Die Muresi aus Karlsfeld

Karlsfeld – „Mein Name ist Michele, und das ist Angelo. Zusammen sind wir Michelangelo!“ Michele Fezzuoglio ist Vorsitzender des Vereins „Associazione Muro Lucano – Basilicata e Sostenitori“, kurz Basilikata, und Angelo Troiano der Sekretär. Dritter in diesem lustigen Bund ist der stellvertretende Vorsitzende Pietro Sarcinella. Wer jemals Zweifel daran hatte, ob eine Partnerschaft zwischen Karlsfeld und Muro Lucano sinnvoll ist, muss sich nur mit diesen drei „Muresern“ unterhalten.
Sie leben seit Jahrzehnten in Karlsfeld, als zweite Generation der Arbeiter, die in den 70-er Jahren nach Bayern kamen. Damals hingen am Rathaus in Muro Lucano Stellenangebote aus der ganzen Welt. Vor allem die von MAN sprachen sich schnell herum: „Gute Arbeit und gutes Wohnen gibt es dort.“ Zuerst waren die Angeworbenen in einem Männerwohnheim untergebracht. Als immer mehr Brüder und Cousins und schließlich Familien nachkamen, zählte man 1980 in Karlsfeld 800 Muresi. „Unsere Wurzeln sind hier“, sagt Fezzuoglio. Jetzt sind es vielleicht noch 25 Familien, mit Kindern und Kindeskindern.
„Karlsfeld ist sehr jung, und wir sind mittelalt“, stellt Pietro Sarcinella fest. Mit Verlaub: Uralt ist Muro, mit seiner fast 2000-jährigen Geschichte. Es ist eine Bischofsstadt mit einem stolzen Kastell, in dem allerdings Königin Johanna I. von Neapel 1382 auf Befehl ihres Adoptivsohns ermordet wurde. Der berühmte Heilige Gerardo Maiella ist in Muro geboren. Er gilt als Patron der Kinder und Mütter. Seine Statue fand 2008 in der Kirche St. Anna in Karlsfeld einen würdigen Platz.
Die Chemie stimmt zwischen den Gemeinden
Karlsfelds Gründung wird gerade mal aufs Jahr 1802 datiert, mit 34 Einwohnern. Jetzt sind es 22 000, Muro hat nur rund 600 Einwohner. Dass trotz dieser Unterschiede die viel gerühmte „Chemie“ zwischen den Menschen in den beiden Gemeinden stimmt, zeigt die nun zehnjährige Partnerschaft.
Einen großen Anteil daran hat Bürgermeister Stefan Kolbe. „Der Stefan hat immer mit viel Spaß bei uns Fußball gespielt“, teilt das Trio mit. „Er hat viele Muresi gekannt und er wollte wie wir die Partnerschaft.“ Aber auch der zweite Stefan, der Handl (2. Bürgermeister), habe sich da sehr engagiert.
Der Vertrag 2011 sei das eine, offizielle gewesen. Aber „im Herzen“ sei das schon lange eine Partnerschaft gewesen zwischen Karlsfeld und Muro Lucano, versichern Fezzuoglio, Troiano und Sarcinella. Kolbe sei in Mureno sehr willkommen und beliebt. „Wenn Signor Sindaco (Bürgermeister) in eine Bar geht, ist alles für ihn schon bezahlt.“ (Man beachte: eine italienische Bar!). Dass er im Januar 2020 zum Ehrenbürger von Muro Lucano ernannt wurde, war natürlich Ehrensache.
Alle zwei Jahre ist bisher eine deutsche Delegation nach Muro gefahren, und im Jahr dazwischen waren Mureser Gast auf dem Siedlerfest. Immer wurde, so ist den Berichten zu entnehmen, ausgiebig gefeiert.
Wenn auch die Deutschen in Italien einiges lernen mussten: „Der Stefan“, also der Kolbe, „wollte unbedingt mit dem Fest um 20 Uhr anfangen“, erinnert sich Angelo Troiano. Da ist natürlich noch kein Italiener in Feierlaune. Entsprechend spärlich war der Besuch. Das bereitete auch den Köchinnen bei dem sagenumwobenen bayerischen Festabend im August 2015 Sorgen: Sie fürchteten, auf den ganzen bairischen Schmankerln sitzen zu bleiben. Aber dann ging es los, und alle strömten nur so herbei. „Um 23 Uhr haben wir kein Fitzelchen mehr gehabt, alles war ratzeputz weg“, erzählt noch heute Kulturreferentin Ingrid Brünich.

„Viel Arbeit war’s, aber es war so schön“, bestätigt Anneliese Eberle. Knödel und Sauerkraut waren mit dem Kühlwagen angereist, das Fleisch durfte nicht mit. „Da mussten wir in Muro hiesige Schweineschultern für den Rollbraten zerlegen“, so Brünich. Damals war auch Hiltraud Schmidt-Kroll im Küchen-Frauen-Team dabei. Wenn sie von diesem Festa della Birra erzählte, war sie ebenfalls ganz begeistert. Sie starb im September 2018.
Die Italiener haben auch einiges gelernt im Austausch: Zum Beispiel, dass es auch zu Ostern in Karlsfeld schneien kann. Die Fußballjugend war bei lauen 20 Grad aus Muro losgefahren, mit leichter Bekleidung. „Die armen Kerle haben dann im Schnee gespielt,“ erinnert sich Angelo Troiano.
Schnell gelernt haben die Mureser auch das Biertrinken. „Das passt einfach wunderbar zu bairischem Essen. Das ist doch echte Integration“, finden die drei vom Basilikata-Verein. Dass die italienischen Bedienungen allesamt im bayerischen Dirndl auftraten, ist Integration hoch zwei. Und dass die drei Vereinsmänner Lederhosen haben und sie auch stolz tragen, toppt das noch mal. So kann es die nächsten Jahrzehnte weitergehen.
Eine öffentliche Feierzum zehnjährigen Bestehen der Partnerschaft findet an diesem Sonntag von 12 bis 18 Uhr im Bürgertreff am Marktplatz statt.
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