Stücke öffentlich zu zeigen“, so die Künstlerin, die im Park insgesamt vier Werke aufgestellt hat. Eine weitere Plastik aus Keramik hat sie inzwischen wieder eingepackt, zwei weitere aus Kunststoff bleiben stehen.
Koch hat eine Strafanzeige bei der Polizei Dachau gemacht. Der Schaden, so PI-Sprecher Günther Findl, werde mit 7000 Euro beziffert, „welchen ideellen Wert das Kunstwerk hat, ist nicht bekannt“. Hinweise auf den oder die Täter hat die Polizei noch nicht. Daher bittet sie dringend um Zeugenhinweise.
Ebenso noch im Dunkeln tappen die Ermittler im zweiten Fall, der sich bereits am Freitagabend oder in der Nacht zum Samstag zugetragen hat, also einen Tag vor der Vernissage. Hier haben die Gesetzesbrecher das Werk „Vice Versa“ von KVD-Mitglied Katrin Schürmann schwer beschädigt. Die Haimhauserin hat in der Bahnhofsunterführung zwei Bilder installiert, die miteinander in Beziehung stehen. Auf der einen Seite ist eine Aufnahme deutscher Kolonialherren in Afrika zu sehen, an der Wand gegenüber hängt ein Bild des italienischen Fotografen Sinti Palacios, das die Ankunft von Flüchtlingen zeigt. Dieses rund vier Quadratmeter große Foto wurde aus der Wand gerissen. Zerstört wurde der Teppichboden davor, auf den die Künstlerin Aufschrift „Sie kamen übers Meer“ anbrachte. „Ich bin ziemlich frustriert und wäre da gar nicht mehr hingegangen, wenn mich nicht ein Kollege überredet hätte“, so Schürmann. Nun aber hat sie beschlossen, ihr Werk so gut es eben geht zu erneuern. Auf die Frage, ob man nicht ein Kunstwerk gegen Zerstörungen schützen kann, antwortet Schürmann nur: „Es ist unmöglich, ein Kunstwerk im öffentlichen Raum zu versichern.“ Auf eine Strafanzeige verzichtet das KVD-Mitglied.
„Kunsthasser“ in Dachau unterwegs
Schwierigkeiten mit seinen Bildern „Elefanten durchwandern Dachau“ an verschiedenen Fassaden hat auch der Dachauer Zeichner, Illustrator und Maler Heiko Klohn, aber aus anderen Gründen. Am Karlsberg gab es technische Probleme, die laut Klohn zu beheben sind, und in der Hexengasse „waren die Nacktschnecken ganz wild auf den Kleister“. Doch dem KVD-Mitglied steht der Sinn ganz und gar nicht nach Scherzen. „Ich habe schon damit gerechnet, dass was passiert“, sagt er zum Vandalismus der vergangenen Tage, „das sind Chaoten, die nichts zur Gesellschaft beitragen, sondern nur zerstören wollen.“ Und noch eine Sache macht ihm Angst. „Jetzt beginnt das Volksfest, und wer weiß, was da noch alles passiert.“
Auch Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann gibt zu, schon im Vorfeld der Ausstellung entsprechende Befürchtungen gehabt zu haben: „Wir hatten mit unserer Lindwurm-Skulptur ja auch schon so unsere Erfahrungen gemacht.“ Wegen der Zerstörungswut Einzelner aber auf Kunst im öffentlichen Raum ganz zu verzichten, davon hält Hartmann nichts: „Das wäre eine zu radikale Antwort.“ Schließlich sei Kunst wichtig für die Bürger und die Gesellschaft. Die Diskussionen, die die „Raus“-Kunstwerke bereits im Vorfeld provoziert hatten, sei dafür ja der beste Beweis gewesen. Daher glaubt Hartmann auch nicht, dass die jüngsten Beschädigungen von „Kunsthassern“ verübt wurden, sondern „wahrscheinlich aus reiner Dummheit“. Aber damit, seufzt der OB, „muss unsere Gesellschaft heutzutage wohl leben“.