1. Startseite
  2. Lokales
  3. Dachau
  4. Karlsfeld

Karlsfelder Streetworkerin im Interview: „Pubertät ist überall gleich schwer“

Erstellt:

Von: Thomas Leichsenring

Kommentare

Ihr Domizil – und eines für alle Karlsfelder Jugendlichen: Christin von der Ahe in den Räumen der Aufsuchenden Jugendarbeit in der Parzivalstraße 48.
Ihr Domizil – und eines für alle Karlsfelder Jugendlichen: Christin von der Ahe in den Räumen der Aufsuchenden Jugendarbeit in der Parzivalstraße 48. © Gemeinde Karlsfeld

Seit knapp zwei Jahren hat die Diplom-Sozialpädagogin Christin von der Ahe die zuvor lange vakante Streetwork-Stelle in Karlsfeld inne. Im Interview spricht sie über Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Arbeit in Berlin und Karlsfeld, über die Auswirkungen der Coronapandemie auf die Jugend sowie über Drogen und gewaltbereite Banden in der Gemeinde.

Frau von der Ahe, Sie waren in Berlin tätig, ehe Sie die Streetworker-Stelle in Karlsfeld übernahmen. Wie sehr unterscheidet sich die Arbeit in einer Millionen-Metropole von der in einer Gemeinde im Landkreis Dachau?

Die Arbeit mit den Jugendlichen unterscheidet sich nicht wirklich, egal, ob Großstadt oder eine Gemeinde von 22 000 Einwohnern, Pubertät ist überall gleich schwer. Der Unterschied zu Berlin ist, dass ich hier nicht einfach in der Anonymität in den Feierabend gehen kann. Ob ich einkaufen gehe oder eine Runde am See spazieren bin, in der Regel begegne ich meiner Arbeit, und oftmals wird man in ein intensives Gespräch vertieft. Ein anderer Punkt ist die mediale und politische Aufmerksamkeit, die diese Stelle mit sich bringt, das war mir überhaupt nicht bewusst und daran muss ich mich noch immer gewöhnen.

Worin besteht die größte Gemeinsamkeit?

Die Jugendlichen und Kinder sind dankbar, wenn man sie wahrnimmt, ein Ohr für sie hat und ihnen auf Augenhöhe begegnet. Es ist egal, wo ich arbeite, ob Berlin oder Karlsfeld, das Wichtige ist, dass mir meine Arbeit mit den Kids und Jugendlichen einfach Spaß macht, auch wenn sie oft viel zu kurz kommt, da das Drumherum so viel Zeit in Anspruch nimmt.

Sie haben in Karlsfeld 2019 eine Stelle übernommen, die zuvor lange unbesetzt war. Wie wichtig ist Streetwork für Karlsfeld?

Meiner Meinung nach extrem, denn ich bin für alle irgendwie greifbar und dadurch, dass Karlsfeld doch wie ein Dorf strukturiert ist, kennen viele mich und meinen Namen. Die Kinder und Jugendlichen sprechen mich auch von alleine mit ihren Anliegen an, und diese Anliegen können extrem vielseitig sein. Von Liebeskummer über Streitigkeiten bis hin zu Straftaten.

Wie sieht Ihr „Klientel“ in Karlsfeld aus?

Offiziell arbeite ich mit Jugendlichen ab 14 bis 27 Jahren. Die Praxis sieht anders aus, hier sind es Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 21 Jahren.

Streetwork wird allgemein auch Aufsuchende Jugendarbeit genannt. Gibt es einen Unterschied?

Offiziell ist der Unterschied, dass Streetwork sich an spezielle Gruppierungen in einen Viertel richtet. Zum Beispiel an Punks oder eine Drückerszene. Aufsuchende Jugendarbeit richtet sich an alle Jugendlichen im Sozialraum und deren Bedürfnisse.

Jugendliche würden an den Rand gedrängt, sagten Sie kürzlich bei Ihrer offiziellen Vorstellung im Gemeinderat. Wie äußert sich das konkret?

Zum Beispiel: Durch mehrere Polizeieinsätze in der Neuen Mitte wegen Verstößen gegen die Coronaregeln wurde der Platz für die Jugendlichen unattraktiv. Sie haben sich neue Orte gesucht. Leider ist es oft so, dass Jugendliche als bedrohlich und störend eingestuft werden. Und gerade gibt es keinen zentralen Ort in Karlsfeld, wo sich Jugendliche in ihrer Subkultur treffen können, ohne dass sich Erwachsene Bürger über das Verhalten und den Lärm beschweren.

Corona wirkt sich in alle Lebensbereiche aus. In welchem Maß leiden Jugendliche darunter?

In der Zeit der Jugend sind Freunde das A und O. Am liebsten hängt man in großen Gruppen zusammen und blendet alles andere aus. Körperkontakt mit Freunden ist wichtig. Aber das alles war im letzten Jahr nicht möglich oder besser gesagt: Es war verboten.

Was ist aus Sicht einer Expertin in Sachen Jugendarbeit in Karlsfeld besonders gut, und was fehlt?

Gut ist, dass wir eigentlich viele räumliche Möglichkeiten haben, die wir nutzen können und dass wir bei Aktionen vom Rathaus Unterstützung und Rückendeckung bekommen.

Und was fehlt?

Wir müssen in der Kinder- und Jugendarbeit mehr mit anderen Trägern und Vereinen zusammenarbeiten und die jungen Menschen gezielter ansprechen und auf deren Bedürfnisse eingehen.

Wie sieht es mit Drogen aus in Karlsfeld?

Drogen gibt es überall, auch hier. Es hat immer mit Angebot und Nachfrage zu tun. Wichtig ist es, hier die Jugend aufzuklären und ihn Hilfsangebote an die Hand zu geben.

Und Gewalt? Existieren in Karlsfeld Jugend-Banden und inwiefern machen sie Probleme?

Ja es gibt eine „Bande“ in Karlsfeld, die ihr Unwesen treibt und die leider ihre Opfer sehr unterdrückt.

Was kann man tun?

Hier ist es wichtig, dass wir Kinder, Jugendliche und deren Eltern zeigen, dass sie erstens nicht alleine sind und dass man sich zweitens wehren muss. Wir, die Jugendarbeit Karlsfeld, haben deswegen die Kampagne „#Karlsfeld steht auf!“ ins Leben gerufen. Unter diesem Motto werden in nächster Zeit unterschiedliche Aktionen durchgeführt. Die erste findet am 3. Juli auf dem Marktplatz von 12 bis 17 Uhr statt. Es geht um das Thema Gewaltprävention und Zivilcourage.

Ihr größter Wunsch für die Jugendarbeit in Karlsfeld?

Ich wünsche mir, dass die Stelle und die Jugendarbeit weiterhin positiv wahrgenommen werden und wir alle gemeinsam diesen Bereich weiterentwickeln, damit auch in der Zukunft alle anfallenden Aufgabenstellungen gemeistert werden können.

Auch interessant

Kommentare