Theaterprojekt: Ein neuer Dachauer Prozess

Dachau - Die Dachauer Regisseurin und Schauspielerin Kareen Breece widmet sich abermals einem zeitgeschichtlichen Thema. Wie in der Persiflage "Blutnacht auf dem Schreckenstein" aus dem Jahr 2012 geht es um das Konzentrationslager Dachau. Erzählt wird eine Geschichte aus Tätersicht - an einem historischen Ort.
Der Raum sieht unscheinbar aus. Von den Wänden blättert die Farbe, die alten Heizkörper sind ergraut. In der Ecke liegen mehrere Holzpaletten gestapelt. Nichts erinnert mehr an den Prozess, der hier vor 69 Jahren stattfand. An die schicksalhaften Urteile, die das amerikanische Militärgericht im so genannten Dachau Hauptprozess gegen die Angeklagten um Lagerkommandant Martin Gottfried Weiß wegen Verbrechen im Konzentrationslager verhängte: 36 Mal Tod durch den Strick.
Doch jetzt regt sich wieder etwas im Gebäude der ehemaligen SS-Schneiderei, das sich auf dem Gelände der Bayerischen Bereitschaftspolizei in Dachau befindet und seit Jahrzehnten als schmuckloser Lagerraum genutzt wird: Karen Breece wird die Räumlichkeiten als Theaterbühne nutzen und damit nach langer Zeit der Öffentlichkeit zugänglich machen.
An der Wand entlang stehen zwei Stuhlreihen. Karen Breece wischt mit der Hand den Staub von der Sitzfläche, bevor sie sich setzt und von ihrem Projekt erzählt. Nach der von KZ-Häftlingen geschriebenen Persiflage „Blutnacht auf dem Schreckenstein“, die Breece vor zwei Jahren auf dem MD-Gelände aufwändig inszenierte und damit überregional Anerkennung erntete, folgt nun gewissermaßen eine Fortsetzung. Das Projekt trägt den Titel „Dachau // Prozesse“ und entführt die Zuschauer in die unmittelbare Nachkriegszeit.
Eine Zeit, in der sich die amerikanischen Besatzer mit der Fragestellung konfrontiert sahen, wie man denjenigen, die in den Konzentrationslagern über Jahre für unvorstellbares Leid verantwortlich waren, eine gerechte Strafe zuweisen könne.
Von 1945 bis 1948 fanden die Dachauer Prozesse statt. In insgesamt 489 Militärgerichtsprozessen wurden 1672 Personen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt - der Großteil davon wegen Verbrechen, die in Konzentrationslagern begangen wurden. Von 426 verhängten Todesurteilen wurden 268 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg vollstreckt.
Nach der Perspektive der Häftlinge will Karen Breece nun „die andere Seite beleuchten“, wie sie sagt. Nämlich die der Täter. Die der SS-Mitglieder, die Zaun an Zaun mit den Häftlingen ihren Alltag verbrachten und dabei groteskerweise mitunter die schönste Zeit ihres Lebens erlebten, wie von Lagerkommandant Martin Gottfried Weiß überliefert ist.
Weiß und seine Ehefrau Lisa stehen im Zentrum des Theaterprojekts von Karen Breece. Gespielt von den schon in der Blutnacht zu sehenden Verena Wildmoser und René Rastelli, soll die Geschichte dieses Liebespaares erzählen, wie sich das Leben „Zaun an Zaun“ gestaltete. Glücklicher Alltag auf der einen - Qualen, Misshandlungen und Tod auf der anderen Seite. Über Form und Inhalt ihres neuen Projekts will die Regisseurin nicht zu viel verraten. Nur soviel: Die Zuschauer werden in Bussen die ehemalige SS-Garnison erkunden und im Anschluss in dem historischen War-Crimes-Branch-Gebäude - so die sperrige Bezeichnung für den als Gerichtssaal genutzten Raum - einen neuen „Dachauer Prozess“ erfahren.
Dabei spielt ein Chor aus Schauspielern eine ganz wesentliche Rolle. „Das Bühnenbild wird sehr abstrakt bleiben“, kündigt Breece an. „Ich möchte vor allem mit der Bedeutung des Raumes arbeiten.“
Trotz aller Abstraktion und Puristik dürfen sich die Zuschauer auf einige ungewöhnliche Elemente einstellen: So gehören zum von Eva Veronica Born entworfenen Bühnenbild etwa 42 000 metallene Kleiderbügel.
Derzeit bereitet sich Karen Breece mit ihrer Besetzung auf dem MD-Gelände vor. Ab 22. April dürfen die Mitwirkenden dann auf dem BePo-Gelände proben. Mit dem historischen Stoff hat sich die Regisseurin im Vorfeld akribisch auseinandergesetzt. Die Historiker Edith Raim und Robert Sigel begleiten das Projekt, dazu fanden Gespräche mit Zeitzeugen, aber auch mit Angehörigen des ehemaligen SS-Personals statt.
Die Besetzung wird den Abend jedoch nicht alleine gestalten. Das Theaterprojekt ist auf die Partizipation des Publikums angelegt. Die Zuschauer sollen selbst Teil des Prozesses werden. „Wir wollen jedem die Möglichkeit geben, seine Haltung zur Geschichte und zur Gegenwart zu untersuchen und zu reflektieren“ - das ist Karen Breeces Ziel. Damit der triste Raum eine neue Erinnerung hinterlässt.
Das Theaterprojekt wird an folgenden Terminen auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei Dachau, John-F.-Kennedy-Platz 1, aufgeführt: 23., 24., 30., 31. Mai und 9., 10., 13., 14. Juni, 19 Uhr. Die Vorstellungen am 23. und 24. Mai sind bereits ausverkauft. Karten gibt es für 15 Euro oder 10 Euro (ermäßigt) zzgl. VVK-Gebühr bei Münchenticket. (mm)