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Zum Gedenken an Eugen Kessler: Solidarität im Todeslager

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Kurz vor seinem Tod: Eugen Kessler (Mitte) im Jahr 1999 im Gespräch mit zwei ehemaligen KZ-Häftlingen bei einer Gedenkfeier in Dachau.  Foto: KZ-Gedenkstätte Dachau
Kurz vor seinem Tod: Eugen Kessler (Mitte) im Jahr 1999 im Gespräch mit zwei ehemaligen KZ-Häftlingen bei einer Gedenkfeier in Dachau. Foto: KZ-Gedenkstätte Dachau

Dachau - „Vor Dachau wusste ich nicht, was Solidarität bedeutet.“ Diese Worte stammen von Eugen Kessler. Und sie verwundern. Denn Kessler war Häftling im Konzentrationlager Dachau.

Für Eugen Kessler, der später Vorstand der Lagergemeinschaft Dachau war und der 1999 verstarb, gab es bei aller Brutalität und Menschenverachtung im KZ auch eine andere Seite: die große Solidarität unter den Häftlingen. Die KZ-Gedenkstätte richtete zu Ehren des 100. Geburtstages von Eugen Kessler jetzt eine Gedenkveranstaltung aus. Der Abend stand unter Kesslers Lebensmotto: „...ohne Freundschaft ist das Leben zwecklos.“

Zwei Freunde Eugen Kesslers waren in die Gedenkstätte geladen, um über ihn als politischen Menschen und Freund zu sprechen, der Journalist Ernst Antoni und der Psychologe Jürgen Müller-Hohagen. „Freundschaft und Solidarität, das waren große Themen für Eugen Kessler“, betonte Müller-Hohagen. Besonders beeindruckt hat ihn Kesslers Begabung, auf Menschen zuzugehen und auch junge Menschen für seine Geschichte zu begeistern. „Er riet ihnen immer, von vorgefassten Gedanken weg zu gehen. Sich etwas sagen zu lassen, aber nicht von allen, wie den Nazis.“

In der Gedenkstätte wurden außerdem Videoausschnitte aus einem Interview mit Eugen Kessler gezeigt. Der gelernte Maler, der durch die pazifistische Einstellung seines Vaters geprägt worden war, kam 1934 mit der verbotenen KPD in Kontakt. Im September 1935 wurde er in sogenannte Schutzhaft genommen und ins KZ Dachau überstellt. Grund für seine Festnahme war ein Flugblatt, das er verteilt hatte - es war ein Flugblatt der KPD mit der Aufschrift: „Hitler bedeutet Krieg.“ Kessler musste zwei Jahren im KZ bleiben, wurde grausam gefoltert. Nur weil er sich während der Arbeit einmal mit einem anderen Häftling unterhalten hatte, musste er das sogenannte Baumhängen über sich ergehen lassen: An die Handgelenke der Häftlinge wurden Seile gebunden. Dann wurden die Häftlinge hochgezogen, Stunden mussten sie in dieser qualvollen Haltung ausharren.

Kessler wurde 1937 entlassen. Freundschaft und Solidarität hatten ihm geholfen, die Tortur zu überstehen. Müller-Hohagen erzählte, dass Kessler besonders beeindruckt von dem Kommunisten Alfred Haag gewesen sei. Haag hatte eine Prügelstrafe auf sich genommen, um die anderen Mitglieder seines Arbeitskommandos zu schützen.

Zu Kriegsbeginn 1939 wurde Kessler für wehrfähig erklärt und eingezogen. Er, der überzeugte Pazifist, sollte plötzlich für das verhasste Regime kämpfen. Kessler kam an die Ostfront. Er lief über und trat nach seiner Zeit in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager und dem Verbot der KPD keiner Partei mehr bei.

Nach seiner Rückkehr nach München heiratete er die Polizistenwitwe Käthe. Er hatte sie nach seiner Entlassung aus dem KZ Dachau kennengelernt. Käthe stand immer zu ihm, sie hatte sich trotz massiven Drucks der Gestapo geweigert, sich von Kessler, dem ehemaligen „KZler“, zu trennen.

Eugen Kessler war über Jahrzehnte in der Dachauer Lagergemeinschaft engagiert. 1975 übernahm er sogar den Vorsitz, sein Nachfolger wurde 1990 Max Mannheimer. Der Journalist Ernst Antoni war Präsidiumsmitglied der Lagergemeinschaft Dachau und langjähriger Funktionär in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Er erzählte über den politischen Menschen Eugen Kessler. Aber auch über dessen Engagement für die Erinnerungskultur, für die Kessler auch immer wieder Freunde um Unterstützung bat. Im Vorfeld des 40. Jahrestages der Befreiung war Kessler einer der Initiatoren des „Friedensweges: ein Radweg zum Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus bis zum ehemaligen Schießplatz Hebertshausen. Antoni sagte abschließend über seinen Freund: „Engagement und vor allem Freundschaft setzten sich für ihn immer über politische Grenzen und Glaubensgrenzen hinweg.“ (ros)

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