Bei vielen werden Kindheitserinnerungen geweckt

Sulzemoos - Die Wanderausstellung „Kriegsende und Nachkriegszeit in der Gemeinde Sulzemoos“ hat gleich an ihrem Eröffnungstag zahlreiche Besucher in ihren Bann gezogen.
Viele wollten sich im Rathaus die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sich über die Kriegsendphase, Kriegsende und frühe Nachkriegszeit in ihrer Region zu informieren oder alte Erinnerungen aus der Kindheit aufzufrischen. Dabei führte die Leiterin des Projekts Geschichtswerkstatt auf Landkreisebene, Dr. Annegret Braun, persönlich durch die in acht Themenbereiche gegliederte Ausstellung.
Das erste Plakat gibt einen Überblick über das Projekt. Der zweite beschäftigt sich mit dem Einmarsch der Amerikaner, die im Fall von Sulzemoos von der Autobahn ins Dorf kamen. Erzählt wird die Geschichte von der Fischer Resi, die ohne Zustimmung des Pfarrers ein weißes Tuch am Kirchturm anbrachte.
Im dritten Teil geht es um Entnazifizierung und Reeducation (demokratische Bildungsarbeit). Am Beispiel des über die Landkreisgrenzen hinaus bekannten und 2011 verstorbenen Allgemeinmediziners Dr. Hans-Georg Früchte wird der Prozess der Entnazifizierung gezeigt. Dr. Früchte wurde damals übrigens im vollen Umfang entlastet, da er in der NS-Zeit Juden vor der Verfolgung schützen konnte und Soldaten durch falsche Atteste vor dem Krieg bewahrte.
Ein weiterer Abschnitt behandelt die Flüchtlinge und Vertriebenen und ihren Einfluss auf das Dorfleben nach Kriegsende. Berichtet wird über einen einwöchigen Schulstreik. Anlass war die Absetzung des bisherigen Lehrers durch die Amerikaner und die Einsetzung eines Flüchtlings evangelischer Konfession als Lehrer. Dass ein Protestant katholische Kinder unterrichtet, war in der damaligen Zeit für die Einheimischen nicht akzeptabel. Erst das Schulamt konnte die Wogen glätten.
Ausgestellt ist auch das Modell einer finnischen Sauna, die der Flüchtlingsarzt Dr. Hertkorn 1948 am Steindlbach errichtete. Sie war die bis dahin einzige Sauna in Deutschland, in der gleichzeitig Heilbehandlungen und Strahlentherapie vorgesehen waren.
Der fünfte Teil handelt von Schule, Kirche und Politik mit Originalbänken und einem Ofen aus der Schule Sulzemoos sowie Klassenfotos.
Berichtet wird natürlich auch über Aufstieg und Fall von Dr. Joseph Baumgartner, der im Zenit seiner politischen Karriere zum stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten aufstieg.
Im nächsten Abschnitt geht es um die Wirren der Nachkriegszeit. Dabei werden das Schwarzbuttern und Schwarzschlachten behandelt. Unter der Überschrift „Frauen und Familie“ wird gezeigt, dass zu der Zeit, als viele Männer gefallen waren oder sich noch in Kriegsgefangenschaft befanden, Frauen die Hauptlast, insbesondere in der Landwirtschaft, zu tragen hatten. Zu sehen sind auchBilder der damaligen Frauen-Löschgruppe der örtlichen Feuerwehr. Besonders freute sich Annegret Braun darüber, dass sie mit Anni Schindler ein Mitglied dieser Gruppe begrüßen durfte.
Im Teil „Dorfleben, Normalisierung und Integration“ wird deutlich, wie Bälle und Tanzveranstaltungen zum besseren Verständnis zwischen Alt- und Neubürgern beitrugen. Doch auch Vereine wie der 1947 von Flüchtlingen und Vertriebenen gegründete Sportverein hatten erheblichen Anteil an Integration.
Wer noch eine Reise in die Nachkriegszeit unternehmen möchte, hat dazu bis zum 13. September Gelegenheit. Die Ausstellung kann zu den üblichen Öffnungszeiten des Rathauses besucht werden. Eine Führung gibt es am Sonntag, 30. Juni, um 17 Uhr. Um 18 Uhr wird eine Führung speziell für Jugendliche angeboten. cst