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Volksfest Dachau: Regierung verbietet Losverkauf an Kinder – doch es gibt ein Schlupfloch

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Von: Katrin Woitsch

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Strenge Regeln beim Lose-Verkauf: Die Stadt Dachau darf keine Lose direkt an Kinder verkaufen. Volksfestorganisator Klaus Mader kann über die strenge Regelung nur den Kopf schütteln.
Strenge Regeln beim Lose-Verkauf: Die Stadt Dachau darf keine Lose direkt an Kinder verkaufen. Volksfestorganisator Klaus Mader kann über die strenge Regelung nur den Kopf schütteln. © Norbert Habschied

„Schutz vor Glücksspiel und Suchtgefahr“: Auf dem Volksfest in Dachau wird der Verkauf von Losen an Minderjährige verboten. Doch die Stadt hat einen Weg gefunden, sich dem Verbot legal zu widersetzen.

Update vom 06. August 2019, 18.59 Uhr: Den Glückshafen auf dem Dachauer Volksfest gibt es seit dem Jahr 1894. 124 Jahre lang haben dort Kinder Lose gekauft, geöffnet, sich über Nieten geärgert oder über Plüschtiere gefreut. Im 125. Jahr wird einiges anders sein. Minderjährige dürfen zwar Lose ziehen – aber nur, wenn ihre Eltern sie für sie kaufen. Diese Regelung aus dem Glücksspiel-Staatsvertrag ist als Glückspielsucht-Prävention gedacht. 

Dachau: Bürgermeister hält Glücksspiel-Regelung für überzogen

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) kann darüber nur den Kopf schütteln. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass von unserem Glückshafen schon mal ein Kind glücksspielsüchtig geworden ist“, sagt er. Ein Volksfest ohne Glückshafen komme nicht infrage, betont er. Allein aus Tradition. Außerdem kommen sämtliche Erlöse bedürftigen Bürgern zugute. Hartmann ärgert sich. Mit solchen Regelungen mache sich der Staat lächerlich, findet er.

Tatsächlich ist die Regelung alles andere als neu. Die Jugendschutzbestimmungen im Glücksspiel-Staatsvertrag sind seit 2008 nicht mehr geändert worden. Allerdings verschickt die Regierung von Oberbayern erst seit diesem Jahr eine Kopie des Gesetzestextes mit den erteilten Genehmigungen. Erst dadurch hat die Stadt von dem Gesetz erfahren.

Landratsamt kontrolliert Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen beim Losverkauf

Andere Veranstalter haben sich damit schon früher befasst. Zum Beispiel Albert Söhl, der Kreisgeschäftsführer des Roten Kreuzes in Freising. Er hat sich bereits vor einigen Jahren bei der Regierung erkundigt, was das BRK beim Losverkauf beachten müsse. „Wir sind damals aus allen Wolken gefallen, als wir von der Jugendschutzbestimmung erfahren haben“, berichtet er. In Freising habe es auch regelmäßig Kontrollen des Landratsamtes gegeben. Allerdings dürfen dort auf dem Volksfest weiterhin Kinder und Jugendliche Lose kaufen. Das hängt mit der Umsatz-Grenze zusammen, die im Glückspiel-Staatsvertrag festgelegt ist. Erst, wenn der Erlös über 40 000 Euro liegt, gelte das Glückspiel-Gesetz. In Freising teilen sich mehrere Organisationen den Glückshafen – alle liegen mit ihrem Umsatz unter dieser Grenze. In Dachau betreibt großteils die Stadt den Losverkauf. Sie hat in den Vorjahren jeweils 74 000 Euro eingenommen. Hätte es eine Kontrolle gegeben, wäre auf die Stadt eine saftige Geldstrafe zugekommen. „Die Strafen liegen je nach Schwere des Verstoßes bei bis zu 500 000 Euro“, erklärt die Regierungssprecherin Verena Gros. Hartmann sagt dazu nur: „Das ist mal wieder ein gutes Beispiel für den Regelungswahn in unserem Land.“

Volksfest Dachau: Debatte um Los-Verkauf hat auch eine gute Seite

Auch wenn die Debatte über den Losverkauf bei vielen Dachauern für Kopfschütteln sorgt – ganz sinnfrei sei diese Regelung im Glücksspielstaatsvertrag nicht, erklärt Konrad Landgraf, der Geschäftsführer der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern. „Es ist gut, dass der Staat darauf achtet – bei einem so hohen Erlös handelt es sich nach dem Glücksspiel-Staatsvertrag eben nicht mehr um eine kleine Lotterie“, sagt er im Bezug auf den Dachauer Glückshafen. Gerade für Kinder und Jugendliche seien Glücksspiele ein enormer Reiz. „Sie können die Gewinnchancen oft nicht richtig einschätzen.“ Deshalb sei der Grundgedanke, dass Eltern bei Glücksspielen dabei sein sollten, grundsätzlich richtig. Dabei gehe es aber weniger darum, dass sie die Lose kaufen müssten, sondern dass sie ihren Kindern die Gewinnchancen erklären und ihnen helfen, einen richtigen Umgang mit Glücksspielen zu erlernen. Landgraf betont aber auch: „Kein Kind wird von einer Tombola süchtig.“ Da seien Automaten in Gaststätten oder Online-Spiele viel größere Risikofaktoren. Auch in einfachen Rubbellosen stecke schon ein Sucht-Potenzial. Deshalb findet er, dass die heftige Debatte um den Los-Verkauf auch eine gute Seite hat. „Über Glücksspielsucht wird im Alltag viel geschwiegen – dabei ist es ein Thema, das man sehr ernst nehmen muss.“

Dachau: Mit diesem Trick umgeht die Stadt das Verkaufsverbot von Losen an Kinder

Dennoch führt das Gesetz zu absurden Situationen: An den beiden letzten Volksfesttagen wird das BRK den Glückshafen in Dachau übernehmen. Und weil der Erlös dann deutlich geringer sein wird, dürfen an diesen Tagen Kinder und Jugendliche ihre Lose wieder selbst kaufen. Ausgerechnet dann ist auf dem Volksfest Familientag.

Katrin Woitsch

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Unsere Erstmeldung vom 05.08.2019:

Dachau – „In den Ohren von Otto Normalbürger mag es wie ein schlechter Scherz klingen, aber es ist keiner.“ Mit diesen Worten verkündete Oberbürgermeister Florian Hartmann gestern eine Nachricht, die man zunächst nicht glauben kann: Im städtischen Glückshafen auf dem Dachauer Volksfest dürfen heuer keine Lose mehr an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren verkauft werden.

Suchtgefahr: Regierung verbietet Losverkauf an Kinder auf dem Volksfest Dachau

Die Regierung von Oberbayern habe die Genehmigung für den diesjährigen Glückshafen nur unter der Bedingung erteilt, dass Minderjährige keine Lose mehr kaufen können, so Hartmann. Gemäß einer Mitteilung der Regierung von Oberbayern handelt es sich beim Glückshafen um Glücksspiel. Auch auf Nachfrage von Seiten der Stadt Dachau sah die Regierung von Oberbayern mit Berufung auf das Jugendschutzgesetz keine Möglichkeit, den Losverkauf an Minderjährige zu gestatten.

Keine Lose für Minderjährige beim Volksfest Dachau: Glückshafen mit traurigem Jubiläum

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Lose gibt es im Glückshafen heuer nur noch für Erwachsene: Oberbürgermeister Florian Hartmann, hier bei einem Rundgang in den vergangenen Jahren, kann über das Verbot der Regierung nur den Kopf schütteln. © hab

Den Glückshafen auf dem Dachauer Volksfest gibt es bereits seit 1894, er feiert also heuer sein 125-jähriges Jubiläum. Just im Jubiläumsjahr ist es den städtischen Mitarbeitern und ehrenamtlichen Helfern nicht mehr erlaubt, Lose an Minderjährige zu verkaufen. Oberbürgermeister Florian Hartmann kann über das Verbot nur den Kopf schütteln: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass von unserem Glückshafen schon mal ein Kind glücksspielsüchtig geworden ist.“ Hartmann ist aber froh, dass sich das Verbot nur auf die Kaufhandlung, also auf die Geldübergabe bezieht: „Lose aus den Schüsseln ziehen dürfen Kinder und Jugendliche zum Glück nach wie vor.“ Wenn Minderjährige Lose ziehen wollen, muss also immer ein Erwachsener dabei sein, der das Geld übergibt.

Volksfest Dachau ohne Lose für Kinder: Oberbürgermeister Hartmann richtig sauer

„Mit solchen Regelungen gibt sich die öffentliche Hand immer mehr der Lächerlichkeit preis“, ärgert sich Oberbürgermeister Hartmann. Aber die Alternative, nämlich den traditionellen Glückshafen ganz zu streichen, kam nicht in Frage. Hartmann: „Der Glückshafen hat eine lange Tradition und bleibt erhalten. Punkt.“ Zumal der Glückshafen nicht nur eine große Attraktion auf dem Volksfest ist, sondern dazu noch einem guten Zweck dient: Sämtliche Erlöse des Glückshafens fließen in die Dachauer Bürgerspitalstiftung, mit der bedürftige Dachauer Bürger unterstützt werden.

Das Losverbot für Kinder ist heuer nicht die einzige Neuerung auf dem Dachauer Volksfest. Erst vor Kurzem hatte Oberbürgermeister Florian Hartmann einige Änderungen vorgestellt.

dn

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